Schnee auf dem Kilimandscharo

(The Snows of Kilimanjaro, USA 1952, 110 Min., Regie: Henry King, Drehbuch: Casey Robinson nach einer Kurzgeschichte von Ernest Hemingway)

Der amerikanische Zeitungsreporter mit dem bezeichnenden Namen Harry Street, der ein Schriftsteller werden will, liegt mit Wundbrand im verletzten Bein in einem winzigen afrikanischen Camp, betreut von einem hilflos freundlichen schwarzen Diener und seiner ebenso hilflosen Geliebten, einer so reichen wie hübschen Amerikanerin. Er ist abwechselnd in Fieberträumen und hellwacher Todeserwartung, sie wartet auf das Flugzeug des alarmierten Buscharztes. Und der Zuschauer im Kino hat seine Freude an den schönen Tieraufnahmen: Flußpferde, Hyänen und Geier und so weiter.

Der Todeskandidat seufzt: „Daß ich versagt habe, das ist für mich das allerschlimmste.“ Und gibt sich selbst schon bald darauf die Antwort mit einem weiteren Seufzer: „Wir müssen eben alle leben, wie wir geschaffen sind.“ Als es wirklich mit ihm zuende zu gehen scheint, kommt sein Schlussseufzer: „Die Menschen ändern sich nicht.“

Zwischen diesen grundsätzlichen Äußerungen – ein Extrakt der Macho-Philosophie Ernest Hemingways – gibt es diverse Rückblenden, die den attraktiven, jungen Reporter im Kontakt mit diversen Schönheiten, aber auch in Gefahrsituationen zeigen à la: Das Leben Revue passieren lassen.

Der so vorgeführte Reporter mußte sich sogar die Frage einer seiner Geliebten gefallen lassen: “Kannst du nicht einmal ehrlich sein?“ Das fragte sie den Schreiber, der eigentlich ein notorischer Lügner sein müßte. Der aber stets unterwegs war, um so viel wie möglich zu erleben und beschreiben zu können, was wahr ist. Das ist ein Hinweis auf ein Problem Hemingways. Er war nicht der große Fabulierer. Er war ein Reporter. Um Schriftsteller zu sein, musste er nach Leben gieren wie ein Süchtiger, nach Wirklichkeiten, aus denen er seine fiktiven Welten bilden konnte. Lebenshunger als Arbeitsprinzip.

Selbstverständlich wird aus dem umtriebigen Möchtegern-Schriftsteller des Films hau-ruck ein Erfolgsautor, der sogar auf der Straße erkannt wird. Mehrfach kommen die entscheidenden Briefe von Verlegern, die das Manuskript annehmen und Schecks schicken. Wer diesen Countdown zum Ruhm sieht und nicht sofort beschließt, ebenfalls Schriftsteller zu werden, dem ist nicht zu helfen. Oder er hat vielleicht im richtigen Moment an das große Rätsel der Geschichte und dieses Films gedacht.

Es geht um die Frage, was ein auf der Spitze des Kilimandscharo im ewigen Schnee erstarrter Leopard dort wollte: Hatte er sich auf eine falsche Fährte locken lassen?

Was die falsche Fährte des Harry Street war, bleibt offen. Die Suche nach einer ehemaligen Geliebten oder die Suche nach immer neuen Abenteuern und Gefahren, die er beschreiben könnte, oder überhaupt die Suche nach Erfolgen mittels simpler Erzählungen?

Hauptsache ist: Das Maschinchen mit dem Buscharzt schwebt gerade noch rechtzeitig ein. Der Schwerkranke ist gerettet und bleibt der schönen Frau erhalten. Die Kinobesucher können zufrieden nachhause gehen.

In Hemingways Kurzgeschichte bleibt aber noch etwas anderes am Ende offen, nämlich ob der Retter wirklich kommt oder nur in den Fieberträumen des Kranken. Womit Hemingway die Frage stellt, ob bei einem Sterbenden die letzte Wirklichkeit der sterbende Körper ist oder das befreite Bewusstsein. Immerhin eine Überlegung, für die sich das Lesen der Erzählung lohnt. Wenn der Film dann aber zugunsten des vom Zuschauer erhofften Happy-Ends diese Aufforderung zum Weiterdenken kappt, bleibt nur ein schönes, aber sinnloses Stück Hollywood-Unterhaltung übrig.

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

Good Bye Lenin!

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