(Die Heiden von Kummerow und ihre lustigen Streiche, BRD/DDR 1967, 90 Minuten, Regie: Werner Jacobs, Drehbuch: Johanna Sibelius und Eberhard Keindorff nach dem gleichnamigen Roman von Ehm Welk)
Der erste Eindruck ist: Hier wird mir so was serviert wie Emil und die Detektive. Was prompt auf die richtige Fährte führt, die geht nämlich zum Schicksal des Autors. Da zeigt sich, dass Erich Kästner durchaus Ähnlichkeit hat mit Ehm Welk. Beide hatten unter politischem Druck einen Weg gefunden, der vor dem Verstummen bewahrte. Beides interessante Varianten der inneren Emigration.
Dazu muss ein Blick auf die Biografie des Autors geworfen werden. Ehm – eigentlich Emil – Welk, 1884 in der Uckermark geboren und 1966 in Bad Doberan gestorben, war Journalist und hat sich ursprünglich mit Dramen einen Namen gemacht. Durch Kritik an Goebbels kam er vorübergehend in das Konzentrationslager Oranienburg und hatte anschließend nur eine eingeschränkte Schreiberlaubnis. So entstand im Jahre 1937 das humoristische Volksstück „Die Heiden von Kummerow und ihre lustigen Streiche“ als erster Teil einer Trilogie. Dass darin die positive Figur der sozialistisch denkende Bauer war, dessen Junge Klassenbester wurde, und dass die unsympathische Figur der Müller war, der als Unternehmer beim Ankauf des Getreides die Dörfler betrog, das übersahen die Nazis. Ein aufgesetztes Scheinthema, nämlich altes heidnisches Brauchtum, gegen das der Pfarrer vergeblich ankämpft, konnte von der eigentlichen Thematik ablenken. Das Ursprüngliche, das Völkische setzt sich gegen die Kirche durch. Das gefiel den Machthabern.
In der das Dritte Reich ablösenden DDR war die eindeutig sozialistische Tendenz natürlich ein Pluspunkt des Autors. Das brachte ihm Orden und andere Ehren, auch den Professortitel ein. Und sogar zu Briefmarkenehren ist er gekommen. Als dann die Idee aufkam, einen ost-westlichen Gemeinschaftsfilm zu drehen, übersahen die westdeutschen Filmemacher und renommierten Schauspieler genau wie die Nazis die sozialistische Tendenz. Man fiel ein zweites Mal auf den heidnischen Mummenschanz herein. Nur so konnte es zu der erstaunlichen BRD-DDR-Gemeinschaftsproduktion kommen, sechs Jahre nach dem Mauerbau in Berlin. Den Triumph konnte der Autor aber nicht mehr genießen. Im Jahr vor der Premiere des Films starb er.
Die Handlung ist schnell erzählt. Ein abgerissen auftretender und schweigsamer Kuhhirte kommt jedes Frühjahr ins Dorf und verschwindet im Herbst wieder. Und niemand was weiß was von ihm. Der Müller hasst ihn und will ihn aus dem Dorf vertreiben. Aber die Kinder lieben ihn. Und selbst der allmächtige Pfarrer kann sich mit seiner Anwesenheit abfinden. Zudem gibt es im Dorf die unbestimmte Erinnerung an eine Untat, die dem Müller angelastet wird. Es kommt, wie es in einem humoristischen Volksstück kommen muss: Der reiche Müller wird schließlich in Handschellen abgeführt, und der arme, vertriebene Kuhhirte ins Dorf zurückgeholt.
Der Pfarrer ist schon so was wie eine Vorahnung von Don Camillo. Doch der Superintendent in der Schulszene ähnelt den Lehrern in der Feuerzangenbowle, die Streiche der Kinder erinnern an Max und Moritz, die Frauen des Dorfes sind noch unterwürfig brav, wie im 19. Jahrhundert, der Dorfpolizist ist ignorant und trägt im Einsatz auch auf dem Fahrrad eine Pickelhaube. Alles in allem ein schön nostalgisches Stück Unterhaltung mit einer ideologischen Befrachtung, die heute keinen Menschen mehr stört. Deshalb ist der so ungewöhnlich zustande gekommene Film immer mal wieder im Abendprogramm des Fernsehens zu sehen. Dass selbst eine Ideologie so belanglos werden kann wie beispielsweise Schnurkeramik, ist eine Erkenntnis, die sich mit genügend Bier oder Wein und Knabberzeug gut ertragen lässt.
(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)