Hängt ihn höher

(Hang ’em High, USA 1967, 110 Minuten, Regie: Ted Post)

Ein Mann, der den Galgen überlebt, mit einer schrecklichen Narbe um den Hals von dem Erlebnis gezeichnet, das ist schon einen Western wert, in diesem Fall aber nur die Vorgeschichte und der Ausgangspunkt. Der schuldlos an den Strick Gebrachte ist wild entschlossen, die Männer umzulegen, die ihn beinahe getötet hätten. So trifft er auf den allmächtigen und völlig überforderten Richter in der Distrikthauptstadt, den einzigen Richter weit und breit. Der erkennt die besonderen Fähigkeiten des Mannes, befreit ihn von seinen Fesseln und macht ihn zum Sheriff. Der Richter spekuliert darauf, daß das ungeheure Rachebedürfnis des Mannes seinem richterlichen Ordnungsdenken dienen wird. Doch der Neu-Sheriff tritt schon bei seinen ersten Schritten viel zu provozierend auf und erschießt – in Selbstverteidigung – einen Unschuldigen. Er gibt das Geld für die Beerdigungskosten und wird etwas vorsichtiger in seinem Auftreten. Kein Wort mehr, keine Miene verzogen. Als er eine Gruppe von Viehdieben und Mördern eingefangen hat, muß er erdulden, daß der Richter trotz seiner Vorhaltungen keine Unterschiede macht und auch die beiden noch jugendlichen Mitläufer zum Tod durch den Strang verurteilt. Schließlich spürt er die letzten drei der Clique auf, die ihn aufgeknüpft und später auch noch niedergeschossen hatte. Aber er denkt gar nicht daran, sie dem Richter auszuliefern, sondern erledigt sie einen nach dem anderen selbst. Nur der letzte, der Anführer, entzieht sich seiner Rache, indem er sich selbst erhängt.

Was hier als Western auftritt, ist eine Parabel des Vorgangs, der immer und überall stattfindet, wo das allgemeine Chaos allmählich in eine staatliche Ordnung überführt wird. Insofern die zeitlos und weltweit gültige Illustrierung eines soziopolitischen Vorgangs. Geht es doch um die Ablösung des Faustrechts durch den Anspruch des Staates auf einen geordneten Strafvollzug, also um die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols gegenüber der persönlichen Rache. Hier auf der einen Seite repräsentiert durch einen gereiften Gebildeten, zivil gekleidet und mit vielen Büchern im Regal hinter sich, und einen jungen, kampfstarken Revolverheld mit Narbenschmuck auf der anderen Seite. Schön gezeigt: Der eine wie der andere ist kein perfekter Vertreter seiner Spezies, sondern driftet auch schon einmal in die gegnerische Funktion ab. Der Richter kümmert sich im Einzelfall nicht um berechtigten Einspruch, wenn er nur seinen Sechsergalgen wieder voll besetzt kriegt und mit der Simultanhinrichtung ein Volksfest veranstaltet werden kann. Und der Revolverheld greift in die richterliche Tatbewertung ein, versucht sich in Schuldabwägung, wenn auch erfolglos, worüber er sich nur in den Armen einer Prostituierten trösten kann.

Über allem schwebt das immer wiederholte Gerede von Gerechtigkeit. Dabei geht es doch nur um die mühsame Durchsetzung von staatlichem Recht. Und daß Recht nicht mit Gerechtigkeit deckungsgleich ist, daß es Gerechtigkeit – wenn überhaupt – nur im Himmel gibt, wird nicht gesagt. Der Film will ja nicht aufklären oder zumindest nachdenklich machen, er will nur aufregende Unterhaltung mit einer Heldenfigur bieten. Und das schafft er, wenn auch nur die eine der beiden  sich gegenüberstehenden Heldenfiguren dieses Films die Zuschauer begeistert, natürlich die gestrige, nicht die morgige. Eine Konzession ans Kinopublikum.

Deshalb kann man es hinnehmen, daß der Filmtitel bei der Übersetzung unsinnig wurde. Weiß man doch nicht, wer höher gehängt werden soll. Zudem bedeutet ein Höherhängen im Deutschen stets ein Aufwerten. Ja, man sollte sie wirklich höherhängen, nicht ihn, sondern sie: die Rechtsordnung.

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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