618. Ausgabe

Das Wulffsche Spezi-Unwesen – von den Unternehmern bis zum Amtsleiter – hievt den unschönen Begriff Korruption auf höchstes Niveau. Irgendwas geht also doch immer aufwärts. Trost Nr. 1.

Lese in meiner Tageszeitung: Siebeneinhalb Millionen Analphabeten leben anonym unter uns. Oh Schreck, was ist nur mit Deutschland los! Erst mit einiger Verspätung wird mir klar: Wenn ich selbst auch einer der Analphabeten wäre, hätte ich nicht Zeitung gelesen, und dieser Schreck wäre mir erspart geblieben. Dieser wie auch viele andere. Hat doch alles seine Vor- und Nachteile. Trost Nr. 2.

Das Ausleseverfahren nach Darwin gilt nicht ausnahmslos, wie jetzt in einem Berliner Leibniz-Institut festgestellt wurde. Die Zebrafisch-Weibchen nehmen regelmäßig nicht den größten, stärksten, stattlichsten Zebrafisch-Macho, der sich ihnen aufdrängt, als Partner, sondern erwählen den Zweitbesten. Trost Nr. 3.

Immer mehr Filme, die in unseren Kinos laufen, haben nur noch englische Titel. Für manch einen heißt das, dass wir polyglott sind, was ihn stolz macht. Für andere aber heißt das, dass die deutsche Niederlage von 1945 jetzt allmählich komplettiert wird.

Wir müssen damit leben, dass unsere Leitkultur, das Amerikanische, von erschreckend ungebildeten Leuten geprägt wird. Da kann ein Präsident von einem Kreuzzug faseln, wenn es um das Öl im Nahen Osten geht, und Soldaten können einem muslimischen Land den Frieden zu bringen versuchen, indem sie den Koran verbrennen.

Preußen haben die siegreichen Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg einfach abgeschafft, ohne uns zu fragen. Doch erinnern können wir uns noch. Und wie! Friedrich, Friedrich, Friedrich. Denn Potsdam ist erhalten geblieben, als das große preußische Freilichtmuseum.

Hauptstadtbauten. Typisch für Berlin ist seit jeher, alles total überdimensioniert zu bieten. So kann es Dir passieren, dass Du in der nur für vorübergehende Nutzung aufgestellten Humboldt-Box im Aufzug, der für 58 Personen ausgelegt ist, mutterseelenallein stehst, und das an einem Sonnabend-Mittag.

Zur mentalen Tradition der Berliner gehört es, braune Eier den weißen Eiern vorzuziehen, ohne sagen zu können, was an ihnen besser ist. Die neueste Albernheit der Berliner ist, jede Torte als Tarte zu bezeichnen.

In einem Anbau des Brandenburger Tores ein Raum der Stille, der wirkt wie eine dem unbekannten Gott geweihte Kapelle, aber religionsaseptisch sein soll. Die dreizehn Stühle beweisen, dass man nicht einmal abergläubisch ist. Leere, nur indirektes Licht und ein einzelner Punktstrahler, der auf etwas dick Gewebtes an der Wand leuchtet, ein Bild, das nichts sagt – wie es sich für den Raum der Stille gehört.

Abschließend in eigener Sache: Mein neues Buch „Die Berechnung des Glücks“ stelle ich auf der Leipziger Buchmesse in einer Lesung vor, und zwar am Freitag, den 16. März um 13.30 im Literaturcafé in Halle 5.
Ebenfalls in Halle 5 ist der Salon LiteraturVerlag zu finden, der das Buch herausbringt. Er hat den Stand F 400. Zeitweise bin ich am Freitag und Samstag dort anzutreffen.

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