A Serious Man

(A Serious Man, USA 2009, 105 Minuten, Drehbuch, Produktion und Regie: Joel und Ethan Coen)

Modern times einmal nicht lustig karikierend, sondern erbarmungslos: So selbstverständlich wie Juden sich über Jüdisches lustig machen, so selbstverständlich servieren heutige Filme den Leuten den Alltagsärger der Leute, den die ohnehin haben. Das eine ist gute alte Tradition, verbunden mit der Spekulation auf die Überlegenheit des aufgeklärten Menschen, das andere ist später Nachklang des veristischen Kinos und zugleich Abkehr vom Kinopalast, fast nur noch ein Appetithäppchen fürs Heimkino, nämlich angenehmer Kontrast zum üblichen Fernsehprogramm mit seinen Lebenshilfeserien. Denn ein Film für das Kinopublikum, also ein Streifen, der einen dazu verführt, eine Eintrittskarte zu kaufen und sich im Dunkeln zwischen wildfremden Menschen aus dem Alltag entführen zu lassen, müsste viel mehr bringen, mehr Aufregung, mehr Begeisterndes, mehr Identifikationsmöglichkeit und mehr Nichtalltägliches.

Wenn auch mehr für den Fernseher als für den Kinogeher gemacht, ist das immerhin ein amüsanter und nachdenklich machender Film. Der ernsthafte Herr Gopnik, glatt rasiert, Fassonschnitt und Brille, Schlips und Kragen, Jacke wie Hose, lebt im Jahre 1967 in einem typischen amerikanischen Sandwich-Häuschen im Mittleren Westen in einer Abseits-Siedlung zwischen ordentlich kurzgeschorenen Rasenflächen und Schulbussen und grünen Witwen. Er ist Mathematikprofessor und hofft auf eine Festanstellung. Aber plötzlich läuft einiges schief. Seine Frau hat einen Verehrer und verlangt die Scheidung. Der redegewandte Nebenbuhler und die Frau drängen ihn aus dem Haus. Seine Tochter ist hauptsächlich mit Haarewaschen beschäftigt. Nebenher bestiehlt sie ihn, weil sie Geld für eine Nasenkorrektur braucht. Sein Sohn schwänzt die Schule, kifft und hängt nur noch vorm Fernseher und an seinem Walkman. Und sein lediger und leicht schräger Bruder, der seine eigene Art der Wahrscheinlichkeitsrechnung hat, wird ein immer lästigerer Gast. Herr Gopnik wird von schlimmen Albträumen gepeinigt, ihn herabsetzende anonyme Briefe kommen bei seinem Arbeitgeber an, und er fährt seinen Wagen zu Schrott. Zu alledem versucht ein südkoreanischer Student seine schlechte Note durch Bestechung zu verbessern.

Der ernsthafte Herr Gopnik bemüht sich redlich, die Dinge im Griff zu behalten. Als er auf dem Dach seines Häuschens die Antenne richten will, entdeckt er eine Nachbarin beim streifenlosen Sonnenbaden – ein klassisches König-David-Erlebnis. Doch schickt er danach nicht mit einem Uriasbrief ihren Mann an die Front, um ihm den Tod zu geben, nein, er bleibt ein ordentlicher Nachbar. Es ist dann diese gelangweilte Frau, die sich ihm aufdrängt. Was ihm aber nichts bedeutet. Doch seine Frau drängt zur Scheidung. Die Hilfe eines Scheidungsanwalts bringt ihm nichts außer Kosten. Ein Hilfsrabbiner mit seinen vorgefertigten Spruchweisheiten ist genauso eine Niete. Der nächste Rabbiner ebenfalls. Schließlich schafft der brave Herr Gopnik es, den angesehenen Oberrabbiner zu konsultieren – und erlebt eine weitere große Enttäuschung. Die Äußerungen der Rabbiner – bei dem einen platt wie ein Parkplatz, bei dem anderen so unerklärlich wie in Zähne graphierte hebräische Schriftzeichen – erweisen sich als deren Standard-Äußerungen. Nicht brauchbarer, als vormals die Sprüche des delphischen Orakels waren. Das Unerklärliche bleibt unerklärlich, das Unvorhersehbare bleibt unvorhersehbar.

Dann jedoch scheint sich einiges zum Guten zu wenden: Der Sohn besteht vor den Rabbinern die Prüfung zur Bar Mitzwa, der Nebenbuhler stirbt durch einen Verkehrsunfall, sonderbarer Weise im selben Augenblick, in dem Herr Gopnik einen Unfall hat. Frau Gopnik bleibt bei ihrem Ehemann, und dessen Festanstellung soll beschlossen sein. Mit dem Bestechungsgeld des südkoreanischen Studenten kann er seine Schulden abtragen. Alles sieht nach einer Rundum-Wiedergutmachung aus, ähnlich der in der uralten Geschichte von Hiob. Doch was dort auf einer Wette zwischen Gott und dem Teufel beruhte, das sind hier unerklärliche Ereignisse, für die kein Weltenlenker verantwortlich gemacht wird.

Ende offen. Denn das eigentliche Ende der Desasterserie und Wiedergutmachung markiert ein heranrasender Tornado, der die Hauptfiguren ungeschützt draußen erwischen wird, als die moderne Variante der Formulierung: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Der Film hat noch einen kleinen Vorfilm bekommen, in dem ein weißbärtiger Alter irgendwann in früherer Zeit in einer abgelegenen osteuropäischen Kate auftritt, von der Bäuerin als Wiedergänger angesehen und deshalb abgestochen wird. Doch der Untote lacht sie aus und macht sich wieder auf den Weg, um damit zu illustrieren, was Vergeblichkeit ist. So wird der folgende Film schon vorneweg als ein Film der Vergeblichkeit markiert, der im Titel geführte Begriff der Ernsthaftigkeit als ein Jux abgetan. Der Film „A Serious Man“ illustriert den lockeren Spruch der Amerikaner: Don’t take life so seriously, you’ll never get out of it alive.

Diese Komödie fordert einen heraus, die übliche Frage zu stellen: Was lehrt mich das? – Und sich die Antwort zu geben: Nichts und nicht einmal ein klein wenig mehr als Nichts, nämlich bloß: Wer ewig strebend sich bemüht, der – nichts Genaues weiß man nicht. Eine Verunsicherung, die ja immerhin ein Lichtblick ist im Einerlei der scheinbar wichtigen Informationen und gutgemeinten Familienserien, die der Fernseher bringt.

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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