619. Ausgabe

War das ein Großer Zapfenstreich! Unerschütterlich die Staatsmacht herauskehren, dabei dem Militär lauschen, das für einen intoniert: Ich bete an die Macht des Geldes, und dann ab ins Kloster. Ein George Grosz hätte das malen können.

Aber jetzt stöhnt man schon nicht mehr nur über den Ehrensold für einen geschassten Bundespräsidenten, nein, jetzt vergreift man sich sogar an den Allerwertesten (!), nämlich an Fernsehschwätzern wie Jauch und Gottschalk und den Fußballmillionären der Bundesliga, die sämtlich viel mehr Geld einsacken als sie verdienen.

Wowereit, Wulff und Glaeseker bekamen von Geschäftsfreunden kostenlosen Urlaub geboten. Das könnte mir nicht passieren, weil ich solche Freunde nicht habe. Bin ich deshalb besser dran?

Die vorgezogene Wahl eines neuen Bundespräsidenten kostete uns alles in allem eine glatte Million Euro. Da dürfen wir Bürger voller Stolz sagen: Wir haben uns mal was richtig Großes gegönnt. Können wir uns doch leisten. Immerhin haben wir mehr als 800 000 Millionäre.

Auch ein Aspekt der Globalisierung: Wer sich in den mediterranen Ländern intensiver umgeschaut hat, wundert sich nicht über deren wirtschaftliche Schwierigkeiten. Das Problem hat einen Namen: Siesta. Die drei bis fünf Nachmittagsstunden, die für die Arbeit verloren sind, laufen leider synchron mit dem Lebensrhythmus der Südländer und sind deshalb nicht leicht zu korrigieren. Die Selbstverständlichkeit, mit der die USA und die nichtsüdlichen EU-Länder allen anderen Ländern ihren Arbeits- und Lebensrhythmus aufzuzwingen versuchen, wird von unseren mediterranen Nachbarn wie auch von den Menschen in Indien als ein neuer Kolonialismus empfunden.

Die Alten Griechen waren erfahrene Viehzüchter, die heutigen Griechen dagegen glauben, die Kuh habe zwei Euter, die sie leermachen können. Sie lassen sich von Deutschland mit riesigen Notrationen retten, weil sie zu lange die Hände in den Schoß gelegt haben, und verlangen gleichzeitig von uns Reparationszahlungen.

Den Sieg komplett machen. Die Letten haben sich der ihnen unter sowjetischer Herrschaft aufgezwungenen Sprache Russisch widersetzt, die DDRler meist ebenfalls. Doch wir Wessis übernehmen widerstandslos und Tag für Tag mehr die Sprache der Amerikaner und Engländer.

Die Leipziger Buchmesse war wieder ein großer Erfolg. Mich haben vor allem die Jugendlichen begeistert  – Jahr für Jahr mehr – , die sich einen Spaß daraus machen, in phantasievoller Kostümierung und grell geschminkt zwischen den Ständen herumzuschnüren. So ohne jede Geschäftstüchtigkeit und ohne Profilierungssucht – aus Spaß an der Freud’. Man kann ja nicht nur immer Bücher lesen.

Foodwatch ließ sich einen neuen Begriff einfallen, um der Industrie eins auszuwischen: Kindernahrungsmittel. Die seien durchweg zu süß und zu fettig, stellte man fest. Womit ein Schuldiger für die zunehmende Korpulenz und Bewegungsunfähigkeit unserer Kinder gefunden war. Bedenkt man, dass Kinder nicht nur Körper sind, sondern auch Gemüt und Geist, braucht man bei der Suche nach deren Verderbern keinen neuen Begriff zu kreieren. Er heißt: Kinderfernsehen. Tag für Tag von frühmorgens 6 Uhr bis ins Abendprogramm hinein von einigen Dutzend Sendern eine wilde Bilderschwemme mit Intensivgebrabbel. Das verbeult todsicher jeden Kinderkopf. Doch dafür ist kein Foodwatch in Sicht.

Und in eigener Sache: Am Freitag, den 23. März 2012 lese ich in einer öffentlichen Veranstaltung in Guntersblum in der Vinothek des Weingutes Geheimrat Dr. Schnell, Eimsheimer Straße, um 18 Uhr aus meinem Island-Roman „Der gemalte Tod“. Dabei handelt es sich um eine Darstellung der verqueren religiösen Vorstellungen der kleinen Leute im äußersten Norden Islands um die Mitte des 19. Jahrhunderts und um ein nie gesühntes Verbrechen aus religiösem Wahn.

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