630. Ausgabe

Zielvorgaben, so heißt ein moderner Nonsensbegriff. Die Wirtschaft arbeitet gerne damit, weil sie sich einredet, sie könne den Erfolg erzwingen, den sie sich als Ziel an die Wand schreibt. In der Sportförderung aus Steuermitteln heißt es statt Zielvorgabe sogar noch dümmer: Zielvereinbarung. Als ob man Medaillengewinne vereinbaren könnte. Das Ergebnis ist Lächerlichkeit. Deshalb hat das Bundesinnenministerium erst nach erheblichem Druck zugegeben, dass man sich mit den Sportverbänden, vertreten durch den Deutschen Olympischen Sportbund, auf den Gewinn von insgesamt 86 Medaillen bei den Olympischen Spielen in London geeinigt hatte, darunter sollten allein 28 Goldmedaillen sein. Der Trick dabei: Je mehr Medaillen man „vereinbarte“, umso mehr Fördergelder durfte man einstreichen. Ergebnis: Den Sportverbänden wurden vier Jahre lang mehr als 240 Millionen Euro pro Jahr aus dem Steueraufkommen an Zuwendungen gezahlt. Gerade einmal gut fünfzig Prozent der „vereinbarten“ Medaillen wurden hereingeholt, die Milliarde Euro aber ist zu hundert Prozent futsch. Doch die unverschämten Sportfunktionäre wie auch der blauäugige Innenminister und seine Beamten im Ministerium zahlen keinen einzigen Euro zurück!

Nach dem Jubel um den Olympiarummel und vor dem nächsten kann man die kurze Zeit der Ruhe dazu nutzen, sich einmal zu fragen, wozu die einzelnen Sportarten eigentlich dienen. Beim Tennis und Tischtennis wie Volleyball und Beachvolleyball geht es den Spielern eigentlich nur darum, ein gemeinsames Ballspielen unmöglich zu machen. Noch fragwürdiger die Aggressionsübungen wie Speer-, Diskus- und Hammerwerfen sowie Boxen, Ringen und Fechten. Diesen Sportarten nimmt den üblen Geruch nicht, dass es daneben Verteidigungsübungen gibt wie Judo und Taekwondo und die Fluchtübungen wie Laufen und Springen, Schwimmen, Kanufahren und Rudern, Radfahren sowie Geräteturnen. Bei den Springreitern wie bei den verschiedenen Schießarten ist die Übung immerhin gleich gut für Angreifer wie Angegriffene. Und die Mannschaftssportarten? Sie haben als Stellvertreterkriege für den überentwickelten Nationalstolz eine wichtige Funktion. Aber zum Glück gibt es auch noch das Synchronschwimmen und die rhythmische Gymnastik. Da wird es dann richtig schön, das sportliche Getue. Und nicht zu vergessen: Golf. Wir werden ja alle mal alt.

Der nach einer Mini-Amtszeit geschasste Bundespräsident Christian Wulff erhält im kommenden Jahre eine kleine Gehaltserhöhung: Der sogenannte Ehrensold wird um 18.000 Euro pro Jahr angehoben. Das sollten wir unseren Kindern und Enkeln klarmachen: Du musst nicht unbedingt ein Film- oder Fußballstar werden, du kannst auch mit weniger Anstrengung dickes Geld kassieren.

Bei uns steigt die Zahl der Arbeitnehmer, die auch am Wochenende arbeiten müssen, und es wird die Mehrarbeit über die 48-Stunden-Woche hinaus immer selbstverständlicher, je älter und höher gestiegen man ist. Von den Selbständigen und Freiberuflern gar nicht zu reden. Das weiß unsere Bundeskanzlerin, und deshalb ist ihr Widerstand gegen weiteres Geldrauswerfen für Länder, in denen die Arbeit anders aufgefasst wird, ihr Kampf ums Überleben im Amt. Sie will ja auch nicht weniger arbeiten.

Der neueste Trend in der Unterhaltungsliteratur ist, dass Verlagsleute, die Chefs und ihre Lektoren, selbst die Krimis schreiben, die man für gerade dem Publikumsgeschmack angemessen erachtet. Oder aber sie lassen die Manuskripte von ihnen bekannten Journalisten schreiben. Alles so flott wie flach – und natürlich, um den guten Namen zu schützen, unter einem zum Tatort passenden Pseudonym, das skandinavisch oder amerikanisch oder französisch klingen muss. Themen haben die Verlagsleute ja genug auf Lager, weil ihnen Hunderte Möchtegernautoren Tag für Tag die tollsten Ideen auf den Tisch werfen, natürlich stets vergebens. Der Erfolg der Pfusch-Bücher ist auch gesichert, weil die Verlagsleute beste Beziehungen zu den Zeitungsleuten, den Kritikern und Buchhändlern haben, die sich nicht scheuen, auf Wunsch auch noch den größten Mist in die Bestsellerlisten zu hieven. Und Lieschen Müller genau wie Peterchen Schmitz glaubt an die Bestsellerlisten.

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) berichtet, dass Deutschland nach den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Australien das beliebteste Studienland für ausländische Studenten ist. Und woher kommen die meisten ausländischen Studenten? Aus China. In weitem Abstand folgen Studenten aus Russland, Bulgarien, Polen und Österreich. Doch an unseren Hochschulen werden, weil man progressiv zu sein glaubt, immer mehr Vorlesungen in Englisch angeboten – statt in Mandarin oder Russisch.

In deutschen Gefängnissen wird jeder vierte Häftling ein Opfer körperlicher Übergriffe, heißt es in einer kleinen Zeitungsnotiz. Das kann nicht groß genug herausgestellt werden. Gibt es doch unseren Haftanstalten, die sich immer mehr zu Spezialhotels entwickelt haben, den Abschreckungseffekt zurück, den sie einmal hatten und auch haben sollten.

Bei der Deutschen Bahn werden grundstürzende Überlegungen angestellt. Es geht darum, mehr Menschen zum Umstieg vom Auto auf den Zug zu bewegen. Man plant, Waggons mit Einzelabteilen bauen zu lassen. Hintergrund ist eine Expertise, die festgestellt hat, was bisher nicht aussprechbar war: Die Mehrzahl der mobilen Erwachsenen zieht das Auto dem Zug vor, weil es ein ausgiebiges und unbeobachtetes Nasenbohren erlaubt.

Da sind bei der Fahrt durchs Land älteste Scheunen zu sehen, grau verwittert die Balken und Bretter. Aber auf dem Dach die Pracht der Sonnenkollektoren. Irgendwie doch ein tröstlicher Anblick. Wir selbst werden ja auch immer älter, doch zum Glück gibt es die Friseure – bald schon an jeder zweiten Ecke.

Und eine Notiz in eigener Sache: Mein neues Buch „Denk ich an Bagdad in der Nacht – Staatsgast am Abend vor Kriegsbeginn“, keine Fiktion, sondern ein Tatsachenbericht, stelle ich in einer öffentlichen Lesung im Berliner Literaturhaus in der Fasanenstraße vor. Termin: Freitag, der 28. September, um 20 Uhr.

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