Ginger und Fred

(Ginger e Fred, I/F/BRD 1985, 120 Min., Regie Federico Fellini)

Die Befürchtung, das Fernsehen könnte dem Spielfilm den Todesstoß geben, hat sich als unsinnig erwiesen. Der Spielfilm ist das Beste am Fernsehen. Alles andere ist Horror. Das ist die Einstellung des großen italienischen Regisseurs Federico Fellini. Und er illustriert sie in diesem handlungsarmen, aber nachdenklich machenden Film auf überzeugende Art. Dabei mutet er seinen Zuschauern viel zu. Zunächst einmal das doppelte Spiel des Spiels.

Zwei abgetakelte Varietékünstler, eine alte Dame und ein alter Herr, lassen sich dazu verführen, noch einmal in einer Show aufzutreten. Diesmal im Fernsehstudio. Damit einverstanden nur, weil sie sich noch einmal wiedersehen wollen, nachdem die gemeinsame Arbeit schon vor Jahrzehnten beendet wurde. Damals hatten sie mit Erfolg das Tanzpaar Fred Astaire und Ginger Rogers kopiert. Jetzt sollen die Kopisten sich selbst kopieren.

Keine Zeit und Gelegenheit zum Proben. Kaum für ein paar wehmütige Worte der Erinnerung. Statt dessen das Hinterbühnenchaos einer vorweihnachtlichen TV-Show, an der nichts Weihnachtliches ist. Die beiden finden sich in einem Kuriositätenkabinett wieder: ein uralter Admiral, der beinahe im Stehen einschläft, eine Frau, die Stimmen aus dem Jenseits mit ihrem Mikrophon einfängt, ein totschlapper Oppositionspolitiker im Hungerstreik, ein Meister-Kidnapper, der in Handschellen und von Polizisten flankiert herumsteht und freundlich lächelt, ein alter Mönch, der angeblich schweben konnte, prallärschige Tänzerinnen in futuristischen Kostümierungen  und eine ganze Balletttruppe von Lilliputanern. Und über allem kein Halleluja der Engel, sondern immer wieder neue Anweisungen per Megaphon. Und statt der Hirten vom Felde kommen Jungjournalistinnen, die dumme Fragen stellen, weil sie nicht wissen, wen sie vor sich haben.

Wenn Fellini mit diesem Film das Fernsehen entlarven wollte, dann ist ihm das gelungen. Er hat damit schon sehr früh dem Privatfernsehen ein Denkmal gesetzt, wohl wissend, daß er nicht warten kann, bis es gestorben ist.

Doch ist dieser Film viel mehr als bloße Medienkritik, speziell Fernsehkritik. Er ist auch ein bissiger Kommentar zum modisch gewordenen Jugendlichkeitswahn. Und er zeigt die Tragödie des Menschen, der sein Leben auf  das Körperliche gesetzt hat: auf Schönheit, Stärke, Gewandtheit, tänzerische Grazie, auf all das, was so schnell vergeht. Das ist die Tragödie des Schauspielers und Tänzers wie des Sängers und Models, der Nutte oder des Sportlers, das heißt auch all der Leute, mit deren Hilfe der Regisseur sich als Berühmtheit aufgebaut hat. Da können diese Helfer noch so große Namen haben, können gar Guiletta Masina und Marcello Mastroianni heißen, sie sind doch nur das schnell verbrannte Stroh für das olympische Feuer, das dem Kreativen leuchtet.

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