657. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

Bei den täglichen Berichten über das Gemetzel in Syrien kommt einem der Begriff Nothilfe in den Sinn. Nothilfe ist im zwischenmenschlichen Bereich eine Pflicht, im Völkerrecht jedoch ist sie noch nicht verankert. Aber weil die öffentliche Meinung zur Nothilfe tendiert, mussten Obama und Cameron so tun, als wollten sie in Syrien eingreifen. Wohl wissend, dass sie leicht einen Grund finden würden, doch nichts zu tun. Denn dass sie nicht gegen Assad vorgehen wollten, stand fest. Das Desaster mit Saddam Hussein hat überzeugend gewirkt: Nur nicht noch einen Despoten beseitigen und damit dem Radikalislam das Feld überlassen.

Im renovierten Bau der ehemaligen Frankfurter Diamantenbörse ist jetzt ein neuer Ladenkomplex eröffnet worden, erfahre ich aus der „Welt am Sonntag“.  Dort werden „shoes & bags“ angeboten, „drinks & foods“ sowie „flowers“. Es gibt den „Playlife Shop“ und die „Crestline“ und auch „The Listener“. Daneben gibt es den „Denim-Repair-Service“ und „Clean Energy Sourcing“ sowie „zero two nine“ und den Friseurladen mit Namen „arthair“. Wohl gemerkt, es handelt sich hier nicht etwa um ein Frankfurt in den USA, sondern um Frankfurt am Main, das auf dem Anglisierungstrip ist. Es hat sich halt noch nicht herumgesprochen, dass der Zweite Weltkrieg auch ein Krieg der Weltsprachen um die Vorherrschaft war, ein Krieg, den die Franzosen genau wie die Russen nur scheinbar mit gewonnen haben und den wir jetzt gedankenlos verloren geben.

Absurd? – Nein, nur traurig, aber wahr: Der Verein Deutsche Sprache, der sich um den Erhalt unserer in einem internationalen Verdrängungswettbewerb stehenden Sprache bemüht, hat jetzt ausgerechnet den Duden mit dem Titel „Sprachpanscher des Jahres“ ausgezeichnet und damit stigmatisiert, weil dieses viel genutzte Handbuch der deutschen Sprache besonders dienstbeflissen auch völlig unnötige Anglizismen als zu unserem Sprachschatz gehörig bezeichnet. Damit wird das andere Standard-Wörterbuch besonders empfehlenswert, der Wahrig.

In Deutschland geht das Online-Banking zurück. 30 % der Bürger lehnen es ab, vor allem aus Sicherheitsgründen. Das seien 5 % mehr Ablehner als im Vorjahr, so wird berichtet. Wer hätte gedacht, dass wir gescheiten Leute so viele sind?

Sah ich jetzt in einem Gartenrestaurant, wie sich sieben junge Männer an den großen Tisch mir gegenüber setzten. Alle etwa um die Mitte Zwanzig. Nette, kräftige Jungs. Und alle mit gutem Appetit, wie sie nachher zeigten, als sie über ihre Spaghetti herfielen. Aber einer von den Sieben trug keine Brille. Da fragte ich mich mit Bestürzung: Was mag nur mit ihm los sein?

Von Apple ist zu hören, dass das nächste Smarty – einem dringenden Bedürfnis folgend – auch Lippenstift, Puderquaste und Zigarettenanzünder an Bord haben werde. Und die Männer sollten sich davon bitteschön nicht veräppelt fühlen, sondern diese wichtigen Tools ebenfalls eifrig benutzen. Damit könnten sie nur schöner werden.

Endlich macht die Zweiohrigkeit des Menschen Sinn. Wie man hört, gibt es in Italien und Schweden und etlichen anderen Ländern bereits mehr Handys als Einwohner. Die ganz Kleinen und die ganz Alten weggerechnet, kann man also davon ausgehen, dass ein Großteil der Bevölkerung in diesen Ländern an jedem Ohr ein Handy hat.

Die bei uns eingerissene Unsitte, auf Höflichkeitsunterscheidungen bei der Anrede zu verzichten und jeden mit Du anzureden, ist absolut uneuropäisch. Was in vielen Sprachen Afrikas, Mittel- und Südamerikas sowie in Südostasien üblich ist, beruht bei uns bloß auf einem Missverständnis. Man glaubt, sich damit angelsächsisch modern zu geben, weil das englische You unser Du sei. In Wahrheit ist das You jedoch unser Sie, während das englische Du nach der Shakespearezeit untergegangen ist.

Lüneburg nennt sich Salzstadt. Dabei ist die Salzerei längst vorbei. So lukrativ die Sache war, nach rund eintausend Jahren Salzgewinnung ist der Betrieb gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts eingestellt worden. Es war halt billiger, das Salz bei Aldi zu kaufen. Heute ist Lüneburg eine Freiluft-Giebel-Ausstellung. Wie hoch in früheren Jahren die stinkreichen Salzherren von Lüneburg die Nasen trugen, zeigten sie an den Giebeln ihrer prächtigen Häuser. So hoch wie nur möglich, mal spitz, mal rund, mal treppig. Und dann möglichst noch eine Metallplastik obendrauf. Jeder wollte der Größte sein. Fast möchte ich sagen: Lüneburg ist eine Stadt für Hans-Guck-in-die-Luft. Nur dastehen, die Hand über den Augen, und schauen, schauen, schauen. Wenn da nicht die Gefahr wäre, von einem der vielen Stadtbusse überrollt zu werden oder ein Fahrrad in die Kniekehlen zu kriegen.

Keine Frage, Celle ist eine wunderschöne Stadt. All die hübschen alten Fachwerkhäuser, 450 sollen es sein. Und allesamt stehen sie unter Denkmalschutz. Aber das schützt sie leider nicht davor, in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu kommen. Da und dort stehen sie zum Verkauf, und viel zu oft sehe ich Läden, die leer sind. Dabei gibt es hier 72.000 Einwohner, so erfahre ich. Die bringen doch Umsätze. Aber der größte Arbeitgeber der Stadt ist das Krankenhaus, höre ich. Das empfinde ich als einen Tiefschlag. Offensichtlich bin ich zu spät nach Celle gekommen. Die Stadt hat heute nicht ihre beste Zeit. Viel besser muss es ihr in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ergangen sein. Ja, zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, als überall in deutschen Landen Not und Tod herrschten, konnten die Celler sich wunderschöne Häuser bauen, wie mir die Beschriftungen an den schmucken Fassaden verraten. Wieso das? Weil alle Kriege uns verschont haben, sagen die Celler voller Stolz. Ja, dass die Heere im Dreißigjährigen Krieg nicht nach Celle kamen, kann ich verstehen. Sie hätten wochenlange Märsche durch ödes Gelände voller Sand machen müssen, ohne die Möglichkeit, sich selbst zu verpflegen, weil kaum mal ein kleines Bauerngehöft zu finden war, das man ausrauben konnte. War die Heidelandschaft doch noch zwei Jahrhunderte später – heute kaum vorstellbar – der Schrecken aller Reisenden.

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