(Rheingold, BRD 1978, 89 Minuten, Drehbuch und Regie: Niklaus Schilling, Produktion und Hauptdarstellerin: Elke Haltaufderheide)
Ein Film über einen renommierten Zug, zugleich ein Film im Zug. Und dazu auch: der Rhein im Zug. Der Trans-Europ-Express TEE Rheingold fuhr von 1928 bis 1987 – mit einer Unterbrechung von 1939 bis 1951 – zwischen Hoek van Holland und Luzern bzw. Basel und war so berühmt wie beliebt, weil er in dreizehneinhalb Stunden den ganzen Rhein mit seinen attraktiven Ansichten wie in einem Endlosfilm vorführte.
Eine Diplomatengattin trifft sich immer wieder in diesem Zug mit ihrem Freund aus Kindheitstagen, der als Zugkellner im Rheingold arbeitet. Und sie lieben sich im Zug wie auch in Hotels bei Zwischenaufenthalten. Rückblenden sind geschickt eingebaut, auch mit Rheinwasser-Überblendungen wird Eindruck gemacht. Interessante Nebenfiguren kommen ins Spiel: Ein Astrologe und ein Erfinder weiten die Story aus. Doch als der Diplomat in Bonn in den Zug steigt und zufällig auf die beiden Liebenden trifft, kommt es zur Katastrophe.
Ein guter Plot. Nur wird leider nichts Ordentliches daraus gemacht. Die Filmemacher leisten sich einen Fehler nach dem anderen: Schon die falsche Auswahl der Darsteller. Dass die beiden Liebenden als Kinder in derselben Klasse waren, ist unglaubhaft, weil der Mann zu jung für die Frau ist. Es zeigt sich, dass es nicht ideal ist, wenn Produzentin und Hauptdarstellerin identisch sind.
Die von einem Mitreisenden erzählte Loreley-Story wirkt wie vorgelesen und ist nicht nur unmotiviert, sondern auch viel zu lang. Die Zuhörerin, das kleine Mädchen, bleibt völlig unbeeindruckt, rührt sich nicht einmal, als es sieht, dass das Kleid der Dame, die in der Ecke sitzt, einen Blutfleck zeigt.
Die Rheingold-Saga, nach der der Zug benannt ist, wird überhaupt nicht erwähnt. Auch Worms nicht und nicht, dass der Nibelungenhort, das Rheingold, bei Worms auf dem Grund des Rheins liegen soll. Den Filmemachern anscheinend alles unbekannt. Oder aber man hat einen Film über den Loreley-Express gemacht, den es ebenfalls gab, und diesem Film hat man hinterher den attraktiveren Namen Rheingold übergestülpt.
Es gibt keinen Blick aus seinem Aussichtswagen. Und die besondere Attraktion, dass das Essen in den Abteilen serviert wurde, bleibt unerwähnt. Stattdessen immer wieder übertrieben laute Fahrgeräusche. Und schließlich ein trauriger Schluss ohne etwas Pfiffiges.
Hat der Betrachter zunächst den Eindruck, dass die Produzenten sich von der „Moselfahrt aus Liebeskummer“ inspirieren ließen, kommt man bald darauf, eher habe „Der Mord im Orientexpress“ Pate gestanden. Und bald versteht man: Es wird nichts geboten, das mit dem einen oder dem anderen Film vergleichbar wäre. Denn bis auf einen Stich in den Leib mit einem Brieföffner, der eine winzige Wunde verursacht, die kaum blutet, aber nach Stunden doch zum Tode führt, kommt nichts Aufregendes. Es sei denn man regt sich darüber auf, dass die Bahn brav mitgewirkt hat bei diesem Film, der von einer Fahrt mit dem Rheingold-Express eindrucksvoll abrät.
(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)