Schnee, der auf Zedern fällt

(Snow Falling on Cedars, USA 1999, 113 Minuten, Regie: Scott Hicks, Drehbuch: Ron Bass, nach dem gleichnamigen Roman von David Guterson)

Der Schnee, so makellos weiß er ist, steht hier, weil er alles zudeckt, für das Dunkle, und die Zedern stehen für Thuja, also Lebensbäume, die sich zwar schön filmen lassen, aber für einen Titel nicht geschmeidig genug sind. Macht man sich die richtigen Bezeichnungen bewußt, weiß man schon, um was es geht: Dunkel fällt aufs Leben. Was aber zu simpel klingt und deshalb durch einen mehr dichterisch wirkenden, bemüht aufgemotzten Titel ersetzt werden mußte.

Die im Staate Washington lebenden Japaner, Einwanderer und ihre Nachkommen, sind durch den Überfall der Japaner auf die amerikanische Kriegsflotte in Pearl Harbour in ein schiefes Licht geraten. Was sich noch lange nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Kainsmal bemerkbar macht. Wie der Prozeß gegen einen jungen japanischen Fischer zeigt, der seinen Freund, einen amerikanischen Fischer, in einer Nebelnacht auf hoher See umgebracht haben soll, weil er bei einem Grundstücksgeschäft übervorteilt worden war. Ein junger Journalist, dessen Jugendliebe die Frau des angeklagten Japaners war, verfolgt den Prozeß betroffen und unentschieden. Als die Japaner wegen Pearl Harbour in Internierungslager verschleppt worden waren, hatte seine Jugendliebe sich mit einem Brief von ihm losgesagt. Jetzt sieht er die Möglichkeit, daß ihr japanischer Mann verurteilt und hingerichtet und damit der Weg für ihn zurück zu seiner Jugendliebe gebahnt wird. Der von seinem Ehrgeiz hingerissene Ankläger wie auch die Gesichter der Geschworenen, die über den Japaner zu entscheiden haben, verkünden nichts Gutes.

Ein latenter Rassismus, der sich gegen die Japaner wendet, diesen besonderen Aspekt der amerikanischen Multikulti-Gesellschaft, hat der 1956 geborene amerikanische Autor und ehemalige High-School-Lehrer David Guterson in seinem Erstlingsroman dargestellt, der 1995 erschienen ist, bezeichnenderweise nicht in den USA, sondern in London. Das Buch wurde von der Kritik gelobt. Dabei wird, wie in jedem Schnulzenroman üblich, eine Liebesgeschichte in den Mittelpunkt gestellt und das Ganze, ebenfalls nicht gerade neu, in eine Gerichtsverhandlung eingepackt. Dennoch war die Hochschätzung wohl berechtigt, handelt es sich doch trotz der Stanzvorlagen um ein sehr diffiziles Jonglieren zwischen aktuellem Geschehen und Erinnerungen, Vorstellungen und Tagträumen. Die Handlungsebenen schwanken ständig, sie durchdringen sich und relativieren ihren Aussagewert. Dabei wird es dem Leser unmöglich gemacht, sich zwischen der sympathischen und der unsympathischen Figur zu entscheiden, weil die Charaktere so changieren, wie im richtigen Leben. Also ein Roman wie das Leben.

Aus dem ambitionierten Roman mit seiner konzisen Sprache hat man – ungewöhnlich genug für amerikanische Verhältnisse – einen ambitionierten Film gemacht. Eindeutig ein Stück für Cineasten, die das permanente Hin und Her zwischen den Zeitebenen zu deuten verstehen und die ein Faible für die künstlerische Kameraführung haben. Für dieses Feuerwerk von supernahen Einstellungen, dem verwirrenden Spiel mit Handlungsandeutungen, die sich mit intensiven Porträtstudien abwechseln. Und nicht nur die Kamera zelebriert hier die feinen Schritte der Hohen Schule, auch die Lichtführung ist auf hohem Niveau, und sogar der Ton macht mit beim irritierenden Kreisen um Vorurteile, Liebe und Gerechtigkeit.

Ein Film, nicht einfach zu genießen. Weil einem die gewohnten Sicherheiten abhanden kommen. Aber warum sollen nicht auch den Popcorn mampfenden Kinobesuchern in ihren bequemen Sesseln einmal die Füße weggetreten werden.
(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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