Rendezvous im Jenseits

(Defending Your Life, USA 1991, 103 Min., Drehbuch und Regie: Albert Brooks)

Ein noch junger Mann verunglückt tödlich mit seinem Auto und findet sich als ziemlich apathische Figur wieder in einer Welt, die ihm unerklärlich ist, ihm auch nicht erklärt wird. Nur daß es sich weder um den Himmel noch um die Hölle handelt, wird ihm gesagt. Diese Welt heißt Judgement City und sieht genauso aus, wie es auf der Erde aussah, also wie eine Mixtur aus Disney World und Sun City in Florida, angereichert mit den Schlaraffenland-Komponenten Nichtstun und Fressen. Nur daß man als Neuzugang in dem einheitlichen weißen Engelsgewand herumlaufen muß. Allerdings gibt es da auch andere, die normal weltlich gekleidet sind. Sie entpuppen sich als die Menschen, die ihr Gehirn zu beinahe oder sogar mehr als 50 % nutzen. Dagegen werden die Weißgekleideten als Kleinhirne bezeichnet, weil sie nur etwa 3 % ihres Gehirns einsetzen. Trotzdem leben sie in prächtigen Hotels, und es fehlt ihnen an nichts. Sie können essen, soviel sie wollen, ohne zu bezahlen und ohne die Gefahr, dicker zu werden.

Doch müssen die Kleinhirne sich in einer Art Gerichtsverhandlung, die aber keine zu sein vorgibt, für ihr bisheriges Leben verantworten. Sie werden mit einzelnen Tage ihres Vorlebens konfrontiert. Je nach Qualität ihres Vorlebens werden ihnen mehr oder weniger Tage als Spiegel vorgehalten. Der Protagonist bekommt neun Tage aufgebrummt und weiß nicht wie ihm geschieht. Geht es doch nicht um Schuld und Unschuldigsein, wie ihm eingeschärft wird, es geht auch nicht um gut oder böse. Daß er durch sein dummes Fahrverhalten den Unfall verursacht hat, spielt keine Rolle. Und keine Frage nach den weiteren Opfern seines Frontalzusammenstoßes mit einem Bus. Es geht nur darum, ob er irgendwann in seinem Leben Angst gezeigt hat oder nicht. Unser junger Mann wird der Angst überführt, verteidigt sich zwar geschickt damit, es habe sich nur um Rücksicht gehandelt, doch das genügt nicht. Er wird wegen seiner Ängstlichkeit dazu verurteilt, auf die Erde zurückzukehren und noch einmal ein Leben zu leben, diesmal in einer anderen Rolle.

Aber er will sich nicht von der Frau trennen, ebenfalls eine Weißgekleidete, in die er sich inzwischen verliebt hat. Er wird jedoch in einem anderen Zubringerbus abtransportiert als die Frau. Da befreit er sich mit Gewalt und stürmt den Bus der Frau. Für diese mutige Tat wird ihm die Rückkehr auf die Erde erlassen.

Was als Komödie antritt, auch als Social-Fiction-Film amüsant genannt werden kann, wirft ein bezeichnendes Bild auf die USA-Gesellschaft von heute. Das mit dem Fressenkönnen, soviel einem beliebt, ohne daß man dicker wird, ist bloß ein augenzwinkernder Seitenhieb des Autors. Daß mal von Angst und mal vom Sichfürchten die Rede ist, darf nicht irritieren. Die Amerikaner unterscheiden da nicht so feinsinnig wie wir. Doch daß sie nicht mehr vom Himmel reden, sondern vom Zurückkehren und Nocheinmalleben, ist eine Abkehr von christlichen Vorstellungen und eine Hinwendung zum modisch werdenden buddhistischen Denken. Und das in God’s own country. Und aufregend aufschlußreich ist die hier entlarvte neue Wertehierarchie. Es geht nicht mehr um gut oder böse, nicht mehr um Schuld oder Unschuld, es geht nur noch um Ängstlichkeit oder Mut. Das Goethewort: Wer ewig strebend sich bemüht, den können wir erlösen, wird umgeprägt zu: Wer furchtlos ist und sich mit rücksichtsloser Gewalt durchsetzt, der wird erlöst. Also ein hochaktueller Film. Besten Dank, lieber Albert Brooks.

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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