Ludwig II.

(Ludwig II. – Glanz und Elend eines Königs, BRD 1954, 110 Minuten, Buch: Georg Hurdalek und Peter Berneis nach einer Erzählung von Kadidja Wedekind, Regie: Helmut Käutner)

Der schöne König Ludwig II. von Bayern, zum Kitschbild hochstilisiert und als Geistesgestörter abgehakt, wie konnte er zum Thema werden, dem sich ein ernsthafter und arrivierter Regisseur wie Helmut Käutner zuwandte? Für spätere Generationen eine Frage, die sich nur mit dem Blick auf die Nachkriegszeit und auf das Gesamtwerk Käutners beantworten läßt.

Der 1908 geborene Schauspieler, Kabarettist und Regisseur Helmut Käutner hatte noch kurz vor Kriegsende den Film „Unter den Brücken“ gedreht, der mit dem verträumten Blick auf das Leben der kleinen Leute von den Ängsten des Kriegsalltags ablenkte. Kein Durchhaltefilm, wie vom Reichspropagandaminister Joseph Goebbels gewollt, eher ein Trösterle, also Lebenshilfe. Die gute Absicht kam jedoch nicht mehr zum Zuge, weil der Film erst nach Kriegsende in den Kinos zu sehen war.

Schon bald nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 kam der Gedanke einer Wiederbewaffnung Deutschlands auf. Der in großen Teilen der Bevölkerung auf rigorose Ablehnung stieß. Man war bedient, hatte man den Zweiten Weltkrieg doch noch in frischer Erinnerung. Ein Ergebnis dieser Verweigerung war die Paulskirchenbewegung von 1951/52. ein anderes war Käutners Film „Die letzte Brücke“ von 1953, in dem Schuljungen gezeigt wurden, wie sie in den letzten Kriegstagen in sinnlosem Abwehrkampf geopfert werden. Dieser Film hatte überwältigende Wirkung, zumindest auf das Publikum und das Massenbewußtsein, nicht aber auf die westdeutschen Politiker, die im sogenannten kalten Krieg in Abstimmung mit den Alliierten und im Wettlauf mit den DDR-Führern die Wiederaufrüstung Deutschlands betrieben.

Dem setzte Helmut Käutner schon im Jahre 1954 den Film entgegen: „Ludwig II. – Glanz und Elend eines Königs“. Ein erneuter Appell ans Gefühl, der ankam. Der Kampf Politik gegen Kunst spitzte sich zu. Und Käutner ließ nicht locker. 1954/55 schuf er nach Carl Zuckmayer den Film „Des Teufels General“, in dem er die Verruchtheit des Kriegspielens unübertroffen drastisch vorführte. Doch vergebens. 1955 trat die Bundesrepublik Deutschland der Westeuropäischen Union WEU und der NATO bei. Damit war der Rubikon überschritten. Es gab keinen Weg zurück. Dem entschiedenen Kriegsgegner Käutner blieb jetzt nur noch der ironische Kommentar, den er 1956 mit dem Film „Der Hauptmann von Köpenick“ sprach, ebenfalls nach Carl Zuckmayer.

Das ist der zeitgeschichtliche Hintergrund, vor dem der Film über den bayerischen König Ludwig II. (geboren 1845, König seit 1864, ertrunken 1886) gesehen werden muß. Käutner stellt einen Herrscher als den Prototyp des friedfertigen Menschen dar. Einen Landesvater, der seinem Volk nicht Kriegsbeute bieten will sondern Kunstwerke. Einen König der Schönheit und Reinheit. Und er zeigt ihn als großen Förderer, der den Hungerleider Richard Wagner rettet, ihm die Bühnen baut, die er braucht. Der König als der Entdecker des Genies. Der Bauherr, der die bewunderten Werke der Zukunft schafft, zwar den engstirnigen Zeitgenossen zu aufwendig, wie alle großen Bauwerke, dafür der Nachwelt um so teurer.

Dieser wahrhaft kingsize König scheitert Schritt für Schritt. Der von ihm verehrte Richard Wagner erweist sich als ein Charakter, der nicht so bewundernswert ist wie sein Werk. Fürst Bismarck zwingt ihn zum Mitmachen im sogenannten Deutschen Krieg von 1866, in dem Bayern zum Verlierer wird. Die von ihm angebetete Sissi ist verheiratet und damit für ihn tabu, deren schwärmerisches und fröhliches Schwesterchen Sophie erweist sich als ein paar Nummern zu klein für den König, weshalb die Verlobung schon bald wieder aufgelöst wird. Die Bauleute leisten sich an seinen Palästen Pfusch. Sein jüngerer Bruder Otto ist geistig verwirrt. Kein Wunder, daß man die Eigenarten des Königs, vor allem sein Bedürfnis, sich vom Hofleben zurückzuziehen, bald ebenfalls als Geisteskrankheit deutet. Mit dem Professor von Gudden tritt ein früher und zu selbstsicherer Vertreter der noch viel zu jungen Wissenschaft von der Psyche auf, der dem König das Brandzeichen aufdrückt: geisteskrank. So bringt man ihn auf Schloß Berg am Starnberger See hinter Gitter und entmündigt ihn aufgrund von dubiosen Aussagen der Dienerschaft. Sein Onkel Luitpold tritt nolens volens die Regentschaft an.

Helmut Käutner läßt den König bei einem Spaziergang mit dem Psychoguru einen Fluchtversuch machen, bei dem es zu einem Handgemenge zwischen ihm und von Gudden in der Schilfzone des Starnberger Sees kommt, mit dem Ergebnis, daß beide ertrinken. Das ist eine von vielen möglichen Deutungen des Doppeltodes, für den es keine Zeugen gab, also eine legitime Erklärung.

Nicht so einfach hinzunehmen ist, daß Käutner den Anschein erweckt, der König sei an der explosiven Musik Richard Wagners zugrunde gegangen, die in seinem Kopf einen permanenten Terror verursacht habe. Das ist noch ein bißchen tollkühner gedeutet, als die Psychobastler gefolgert haben. Bedauerlich bleiben schließlich die Vereinfachungen, die Käutner sich erlaubt. Kein Hinweis darauf, daß erst die von Bismarck als Gegenleistung für den Kriegseintritt Bayerns gezahlten Riesensummen die Fertigstellung der grandiosen Bauten Herrenchiemsee, Neuschwanstein und Linderhof ermöglichten. Und auch kein Hinweis auf die Tatsache, daß ausgerechnet Ludwig II. den Anstoß zur Kaiserproklamation von 1871 gegeben hat. Es ist eben nicht so einfach, einen wirklichen König zum Idealherrscher hochzustilisieren. Dafür ist und bleibt doch immer zuviel Menschlich-Allzumenschliches, das nicht ins Bild paßt.

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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