612. Ausgabe

Der britische Premierminister Cameron hat Merkel und Sarkozy, die der EU ein verbessertes Vertragskorsett bieten wollen, einen Stock zwischen die Beine geworfen. Doch die beiden Europäer sind nicht gestolpert, weil sie mit diesem Wurf fest gerechnet hatten. Wussten sie doch: Großbritannien hat sich nie als ein Stück von Europa gefühlt und fühlt sich auch heute noch nicht so; es sieht sich vielmehr stets als den wichtigsten Gegenspieler Europas. Adolf Hitler hat sich in England getäuscht, als er viel zu lange glaubte, es im Kampf gegen den Bolschewismus auf seine Seite ziehen zu können. Wie sich auch die Europa-Gründerväter in England getäuscht haben. Und jetzt kündigen schon die ersten britischen Städte per Ratsbeschluss langjährige Städtepartnerschaften mit deutschen und französischen Städten auf. Die wahre britische Mentalität habe ich vor einigen Jahren in einem Londoner Hotel erfahren, wo mich der Mann an der Rezeption mit unhöflichem Nachdruck aufforderte, auch den Teil der Anmeldung auszufüllen, der nur für Gäste aus Übersee galt: „Of course – the continent is overseas.“

Bei Facebook und jetzt auch schon bei Google wird geteilt, geteilt, geteilt, dass sich einem, der noch Deutsch kann, die Haare sträuben. Das Wort mitgeteilt kennt man dort nicht. Aber das sind ja Programme mit Migrationshintergrund, wie man das heute nennen soll. Deshalb muss ich tolerant sein! Doch jetzt schreibt die angeblich deutsche Telekom: „Die schönsten Fotos und Videos mit Freunden teilen.“ Also alles zerschneiden und nur noch Schnipselchen von meinen Fotos und Videos behalten? Das gefällt mir nicht, so gern ich bereit wäre, den Spaß an meinen Fotos und Videos mit den Freunden zu teilen.

Die bisher noch deutsche Bundesregierung beabsichtigt, das Englische an deutschen Landgerichten als Verhandlungssprache zuzulassen, und zwar in Kammern für internationale Handelssachen. Damit will man den Justizstandort Deutschland stärken und lukrative Wirtschaftsprozesse an deutsche Gerichte holen. Das ist allerdings nicht sicher, dagegen ist sicher, dass es uns das deutsche Gerichtswesen noch fremder machen wird, als es ohnehin schon ist. Meinen doch viele längst, bei uns liefen Prozesse so ab, mit Kreuzverhör und mit späterer Entscheidung über die Höhe der Strafe nach dem vorhergehenden Schuldspruch, wie sie es aus den Filmen und Serien kennen, die ihnen das angelsächsische Recht ins Wohnzimmer gebracht haben.

Unsere Krankenkassen haben in den ersten drei Quartalen 2011 insgesamt einen Überschuss von 3,9 Milliarden Euro eingefahren. Das teilte das Bundesgesundheitsministerium mit, muss also wahr sein, so unglaublich es klingt. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres haben sie einen Überschuss von nur 277 Millionen Euro geschafft, heißt es in der Erfolgmeldung weiter. Ja, wer sich so gesundstößt, darf sich mit Recht Gesundheitskasse nennen.

Das Wetter liebt es, mit uns sein Spiel zu treiben. Doch seinen ersten Gegenspieler, die Bekleidung, muss es immer mehr fürchten, weil dieser Gegenspieler immer perfekter auf die Wetterkapriolen zu reagieren versteht. Zudem sind wir erfinderischer geworden, was die Verpackung der Verpackung betrifft. Unsere Wohnung in unserem Haus und unser Auto in unserer Garage. Für das Wetter ist der Mensch inzwischen zu so was wie die Puppe in der Puppe geworden.

Nach  Angaben der Deutschen Bahn AG werden in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember insgesamt 33 000 Eisenbahner arbeiten. Die haben also vor, nicht zu feiern, sondern die Weihnacht mit fremdbestimmter Arbeit zu entweihen. Wenn das der Weihnachtsmann wüsste.

Diese diensteifrigen Medien – wie sie mir tagtäglich die Gewaltopfer aus aller Welt zum Frühstück servieren, sie erinnern mich an die Katze bei meiner Cousine auf dem Land, die mir die erlegte Maus voller Stolz ans Bett brachte. Die wurde dann mit der Dreckschaufel beseitigt. Aber die Toten des Tages sind doch Menschen.

Immer mehr Sendungen im Fernsehen, in denen es sich mit den eigenen Pseudogrößen und Publikumspopanzen beschäftigt. Das zeigt, dass unsere zu groß gewordenen Sendeanstalten schon so was wie Behörden sind. Die sind ja auch vor allem mit ihrem eigenen Personal beschäftigt.

Der SalonLiteraturVerlag in München, der meine fünf wichtigsten Bücher herausgebracht hat, veranstaltet am Samstag, den 17. Dezember in München-Pasing, Bäckerstraße 14 (VHS-Gebäude) eine öffentliche Jahresabschlussfeier. Dabei werde ich aus meinem Island-Roman „Der gemalte Tod“ lesen und meine isländische Kollegin Ingibjörg Hjartardóttir mit ihrem neuen Roman „Der Zuhörer“ vorstellen. Beginn 19.30 und trotz Musik und Schmankerln Eintritt frei.

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