629. Ausgabe

Der Weltsicherheitsrat soll, so hört man aus New York, abgeschafft werden. Angeblich wegen Geldmangel, in Wahrheit aber, weil seine Auflösung seit einem halben Jahrhundert überfällig ist. Das Problem ist nur, dass man trotz verzweifelter Suche in den Gründungsunterlagen dieses aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs stammenden völlig ineffizienten Debattierclubs keinen Hinweis auf ein Verfahren zur Liquidierung findet. Die Alliierten von damals hatten offenbar die Vorstellung, eine Art Weltregierung für die Ewigkeit zu installieren. Die Idee, alle Produkte mit Verfallsdatum zu versehen, kam etwas zu spät auf.

Ach, Europa! Wie hatte man sich für die Idee eines vereinten Europas begeistert. Doch dann der Ärger, dass die von den meisten Menschen in Europa gesprochene Sprache Deutsch diskriminiert wird. Und jetzt zeigt sich immer deutlicher, dass aus der Europäischen Union nur eine Wiederholung der im Ostblock grandios gescheiterten Zentralverwaltungswirtschaft wird. Brüssel als das neue Moskau, ein Gigant des Bürokratismuswahns, mit unsinnigen Privilegien für die Nomenklatura, völlig blind für den Irrwitz vieler Projekte in zu vielen Ländern, die mit Millionen und Milliarden Euro an Fördergeldern in den Sand gesetzt werden. Gleichzeitig sollen wir uns daran gewöhnen, dass Verträge einfach nichts bedeuten und dass die ordentlich Arbeitenden für die Schulden der mehr Lebenstüchtigen haften. Haben wir dafür unsere Währung geopfert? Verzichten wir dafür Schritt um Schritt auf unsere Souveränität?

Gedankenlose Verkaufsförderung. In der Presse wird uns das Online-Shopping als modernes Auftreten vorgejubelt. Wer im Laden immer noch bar bezahlt, wird als altmodisch abgetan. Und wer an der Kasse mit dem Handy zahlt, wird als ein Held gefeiert. Aber kein Hinweis darauf, warum das unbare Zahlen propagiert wird. Dabei ist erwiesen, dass wir durch diese angeblichen Hilfs-Mittel mehr Geld ausgeben als ohne sie. Denn wer sein Geld in Scheinen und Münzen in die Hand nimmt, trennt sich nicht ganz so leicht davon wie der Unbar-Zahler.

Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler, hat gesagt: Kinder kriegen die Leute immer. Mein Schwiegervater, Brauereidirektor, war genau so sicher: Bier trinken die Leute immer. Beide wurden inzwischen von der Wirklichkeit widerlegt. Der Bierabsatz sinkt, und die Zahl der Geburten erreichte im vorigen Jahr einen neuen Tiefststand. Aber wenn wir nicht mehr in Bierlaune Kinder zeugen auf Teufel komm raus, wer soll dann in Zukunft unser Bier trinken?

In der FAZ die Zahl der Woche gesehen: Bei uns arbeiten 55 Prozent der abhängig Erwerbstätigen samstags und sonntags nicht, 2 Prozent dagegen regelmäßig. Damit kann ich nicht viel anfangen, weil der Vergleich mit den Selbständigen und Freiberuflern fehlt. Zudem habe ich wieder viel zuviel Zeit mit dem Zeitungslesen vertan: Der halbe Samstagvormittag ist jetzt schon für die Arbeit verloren. Muss ich am Sonntag halt bis in den Abend hinein weitermachen.

Ein Spargelstängelchen, dazu eine gelbe Blüte, ein Rosenköhlchen, daneben ein Fetzchen Suppengrün und ein Möhrenscheibchen, das alles liebevoll rund um ein Lammkotelettchen drapiert. Was uns diese albernen Ikebanaköche im Fernsehen Tag für Tag vorführen, lässt den Kontrast zu dem, was wir auf der Straße sehen, erst so richtig deutlich werden: Die deutschen Männer und Frauen und Kinder werden immer dicker. Allmählich nehmen wir amerikanisches Format an.

Es gab die Zeiten, da durch- und erlebte ein junger Mensch nacheinander die Malbuchphase, die Bilderbuchphase, die Abenteuer- oder Mädchenbuchphase und – erzwungenermaßen in der Schule – die Hochliteraturphase. Der Erfolg ist bei den Erwachsenen von heute unübersehbar: Man guckt Zeitungen und Zeitschriften, die immer mehr aus Bildern bestehen, man glotzt fern und man bringt alberne Bildchen in Facebook und teilt sie, teilt sie, teilt sie – statt sie gleich zu löschen. BILD dir darauf nur nichts ein, Deutschland!

Wir Deutschen sind Vereinsmenschen, schon lange und immer noch. Rund 555000 Vereine soll es derzeit bei uns geben. Die Soziologen fragen sich schon seit Max Weber, welche positiven Nebenwirkungen das Engagement im Verein hat. Offensichtlich eine ganze Menge, u. a. Friedfertigkeit, Freundschaft, Disziplin, Gesundheit, Demokratieverständnis. Aber zu einer besonders wichtigen Relevanz gibt es zwei Meinungen: Zwar ist erwiesen, dass es in Regionen mit besonders hoher Vereinsdichte mehr wirtschaftliches Blühen gibt, so dass jeder zusätzliche Verein pro 1000 Einwohner einem um 2,4 Prozent höheren BIP entspricht. Aber ob das so herum oder so herum gedeutet werden darf, nämlich dass die Vereine die Wirtschaft blühen lassen oder dass eine blühende Wirtschaft das Vereinsleben fördert, ist eine offene Frage. Letztlich egal, die Hauptsache ist: Mein Verein hat heute eine Feier.

Und noch eine erfreuliche Meldung: Mein Buch „Denk ich an Bagdad in der Nacht“ ist erschienen: Edition Karo Berlin, 115 Seiten mit 15 Fotos, 14,- Euro. Ich war als Staatsgast auf Einladung von Saddam Hussein in den letzten Tagen vor dem amerikanisch-britischen Überfall im März 2003 im Irak, wo ich mich in einer Staatskarosse mit Fahrer frei bewegen und mit vielen Menschen aus allen Schichten der Bevölkerung Kontakt aufnehmen konnte. Darüber gibt es jetzt diesen Tatsachenbericht, der mit einem Volk bekannt macht, das heute nur noch mit den täglichen Zahlen der Todesopfer in den Nachrichten vorkommt.

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