Sass – Die Meisterdiebe

(Sass – Die Meisterdiebe, D 2001,  108 Min., Regie: Carlo Rola)

Ein Film, wie man ihn nicht machen sollte. Zwar mit Lokalkolorit und einigen schönen Bildern der Goldenen Zwanziger Jahre in Berlin, aber leider ohne jede Spannung. Und das wegen eines groben handwerklichen Fehlers. Erstaunlich, wenn man liest: Produktion Bernd Eichinger.

Die Handlung: Zwei junge Männer, Brüder aus Moabit, arm und arbeitslos, versuchen nach dem ersten Weltkrieg, sich mit einer kleinen Autowerkstatt über Wasser zu halten. Doch die Einnahmen sind gering, und dann kommt auch noch einer von der Steuerbehörde und nimmt ihnen das letzte Geld ab. Das holen wir uns wieder, sagen die beiden sich und brechen im Landesfinanzamt ein. Der Erfolg läßt sie den nächsten und größeren Coup wagen, und dann den nächsten und immer wieder nächsten. Ihre Besonderheit ist: Sie sprengen die Tresore nicht auf, wie bis dahin üblich, sondern arbeiten leise und schnell mit Chemikalien und einem genial verbesserten Schneidbrenner. Die beiden sind bald als stinkreiche Lebemänner in Berlin so bekannt wie beliebt. Jeder ahnt, woher die Panzerknackerbrüder das viele Geld haben, aber keiner kann es ihnen nachweisen, auch nicht der eifrige Kriminalist, der stets hinter ihnen her ist.

Dann rauben die Brüder auch noch aus der angeblich einbruchsicheren Disconto-Bank die Wahlkampfmillionen der Nationalsozialisten, womit sie den Bogen überspannt haben. Denn sie kommen vor Gericht. Zwar werden sie wegen Mangels an Beweisen freigesprochen, doch noch ehe sie sich ins Ausland absetzen können, werden sie von SA-Männern auf offener Straße niedergeschossen. Was den Kinobesucher nicht wundert.

Die beiden Meisterdiebe Franz und Erich Sass hat es tatsächlich gegeben, sie waren von 1924 bis 1929 in Berlin tätig, und das mit großem Erfolg. Daß sie den Banken Geld abnahmen, machte sie zu Volkshelden. Sie haben sich nach dem besonders spektakulären Raub der Wahlkampfmillionen nach Dänemark abgesetzt, sind aber später von den Dänen an die deutsche Gestapo ausgeliefert und von dieser erst 1940 umgebracht worden.

Nun, gegen filmische Korrekturen am tatsächlichen Ablauf eines Geschehens ist nichts einzuwenden. So kam auch der jüdische Bankier in den Film, der auf einem belebten Platz erschossen wird, so auch seine attraktive Witwe, die zur Freundin des einen Einbrechers und zu guter letzt zur Gewinnerin der Nazi-Millionen wird. Hier wird deutlich, daß auf gute Exportchancen des Films hingearbeitet wurde. Dafür mußten die Braunhemden in ihrer über das Gesetz triumphierenden Brutalität gezeigt werden, und dafür mußte die Witwe des Juden vom Schicksal entschädigt werden. Überhaupt schwelgt die Kamera nicht nur in putzigen Nacktszenen wie Frauenringkampf im Schlamm oder Münzengrapschen mit den Arschbacken, sondern auch derart ausführlich in Gewalttätigkeit und in Blut, wie das in einem anspruchsvollen Film eigentlich unüblich ist. Man wußte also, was in bestimmten Exportländern gern gesehen wird. Verständlich, daß man dem speziellen Bedarf entsprechen wollte.

Der eigentliche Fehler des Films ist jedoch, daß der Zuschauer von Anfang an über die Täter Bescheid weiß. Damit ist die Luft raus. Dummerweise läßt man den Kinobesucher stets an der Seite der Brüder Sass sein, wenn eingebrochen wird, statt ihn mit den suchenden Augen des Kriminalisten und der ganzen Berliner Öffentlichkeit das Geschehen betrachten zu lassen, ständig von der Frage gefoltert: Waren das die Sass-Brüder? Dabei wäre es so einfach gewesen, die geschickten und deshalb reizvollen Einbruchsarbeiten zu zeigen und trotzdem die Spannung zu halten. Man hätte die beiden Einbrecher nur immer so vorzuführen brauchen, daß man sie nicht erkennen kann.

Ob dem wohl die Eitelkeit und Geldgier der Schauspieler entgegenstand? Die uns so selbstverständlich gewordene totale Überbewertung des Schauspielers hat ja Folgen, die sich auf die Darstellung auswirken. Das klassische Spiel hinter vorgehaltener Maske wäre heute unmöglich, weil jede Sekunde mehr, die ein Schauspielergesicht gezeigt wird, Gold wert ist. Denn die Bekanntheit der Physiognomie eines Mimen entscheidet über dessen Chance, an lukrative Werbeaufträge und an die nächste Rolle zu kommen.

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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