Moby Dick

(Moby Dick, USA 1956, 116 Minuten, Regie: John Huston, Drehbuch: Ray Bradbury und John Huston nach dem gleichnamigen Roman von Herman Melville)

So sanft das Geschehen in diesem Streifen beginnt, so schnell wird es dramatisch und chaotisch. In der ersten Szene des Films erzählt ein Mann, wie er in einem Hafenstädtchen der Neuenglandstaaten auf einem Walfänger angeheuert hat: „Nennt mich meinethalben Ismael. Vor einigen Jahren – gleichviel, wie lange es her ist – als eines Tages mein Beutel leer war und an Land mich nichts mehr hielt, kam mir der Gedanke, mich ein wenig auf See umzutun und den nassen Teil der Welt zu besehen.“ Das ist auch der erste Satz des Romans, auf dem der Film basiert.

Einem Kinofilm mit so gewaltigem Einsatz von Meer und Sturm, von lähmender Flaute und Sonnenglut, von riesigen Walen und ihren todesverachtenden Verfolgern steht es gut an, auch in der Kommentarsprache groß aufzutreten. Am besten mit häufigem Zitieren eines sprachmächtigen Dichters. Das müssen die Filmemacher sich in diesem Fall gesagt haben. Damit kreierten sie ein wirklich gelungenes Beispiel einer Literaturverfilmung. Übrigens der dritte Film über Moby Dick in einer Reihe von inzwischen sieben Verfilmungen dieses großen Romans, die zwischen 1926 und 2010 entstanden sind.

Kapitän Ahab, der unheimliche Herrscher auf dem Walfänger „Pequod“, ist besessen von dem Willen, den weißen Wal aufzuspüren, den man Moby Dick nennt. Diesen ungewöhnlich großen weißen Pottwal will er vernichten, weil er ihn angeblich zum Krüppel gemacht hat. Als Walfänger hat er vor vielen Jahren beim missglückten Versuch, den weißen Wal zu töten, sein linkes Bein eingebüßt. Seitdem sinnt er nur noch auf Rache. Den Auftrag der Schiffseigner, Wale zu erlegen, um Walöl, den wichtigsten Energielieferer für die Lampen der Welt, zu produzieren und in gut verpichten Fässern heimzubringen, missachtet er. Er verfolgt nur seinen großen Gegner. Dafür treibt er das Schiff durch die Weltmeere, Monat für Monat nur dem weißen Wal auf der Spur.

Starbuck, der Erste Steuermann, bleibt unbeachtet mit seinen Ermahnungen, von dem Wahnsinn abzulassen, erfolglos auch mit dem Versuch, sich mit den beiden anderen Steuermännern zur Meuterei zu verabreden, wozu man berechtigt und verpflichtet wäre, weil der Schiffsführer nicht mehr seinen Auftrag ausführt, sondern in irrsinnigem Hass nur noch seinen Gegner, den weißen Wal, sucht. Doch erweist sich der Erste Steuermann, die zivilste Erscheinung in dem bunt zusammengewürfelten Haufen von Walfängern, schließlich sogar als unfähig, den Kapitän zu erschießen, als er ihn vor der geladenen Pistole hat.

Kapitän Ahab hat die Route richtig berechnet, auf der sich der weiße Wal, bewegt. Beim Bikini-Atoll gelingt es ihm endlich , das riesengroße Tier, das bereits mit Lanzen und flatternden Tauenden gespickt ist, mit weiteren Harpunen anzugreifen. Selbst mit in einem der Ruderboote, mit denen seine Leute den Wal verfolgen, schafft es der hasserfüllte Kapitän trotz seiner linken primitiven Beinprothese, auf den Wal zu springen und ihm mit seinem Eisenspeer eine tiefe Wunde nach der anderen zuzufügen. Der Wal taucht mehrfach ab und wieder auf, und die Walfänger sehen mit Schrecken: Kapitän Ahab ist in Taue verstrickt an ihn gefesselt, ein toter Mann, dessen rechter Arm lose hängt und mit den heftigen Bewegungen des Wals seinen Männern zuzuwinken scheint. Dann zerschmettert das aus vielen Wunden blutende Tier die Ruderboote seiner Verfolger und schickt schließlich mit einem gewaltigen Rammstoß auch noch die „Pequod“ auf den Meeresgrund. Nur ein einziger Mann überlebt den wilden Kampf, nämlich der Ich-Erzähler, der angeheuert hatte, um sich „ein wenig auf See umzutun und den nassen Teil der Welt zu besehen.“

Der Film ist die gelungene Umsetzung eines der bedeutendsten Werke der amerikanischen Literatur in das Kinomedium. Dazu war wegen vieler Schwierigkeiten mit dem riesigen Walmodell eine Drehzeit erforderlich, die sich über drei Jahre hinzog. Eine geschickte Kameraführung und Schnitttechnik ließ das Geschehen jedoch zu einem spannenden Zweikampf zwischen Mensch und Monster werden. Der Zuschauer wird in einer Weise gepackt und in das dramatische Geschehen hineingerissen, dass er sich nicht aus der Illusion befreien kann. Dabei die Stimme des Ich-Erzählers im Ohr, die mit einem ungewöhnlich bildhaften Wortschatz die Suggestion verstärkt.

Der Schriftsteller Herman Melville, 1819 geboren und 1891 gestorben, hat – nicht immer ganz freiwillig –  ein abenteuerliches Leben geführt, als Seemann, sogar auch als Walfänger, und als Landwirt, zuletzt noch als Zollinspektor, weil er trotz seiner eifrigen Buchproduktion nicht vom Schreiben leben konnte. Während seine ersten als typische Abenteuerromane geschriebenen Bücher gut ankamen, wurde das schwergewichtige Werk „Moby Dick“ von der Kritik und den Zeitgenossen kaum beachtet. Was wohl nicht daran lag, dass der Autor so gern biblische Namen verwendet hat. Melville hatte sich den Luxus erlaubt, anspruchsvolle Literatur zu liefern. In dichterischer Sprache, aber auch mit vielen geschichtlichen, naturkundlichen, philosophischen und mythologischen Einschüben. Dafür wurde er mit Desinteresse bestraft. Zwar liebte man Schilderungen des Kampfes, den der Mensch mit den Naturgewalten führt, aber man wollte nicht den Menschen in der schlechteren Rolle sehen und das Tier in der edleren. Das passte damals wie heute nicht zum Selbstverständnis des Normalmenschen. Nach wie vor sind die Begriffe tierisch und bestialisch negativ gemeint, der Begriff menschlich wird dagegen positiv gesehen. Das dramatische Geschehen im Roman wie im Film „Moby Dick“ lässt deutlich werden, dass diese Begriffe in Wahrheit genau andersherum verstanden werden müssten. Ist doch kein Tier so grausam und so unsinnig aufs Töten aus, wie der Mensch.

Der Film traf wie anfangs das Buch auf wenig Begeisterung. Wobei als Grund die falsche Auswahl des Hauptdarstellers genannt wurde. Angeblich wirkte das Gesicht von Gregory Peck, der den wahnsinnigen Kapitän Ahab verkörperte, zu normal, ja, zu freundlich. Es war dem Kinopublikum nicht frankensteinisch genug. Dabei war dieses bei aller Rachgier immer noch sehr menschliche Gesicht richtig. Ist doch auch der Wahnsinn eine Eigenschaft des Menschen, nicht eines Kunstprodukts und Monsters wie Frankenstein. Und über Menschen hat Herman Melville geschrieben, über Menschen lässt sich deshalb auch dieser Film aus, – und das gekonnt.

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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