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  • 934. Ausgabe 16. April 2024

    Passiertes! – Passierte es?

     

    Rechtschreibfehler und falsche Zeichensetzung, heute die Kennzeichen der Social Media, werden inzwischen generell akzeptiert. Schon dürfen sie bei Schülerarbeiten nur noch in Schleswig-Holstein und Hessen die Benotung verschlechtern. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält ein Beherrschen der Rechtschreibung für unnötig, weil Schreibprogramme alles korrigieren. Auch eine zweite Fremdsprache zu lernen hält er für überflüssig, weil das Handy in fast jede Sprache übersetzen kann. Nach der Logik können wir also jeden Mathe-Unterricht abschaffen, weil die elektronischen Rechner, auch die im Handy, uns die schnelleren Berechnungen liefern. Und den Fremdsprachenunterricht müsste man sogar verbieten, weil es dabei nicht nur um Hilfen zum Übersetzen geht, sondern um die Aneignung einer fremden Kultur.

     

    Ich liebe den Blick aus meinem Arbeitszimmer auf die Rheinschiffe. Lebhafter Massengutfrachtverkehr: Vor allem Kohle rauf, Sand runter. Und ich fühle mit dem Wasser, weil alles auf seinem Buckel geschieht. Auch das: Sand in die Augen, Kohle weg.

     

    Die Frage, was zuerst da war, das Huhn oder das Ei, ist eine der beliebtesten Scherzfragen. Immer für ein Lächeln gut, aber ohne jeden Erkenntnisgewinn. Dabei ist die große Frage, die im Moment die Wissenschaft bewegt, ganz in der Nähe angesiedelt. Es geht darum, weshalb manche Tierarten sich durch Eierlegen vermehren, andere aber durch Lebendgebären. Wobei noch allerlei Zwischenformen stören, etwa das Ausbrüten des Eis im Muttertier oder die Produktion von Eiern und lebendgeborenem Nachwuchs bei derselben Tierart nebeneinander. Die Wissenschaftler betonen, dass für die vor langer Zeit geschehene Entwicklung dahin oder dorthin viele Umweltfaktoren ausschlaggebend waren, vor allem Temperatur und Trockenheit, aber auch die Fressfeinde. Heute legen 99 % aller Tiere Eier. Aber von mehr als 5.000 Säugetierarten legen nur ganze fünf Arten Eier, also weniger als 0,1 %. Auch unsere tierischen Vorfahren waren Eierleger. Insgesamt versteht man den Wechsel vom Eierlegen zur Lebendgeburt als einen Entwicklungssprung. Dafür nehmen wir es gern hin, dass wir uns selbst als eine Säugetierart verstehen müssen. Dahinter zeigt sich der alte Stolz, der den Menschen als die Krone der Schöpfung sieht. Aber ich frage mich: Könnte bei entsprechend radikaler politischer Einstellung der Entwicklungssprung eines Tages andersherum gesehen werden, vom Lebendgebären mit seiner vergleichsweise geringeren Produktivität hin zum viel effektiveren Eierlegen? Und das in riesigen Legebatterien mit manipuliertem künstlichem Tageslicht. Ich befürchte, da steht uns noch Einiges bevor. Und es wird nicht nur eng.

     

    Unser Fernsehkonsum wird permanent gemessen, allerdings nur in Minuten pro Tag, nicht in Verblödungsgraden (Grad VB), weil die Fernsehmacher keine Publizität für ihre enormen Erfolge in VB-Graden wünschen. Immerhin erfahren wir, dass in den europäischen Ländern der durchschnittliche Fernsehkonsum von Jahr zu Jahr steigt. Gut dreieinhalb Stunden, die inzwischen jeder erwachsene Europäer jeden Tag vor dem Bildschirm sitzt, statt Schwarzarbeit zu leisten oder sich in Drogengeschäften zu betätigen oder Sexualdelikte zu begehen. Wir sollten den Fernsehkonsum mehr fördern! Bitte noch mehr Krimis und Fußball!

     

    Tröstlich, dass der Krimiwahn nicht nur eine Verrücktheit von uns Heutigen ist. Unsere Vorfahren waren genauso einseitig auf Verbrechen ausgerichtet, nämlich auf die Geschichten des Alten Testaments, das ja eine unübertreffliche Sammlung von hardcore Sex-and-Crime-Stories ist.

     

    Jetzt haben die Kriegsherren wieder das Sagen, und das weltweit. Anlass genug, auf das Buch „Zwei vor Zwölf“ hinzuweisen. Es schildert, was die zwei mächtigsten Männer des untergehenden Dritten Reichs im Schicksalsjahr 1945 in ihrer Verzweiflung anstellten, um ihre Haut zu retten. Der größte Judenhasser, Heinrich Himmler, agierte plötzlich als Judenretter. In allen Einzelheiten belegt. Und Adolf Hitler ließ sich höchstwahrscheinlich von einem tumben Schauspieler doubeln. Eine von zahlreichen Fakten gestützte Vermutung, die nicht widerlegt ist. Ein Buch voll erstaunlicher Einblicke aufgrund umfangreicher Recherchen. Es zeigt, dass zum Glück auch den stolzesten Machthabern irgendwann die Stunde schlägt. Das ist mehr als gehobene Unterhaltung, und es lässt auf friedlichere Zeiten hoffen. Siehe https://www.netzine.de/book/zwei-vor-zwoelf/?grid_referrer=4078.