617. Ausgabe

Passiertes

Der jetzt zurückgetretene Christian Wulff hat sich mit seinem ungenierten Greifen nach jedem kleinen Vorteil um den besten Posten Deutschlands gebracht. Soviel Dummheit verdient eigentlich schon unser Mitleid.

Das dritte Geschlecht. Was nach der fernöstlichen Lehre des Zen längst klar ist, nämlich dass unser Alternativdenken albern ist, das wird uns jetzt vom Deutschen Ethikrat verdeutlicht. Denn der steht vor der Frage, wie man die nennen soll, die weder eindeutig Mann noch eindeutig Frau sind. Das Phänomen Intersexualität verlängert alle Fragebogen um die Rubrik: Dazwischen.

Trier rockt. Das Bistum Trier lädt zur Heilig-Rock-Wallfahrt von Mitte April bis Mitte Mai 2012 ein. Nur sehr selten wird der sogenannte Heilige Rock gezeigt, im vorigen Jahrhundert bloß 1933, also zum Beginn der Naziherrschaft, 1959, als Konrad Adenauer für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte, und 1996, also zum Start dieses Netzines. Doch jetzt braucht die Kirche dringend etwas, womit sie die sexuellen Exzesse ihres Personals schamvoll verhüllen kann. Immerhin heißt es in dem dafür werbenden Prospekt vorsichtig distanzierend: „Die Geschichte des Heiligen Rockes ist ein Gewebe aus Legenden und Überlieferungen. Die hl. Helena, die Mutter des im 4. Jahrhundert in Trier residierenden römischen Kaisers Konstantin, soll ihn bei ihrer Pilgerfahrt nach Jerusalem gefunden und anschließend der Trierer Kirche geschenkt haben.“ Na ja, was man unterwegs so findet.

Der von der Gewerkschaft der Flugsicherung organisierte Streik von 200 Vorfeldarbeitern auf dem Frankfurter Flughafen, die von dem Flughafenbetreiber Fraport u. a. eine Lohnerhöhung von 50 % verlangen, könnte das Streikrecht verändern. Ist doch zu offensichtlich, dass hier Verbesserungen und Schäden in einem riesigen Missverhältnis stehen. An einem Streiktag fallen hunderte Flüge aus, was nicht nur Fraport schädigt, sondern auch Dutzende Fluggesellschaften und wodurch zigtausend Menschen nicht pünktlich zu ihrem Ziel kommen, mit unabsehbaren Schäden, die dem einzelnen verhinderten Fluggast daraus entstehen. Das ist  etwas ganz anderes als die Streiks der Industriearbeiter, die Ende des 19. Jahrhunderts zur Entwicklung des Streikrechts führten. Damals schädigten Arbeiter, die sich weigerten zu arbeiten, damit ihren Arbeitgeber, der weniger Gewinn machen konnte. Sie schädigten aber nicht Außenstehende. Heutige Streiks im Dienstleistungsbereich dagegen richten sich nur minimal gegen den Arbeitgeber und zielen direkt auf die Außenstehenden. Das ist Geiselnahme, und die ist strafbar. Aber wir warten immer noch vergebens auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die sagt: Strafrecht geht vor Streikrecht.

Wenn ich in der Zeitung die Wörter Betttuch, Missstimmung, Schifffahrt, Schlussstrich oder schnelllöslich lese, bin ich stolz darauf, dass wir die Finnen, die alle Buchstaben am liebsten in Doppelung sehen, endlich überholt haben. Hurrra!

In Facebook lese ich über dem Foto einer Bekannten, die Schriftstellerin ist: Rita H. „hat Bilder mit Sprüchens Foto geteilt.“ – Vom Programm so geschrieben, was auch immer das heißen soll. Liebe Rita, bist Du nicht auch der Meinung, dass ein Mensch, der Deutsch spricht und schreibt, bei Facebook auf dem falschen Dampfer ist?

Alter Schwede! Die Durchschnittsdeutschen arbeiten in ihrem Leben als unselbständig Beschäftigte 36,8 Jahre lang, was zwei Jahre mehr sind, als der Durchschnitt der EU leistet. Am längsten arbeiten mit etwas mehr als 40 Jahren die Durchschnittsschweden. So das Statistische Bundesamt.

Immer nur von Beschäftigten oder Berufstätigen ist die Rede in den Medien, wenn es um das Gegengewicht zu den Arbeitslosen geht. Ganz abgesehen davon, dass die Arbeitslosenstatistik ja um Hunderttausende gefälscht ist, sogar ganz offiziell, wie wir wissen, was ist mit den Millionen von Freiberuflern ohne feine Praxisräume und mit den Hausfrauen, die alles andere als unbeschäftigt sind? Es wird Zeit, zu dem korrekten Ausdruck unselbständig Beschäftigte zurückzukehren. Oder von abhängig Beschäftigten zu sprechen oder von Arbeitnehmern. Aber das sind Begriffe, die Nebengeräusche haben, die mancher als störend empfindet.

Im Übrigen sei der GEMA Dank für die hohen Gebühren, die sie für Musikübertragungen nimmt. So erlebt man immer öfter Restaurants ohne jeden Musiklärm.

Und in eigener Sache: Mein neues Buch „Die Berechnung des Glücks“, das ich am 16. März auf der Leipziger Buchmesse mit einer Lesung vorstelle, ist zwar im Moment noch in Israel im Druck – ist billiger –, aber schon zu sehen und auch zu subskribieren unter www.salonliteraturverlag.de.

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