(Misfits, USA 1961, 120 Min., Drehbuch Arthur Miller, Regie John Huston)
Ein alternder Cowboy, der den schönen alten Zeiten nachjammert, als es noch riesige Wildpferdherden gab, die man einfangen konnte. Ein ausgemusterter Kriegsflieger mit seiner alten „Mühle“ und einem halbfertigen Haus in der Wildnis sowie dem Komplex, daß er weiß, er hat mit seinen Bomben viel Leben und Glück zerstört, aber nicht weiß, wieviel und welches im einzelnen. Und ein spätpubertärer Rodeoheld, der eine Flasche Whisky braucht, um sich in die richtige Kampfstimmung zu bringen. Das ist das Personal, auf das die blonde Schönheit zufällig trifft, die den drei Männern jedes Wort glaubt, die jeden mit gleich mütterlicher Zuwendung tröstet und für jeden Verständnis aufbringt und nicht bemerkt, daß sie von den dreien nur als begehrenswerter Sexbrocken gesehen wird.
Als die Blondine dann bei der Wildpferdjagd mit dabei sein darf, kommt es zur Krisis. Denn sie sieht, wie eine kleine Wildpferdfamilie mit dem Flugzeug gejagt, dann mit dem Lasso eingefangen und brutal zu Boden gerissen und gefesselt wird. Und sie erfährt so nebenbei, daß die Tiere an einen Schlachter verkauft werden sollen, der daraus Hundefutter macht, weil man keine andere Verwendung für Wildpferde mehr hat.
Lieber Arthur Miller, in diesem Fall hast du den Bogen überspannt. Du hast nicht daran gedacht, daß der Kinofilm Helden braucht, für die noch der letzte popelige Betrachter sich begeistern kann. Das ist bei allen vier Hauptfiguren dieses Films nicht möglich. Weder die dämlich-naive Frau noch die drei absurd heldenhaften Männer sind Identifikationsfiguren. Sie sind wahrhaftig nichts anderes als Misfits, lauter Nichtangepaßte ohne Hintergrund oder verborgene Tiefe. Womit auch der Film selbst zum Misfit wurde: der mißglückte Versuch, einen Film zu machen, der den Leuten was bedeutet. Die der Blondine anfangs an die Seite gestellte ältere Begleiterin, eine Sancha Pansa, in altbewährter Manier als Stichwortgeberin funktionierend und dabei überraschend gut wirkend, wurde leider ins Aus geschickt, sobald das Männertrio beisammen war.
Millers altes Thema, die Feststellung, daß das Leben sinnlos ist, man aber irgendwie weiterleben muß, ist hier ins Extrem und damit in die Binsen gegangen. Verzweifelter Erfolgsoptimismus, Selbstüberschätzung, Absturz in ein Wunschtraumleben, alles an sich ergreifend genug. Aber was noch in „Der Tod des Handlungsreisenden“ jeder Zuschauer nachempfinden konnte, das wurde hier zum Krawall im Panoptikum. Tiefsinniges kommt beim Publikum nur an, wenn es aus dem Mund von Gescheiterten kommt, wußte Arthur Miller. Der Konsument will nicht von Figuren belehrt werden, die ihm überlegen sind. Nach diesem simplen Arbeitsprinzip ist der Autor vorgegangen. Doch hat er nicht bedacht, daß der verrückte Gescheiterte ebenfalls nicht allzu glaubhaft wirkt.
Das war ein grober Konzeptionsfehler in diesem Drehbuch, das er als Geschenk für Marilyn bezeichnet hatte. Schon damit hat Miller den gutgemeinten Versuch, seine Noch-Ehefrau Marilyn Monroe ins Charakterfach zu hieven, unmöglich gemacht. Ob dieser Versuch bei der 35-jährigen Schauspielerin mit ihrer enormen Pharmaka-Abhängigkeit überhaupt eine Chance gehabt hätte, ist eine Frage, die keine Antwort mehr finden konnte, weil der Film „Nicht gesellschaftsfähig“ ihr letzter Film blieb. Ein Jahr nach der Scheidung von Arthur Miller starb Marilyn Monroe unter nie ganz geklärten Umständen.
Ob Miller selbst an dieses Experiment geglaubt hat? Das kennt man doch: Wenn man einer Puppe das Sprechen beibringt, dann kommt nicht viel. Meist nur: Mama, ich hab‘ Hunger. In dem Fall hieß das Ergebnis: die Puppe kotzt. Und das wahrhaft unglaubliche Happy-end dieses Films bringt auch den Betrachter dazu.
(Walter Laufenberg am 8. 7. 2004 in www.netzine.de; siehe auch die spätere Besprechung dieses Films unter dem Titel „Misfits – Nicht Gesellschaftsfähig)