Die Band von Nebenan

Filmbild – Die Band von Nebenan(Bikur Hatizmoret, Israel/F 2007, 85 Minuten, Drehbuch und Regie: Eran Kolirin)

Dem Film ist ein Spruch vorangestellt, der offensichtlich widerlegt werden will – und auch wird:

Es war einmal eine verlorene Kapelle in der Wüste. Kaum jemand erinnert sich an diese Geschichte. So wichtig war sie nicht.

Das Acht-Mann-Orchester der Polizei von Alexandria macht einen Besuch in Israel, um bei der Eröffnung eines Kulturzentrums aufzuspielen. Durch ein Missverständnis lassen sich die Ägypter aber per Bus in ein völlig abseits gelegenes Wüstennest fahren, wo die Uniformierten mit ihren Rollköfferchen und Instrumentenkästen sehr deplaziert wirken. In diesem Ort gibt es kein Kulturzentrum, auch kein Hotel und eine nächste Busabfahrt erst am folgenden Tag. Eine Imbisswirtin und ihre Freunde bringen die versprengte Gruppe bei sich unter. So gehemmt, wie die ausländischen Großstädter im Abseits auftreten, und wie die einheimischen Kleinststädter auf die sonderbaren Besucher reagieren, es kommt allmählich doch zu menschlichen Begegnungen, die mehr als komisch sind und sogar unter die Haut gehen. Das ist Völkerverständigung auf die lähmend langsame und dabei skurrile Art.

Vordergründig lehrt dieser Film seine Betrachter, dass die korrekte und bescheidene Zurückhaltung des Orchesterchefs und Dirigenten zwar ehrenhaft ist, aber auch lebensuntüchtig wirkt und einen nicht weiterbringt. Dies vor allem bei der so freundlich entgegenkommenden Wirtin, die sich ganz offensichtlich für ihn begeistert. Andererseits wird die absolut nicht korrekte Art des jungen Trompeters, der stets den Mädchen nachguckt und die Irrfahrt verursacht hat und in einer köstlichen Scharade einem gehemmten jungen Israeli beibringt, wie man eine Freundin erobert, zum Fingerzeig in die Zukunft: Leben und leben lassen!

Ein Film voll von kleinen Anspielungen, die ein genaues Hinsehen erfordern, eine Feldstudie der dezentesten zwischenmenschlichen Aktionen, gefördert durch knappe Beispiele überwiegend klassischer arabischer Musik. Und das im Kleine-Leute-Milieu und in einer Landschaft, die fast immer nur aus einer Asphaltstraße besteht, aus der eine endlose Reihe von Peitschenlaternen herausgewachsen ist. Ein Low-Budget-Streifen, der einen trotzdem voll zufriedenstellt.

So amüsiert, wie man als Kinobesucher ist, auf dem Heimweg muss man sich doch zugeben, dass es sich nicht im Geringsten um eine aktuelle Situationsschilderung aus dem Krisengebiet Naher Osten handelte, sondern um ein reines Wunschbild. Kein Wort über die ewigen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Israelis und den Arabern. Gerade nur einmal eine Mütze, die auf ein Bild an der Wand gehängt wird, auf dem – kaum mitzukriegen – ein Panzer oder ein Politiker zu sehen war. Egal ob Panzer oder Politiker, das bleibt sich gleich und ist nichts anderes als die trostlose Realität. Hier in einer mehr als vorsichtigen Dosierung geboten. Denn in einem Reality Movie würden die Uniformen anders aussehen als diese schmucken hellblauen Polizeiuniformen der ägyptischen Musiker, und statt der so gehemmt auftretenden Biedermeier würden fanatische Märtyrer-Aspiranten mit Dynamitgürtel und Jungsoldatinnen mit harten Zigarettengesichtern das Bild bestimmen.

Ohne Umschweife gesagt: Es handelt sich bei dieser so erfreulichen Komödie bei aller Lakonie um ein Werk mit pädagogischer Ausrichtung. Was kein Wunder ist, kommt der Filmemacher Eran Kolirin doch von der Arbeit an TV-Serien her, die ja immer belehrend sind, dem selbstgestellten Auftrag der Fernsehanstalten entsprechend, die sich als Klippschulen der Nation empfinden. Doch die pädagogische Absicht ist kein Negativum. Sie ist eher tröstlich. Sieht doch inzwischen jeder Zeitungsleser, Radio- und Fernsehkonsument klar, dass weder die Politiker Israels noch die der arabischen Länder den Frieden wollen, den sie ständig auf den Lippen haben. Dass es aber in Israel auch aufgeschlossene Bürger gibt, die gegen die eigene Regierung protestieren, das wird viel seltener deutlich. Und dass es dort sogar Leute gibt, die einen Film machen, der zeigt, wie sich die Menschen diesseits und jenseits der Grenzen gleichen, das darf wohl als das Aufflackern einer besseren Zukunft für den Nahen Osten begrüßt werden.

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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