Hubert Bär: Der Heidelberger Campus-Mord

Mord mit Happy-End

(Hubert Bär: Der Heidelberger Campus-Mord, Kriminalroman, Wellhöfer-Verlag, Mannheim 2009, broschiert 164 Seiten,  9,80 €, ISBN 978-3-939540-30-4)

Schon die erste Seite, auf der das Aufwachen eines Menschen aus tiefer Bewusstlosigkeit geschildert wird, und das veristisch, also so quälend langsam, wie sich die Sinneseindrücke allmählich wieder einstellen und klären, schon diese erste Seite, bekanntlich immer die vorangetragene Standarte eines Buches, zeigt, was der Autor nicht bieten will: den üblichen Krimischinken.

Dabei ist er auf die sämtlichen schon Klischee gewordenen Forderungen des Marktes eingegangen: Es muss ein Krimi sein, und der muss in einer eng eingegrenzten Region Deutschlands spielen, möglichst noch in einem gehobenen Milieu wie dem Universitätsleben – Campusromane sind ja schon eine eigene Kategorie – , zudem muss es etwas sein, das man schon im Buchtitel als Mord bezeichnen kann. Und wenn der Zusammenhang mit einem aktuellen Ereignis oder Problem hergestellt werden kann, umso besser. Wenn das Buch dann auch noch mit einem Happy-End aufwarten kann, ist es Spitze.

Hubert Bär arbeitet – zumindest scheinbar – nach dieser Rezeptur. Es geht um Querelen und Karrierehoffnungen innerhalb der Universität Heidelberg, dargestellt an den Schwierigkeiten des wissenschaftlichen Assistenten und Doktoranden Jochen Pfeifer. Hinter den persönlichen Problemen stehen die Enttäuschung der Uni, dass sie nicht den Elitestatus bekommen hat, und der Frust der Stadtväter, dass die Heidelberger Altstadt nicht zum Weltkulturerbe erklärt wurde.

Aber die Art, in der Bär die Anweisungen dieses Krimi-Rezepts abarbeitet, ist ungewöhnlich und nachdenkenswert. Hier schreibt einer, dem es nicht genügt, mit den Hunderten von Krimischreibern in unserem Land das große Klagelied zu singen, man werde von den Literaturkritikern und der Presse nicht so stark beachtet, wie man es verdient habe. Dabei biete man dem Publikum doch so viel an Vergnügen. Hier haben wir es mit einem Autor zu tun, der offensichtlich mehr bieten will als spannende Unterhaltung, indem er den Krimi als ein Stück Literatur präsentiert, also ganz anders. Dazu gehört auch, dass es im Hintergrund um eine literaturwissenschaftliche Theorie geht, nämlich um die mögliche Ermordung Schillers durch Goethe. Im Übrigen ist das ein informativer und mitfühlender Blick auf den Betrieb im literaturwissenschaftlichen Institut einer Universität mit den Existenznöten hochqualifizierter Menschen, die viel zu lange ohne feste Stelle von den Launen der Lehrstuhlinhaber und von Forschungsaufträgen abhängig sind.

Die Andersartigkeit dieses Krimis fängt schon damit an, dass er nicht mit einem Mord anfängt. Der Brückenkopf zu einem durchgehenden Spannungsbogen wird erst auf Seite 30 gesetzt. Und mit der ersten Schilderung eines Mordes nimmt der Autor seine Leser auf den Arm. Man findet auch nirgends die absichtsvoll burschikose Sprache der Krimiautoren. Der Sprachduktus ist anspruchsvoll, gelegentlich direkt dichterisch. Es geht auch nicht um die tollste neue Variante in der Ausführung eines Verbrechens, sondern um Altbekanntes.

Zudem wird die Tat, um die es zu gehen scheint, nicht direkt geschildert, sondern als Geständnis oder Phantasie oder Erinnerung oder Wunschdenken – was wirklich, bleibt offen – von der Hauptperson auf der Ledercouch seinem Psychotherapeuten erzählt. Sprachlich geschickt gemacht: Es bleibt alles im Bereich des Möglichen. Es steht auch kein komischer oder schrulliger Ermittler im Mittelpunkt, gerade dass einmal ein Kripobeamter bei dem Uni-Assistenten vorbeischaut und seinen Wagen mitnimmt. Das Ergebnis der Untersuchung des Wagens kommt irgendwann in einem Nebensatz. Schließlich bringt das Buch die Aufklärung des Falles nicht in dem üblichen Verhör, dem triumphalen Sieg des Guten über das Böse, des überlegenen Ermittlers über den nur vermeintlich so schlauen Täter, sondern bloß versehentlich, und zwar in einem wissenschaftlichen Gespräch mit der sich daran anschließenden Überlegung des Protagonisten, was ihm jetzt Schlimmes widerfahren werde. Zuletzt sei noch erwähnt, dass das Buch auch sein Happy-End hat, allerdings ein anderes als von den Hauptfiguren angestrebt. Insgesamt also ein wohltuend anderer Krimi, ein ernstzunehmender.
(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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