Wem die Stunde schlägt

(For Whom The Bell Tolls, USA 1943, 130 Minuten, Regie: Sam Wood, Drehbuch: Dudley Nichols, nach dem gleichnamigen Roman von Ernest Hemingway)

Ernest Hemingway (1899-1961) hatte diesem Buch ein Zitat des englischen Dichters John Donne (1572-1631) vorangestellt, aus dem der Buchtitel stammt: „Der Tod jedes Menschen berührt mich tief, da ich selbst ein Mensch bin, dem nicht gegeben ist zu wissen, wem die Stunde schlägt. Sie schlägt auch dir.“ Der Film übernimmt diesen Vorspruch.

Und schon ist er mitten im Leben-Beenden: Ein Zug wird in die Luft gesprengt, und einer der beiden Saboteure gibt dem anderen, seinem bei der Flucht vor den Verfolgern schwerverletzten Kameraden, den Gnadenschuß. Er selbst überlebt. So kann er darangehen, die ihm gestellte Aufgabe zu erfüllen. Er soll eine für den Nachschub der Faschisten höchst wichtige Brücke sprengen. Dafür hat er drei Tage Zeit. Mit diesem Auftrag und einer Vollmacht kommt der Fremde in das Höhlenversteck der republikanischen Partisanen in den nördlich von Segovia gelegenen Bergen. Ein Zusammenprall zweier Kulturen. Hier der Amerikaner, ein College-Dozent aus dem Westen der USA, großgewachsen, gebildet und mit feinen Umgangsformen, dort das Sammelsurium von Desperados, klein, dämlich und verkommen. Der bärbeißige Anführer lehnt den fremden Helfer ab, doch seine Frau, eine energische und furchtlose Mutter Courage, entzieht ihrem trunksüchtigen Mann kurzerhand das Kommando und wirft sich selbst zur Anführerin auf.

So gut, so schön. Doch dann wird es zu schön. Denn in der Höhle hat auch eine geflohene junge Frau namens Maria Aufnahme gefunden. Die Faschisten haben sie vergewaltigt und ihre Eltern ermordet. Aus der Begegnung entwickelt sich natürlich eine Liebesbeziehung zwischen dem Amerikaner und der schönen Maria, und das in bester Hollywood-Manier. Das heißt immer ordentlich gekleidet und mit perfektem Make-up, gut frisiert und mit strahlend weißem künstlichem Gebiß.

Daß der abgesetzte Anführer die Brückensprengung vereiteln will, daß die Sprengung schließlich doch erfolgt, nur viel zu spät, und daß die Partisanengruppe heil davonkommt bis auf den Amerikaner, war zu erwarten. Auch, daß der schwer verletzte Gastguerillero dann seine liebe Mühe hat, seine schöne Braut wegzuschicken, damit er allein mit dem leichten Maschinengewehr den Rückzug der Truppe sichern kann, bis die Feinde ihn erledigen. Es setzt das dem Kitschfilm das wohlverdiente Sahnehäubchen auf.

Hemingway, immer bemüht, Kämpfe oder harte Jagdszenen zu erleben, weil er sie als Anregungen für seine literarische Arbeit brauchte, hatte als freiwilliger Kriegsreporter am spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) teilgenommen, und zwar auf der Seite der Republikaner. Wie so viele andere, die sich für Linksintellektuelle hielten und meinten, mit ihrer Ideologie ernst machen zu müssen. Doch ließ er den Dozenten, in dessen Rolle er geschlüpft war, vorsichtshalber – schon herrschte in den USA die Furcht vor den Kommunisten – sagen: „Ich bin kein Kommunist, ich bin Antifaschist.“ Was er an wichtigen Äußerungen in seinem Roman bringt, das kann der Film leider nicht rüberbringen. So die Erkenntnis des Fremden, daß Korruption und schreckliche Brutalität und unmenschliche Exzesse auf beiden Seiten zu beklagen sind. Was den Krieg ad absurdum führt und zu einer mehr resignierten als heldischen Haltung des Amerikaners. Er stirbt schließlich, das ratternde Maschinengewehr im Schoß, in dem Bewußtsein, für das gekämpft zu haben, an das er geglaubt hat. Das versöhnt ihn mit der Welt. Der Leser des Romans kann das noch nachvollziehen, wenn auch das viele Pathos im nachhinein hohl klingt. Der Zuschauer im Kino aber sagt sich: Wäre der Dummkopf nur in seinem College geblieben. Blendend aussehende Frauen gibt es da doch genug.

Kurz noch ein Blick auf die Jahreszahlen: Hemingway war 1936/37 im Kriegsgebiet, sein Roman erschien aber erst 1940. Das heißt, der Autor brauchte Abstand vom Erlebten. Und die Verfilmung mußte bis 1943 warten. Da endlich konnte man so einen Film brauchen. Er hatte nun die Funktion einer Antikriegswerbung, ähnlich wie Casablanca (1942). Was die Machart erklärt. Denn für diesen guten Zweck konnten die Protagonisten gar nicht schön und lieb genug sein.

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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