(All Quiet on the Western Front, USA 1979, 148 Min., Regie: Delbert Mann, nach dem Roman von Erich Maria Remarque)
Ein Kriegsfilm mit allem, was dazugehört, mit Schlachtenlärm, Blut und Schmerzensschreien, mit Musik und jugendlichem Tatendrang, Hunger, Durst und Verzweiflung, mit dem kleinen Liebesabenteuer am Wege, mit Ordensverleihung, mit Drückebergern und echten Helden. Und doch wurde dieser Hollywood-Streifen genau wie die ebenfalls amerikanische Erstverfilmung aus dem Jahre 1930 unter der Regie von Lewis Milestone als Antikriegsfilm par excellence verstanden.
Ein Beweis der perfekten Umsetzung des gleichnamigen Romans von Erich Maria Remarque (1898 – 1970), der 1929 erstmalig erschienen, gleich ein Welterfolg wurde. Der aus Osnabrück stammende Werbetexter mit echtem Namen Erich Paul Remark wußte, was er wollte. Ohne Rücksicht auf literarische Qualitätsmaßstäbe einen Bestseller zu schreiben, das war sein Programm. Dafür veredelte er seinen ihm zu bürgerlich klingenden Namen mittels französischer Schreibweise und die Ersetzung des Paul durch Maria. Der Erste Weltkrieg lag ein Dezennium zurück, war aber noch längst nicht mental verarbeitet. Es war die Zeit der großen Kriegsromane. Im selben Jahr 1929 erschien Ernest Hemingways „A Farewell to Arms“, ein Jahr nach Ernst Glaesers „Jahrgang 1902“ und Ludwig Renns „Krieg“, drei Jahre nach Ernest Hemingways „The Sun Also Rises“.
Remarques Buch und die beiden danach entstandenen Filme sind unpolitisch, dabei aber ein Schlag ins Gesicht der älteren Generation, die die Jugend in dieses sinnlose Gemetzel getrieben hat. Das dumm-patriotische Gerede des Klassenlehrers, der seine Abiturklasse dazu bringt, sich geschlossen freiwillig zum Kriegsdienst zu melden, die so unmenschliche wie unsinnige Schinderei auf dem Kasernengelände, die für den Fronteinsatz nichts bringt, doch dann der ältere Soldat, der sich als Frontschwein bezeichnet und die Führung der Jungen übernimmt und ihnen die hilfreichen Ratschläge und die Aufmunterungen gibt, die sie brauchen, um die Hölle des Stellungskrieges zu überleben, – zumindest ein bißchen länger.
Im monatelangen Kampfeinsatz das allmähliche Wegschmelzen der Gruppe von Schulkameraden, die zu Freunden wurden. Bis zuletzt auch der musisch veranlagte Icherzähler, als er im Schützengraben fasziniert einem Vogel zuhört und ihn zu zeichnen versucht, den Todesschuß empfängt. An dem Tag, an dem der Heeresbericht sich auf den einen Satz beschränkt: Im Westen nichts Neues. Dieser Rahmen und dieser Titel, das ist ein genialer Kunstgriff.
Man hat zu dem Buch wie zu den beiden Filmen immer wieder das Urteil trivial gehört. Und was die Machart in schlichter Gut-Böse-Zeichnung der Figuren betrifft, so ist das auch nicht zu bestreiten. Aber was bedeutet ein solches, bloß literarisches Qualitätsurteil angesichts der Tatsache, daß das Buch in 32 Sprachen übersetzt wurde und die beiden Filme viele weitere Millionen Menschen erreicht haben. So intensiv erreicht, daß mit Sicherheit kein Auge trocken blieb. Denn da gibt es Szenen, die einfach unvergeßlich sind. Beispielsweise wie der Icherzähler im Bombentrichter den französischen Soldaten absticht, der in demselben Loch Schutz gesucht hat, und wie er ihn dann zu verbinden versucht und den Sterbenden schließlich um Vergebung bittet: „Sie wollen nicht, daß wir erkennen: Wir sind Brüder.“ Oder das Gespräch des Heimaturlaubers mit der krebskranken Mutter, bei dem er alles als dummes Gerede abtun muß, was die Mutter über den Schrecken des Krieges gehört hat und was doch noch weit weniger ist, als er erlebt hat.
Ein Kriegsfilm mit überzeugend pazifistischer Wirkung. Hitlers Propagandaminister Josef Goebbels wußte, warum er gewalttätige Proteste gegen die Aufführungen des wehrkraftzersetzenden Films organisierte. Und daß das Buch bei den Bücherverbrennungen der Nazis auf die Scheiterhaufen flog, war genauso ein Qualitätsbeweis wie die Vertreibung des Autors ins Exil. Zugegeben, Remarque ist durch dieses Buch reich geworden und konnte sich ein Genüßlingsleben erlauben. Das war mit Gerhart Hauptmanns ebenso erschütterndem Drama „Die Weber“ nicht anders. Zugegeben auch, daß die Filmproduzenten gutes Geld mit den beiden Filmen gemacht haben. Zu bedenken aber ist, daß sie damit den Kriegstreibern das Kainsmal auf die Stirn gebrannt haben, unauslöschlich. Und daß das ausgerechnet Amerikaner geschafft haben, ist wohl nicht ganz zufällig – und auch ein bißchen Hoffnung erweckend.