Die Stunde der Komödianten

(The Comedians, USA 1967, 140 Min., Regie: Peter Glenville)

An einigen Einzelschicksalen und einem laienhaft gestarteten Umsturzversuch wird ein schockierendes Bild gezeichnet von den Verhältnissen in dem karibischen Inselstaat Haiti unter dem Terrorregime von Francois Duvalier, genannt Papa Doc, der von 1957 bis zu seinem Tode 1971 als Diktator sein Land und sein Volk ausbeutete. Er stützte sich dabei vor allem auf die von ihm gegründete Privat-Miliz Tonton Macoute, einige tausend Männer mit  Kadavergehorsam, Sonnenbrillen und Gewehren und ohne alle Skrupel. Und er genoß wie so mancher andere Diktator die wohlwollende Duldung und heimliche Unterstützung von Seiten Washingtons, weil er ein Bollwerk gegen den Kommunismus zu sein schien. Immerhin ist auch das in dem Film gesagt worden. Fast möchte man sagen: Hollywood probte den Aufstand.

Der Film, noch während der Regierungszeit von Pap Doc in die Kinos gebracht, spart weder an Filmmetern noch an Brutalität oder Starhonoraren. Eine Spitzenbesetzung: Sir Alec Guinness, Elizabeth Taylor, Richard Burton und Peter Ustinov. Und er ist auch vom Drehbuch her etwas Besonderes. Denn der renommierte britische Romancier Graham Greene (1904-1991) war sich nicht zu schade, selbst das Drehbuch zu diesem Film zu schreiben, und zwar nach seinem 1966 erschienenen Roman „The Comedians”. Er wußte offenbar, daß man den Filmleuten mißtrauen muß, weil sie überm Schwelgen in schönen Bildern und in Atmosphärischem dazu neigen, das Wort und den guten Gedanken unter den Tisch fallen zu lassen. Und die Filmleute wußten, daß sie mit Graham Greene kein Risiko eingingen, weil der Romancier filmmäßig zu schreiben pflegte. Auch waren schon Erfolgfilme wie „Orientexpress”, „Der dritte Mann” und „Unser Mann in Havanna”  nach seinen Romanen gedreht worden. Das Ergebnis der Kooperation ist ein vom Bild her höchst eindrucksvolles Werk, das sich nicht scheut, den Personen Worte in den Mund zu legen, die nachdenklich machen.

Hier handelt es sich also um einen exemplarischen Fall von politisch engagierter Literatur. Daß dieses Engagement nichts genützt hat, weil dem Diktator 1971 sein Sohn Baby Doc folgte, der seinem Vater an Brutalität und Korruptheit in nichts nachstand, mindert nicht den Wert von Roman und Film. Beider Wert wird vielmehr dadurch unterstrichen, daß sie auch noch Jahrzehnte später so aufrüttelnd wie unterhaltsam sind. Ein schönes Stück Unterhaltung vor allem durch die Hauptfigur, den Hotelier, der keine Gäste mehr für sein großes Haus findet, es aber auch nicht verkaufen kann. Eine Type, mit der man sich identifizieren kann, ein Mensch nach dem Spruch: Wer ewig strebend sich bemüht, den können wir erlösen. Wobei das Wie offenbleibt.

Die Kombination von E und U, die so selten gelingt, hier ist sie Literatur- und Filmgeschichte geworden. Auf den Kunstgriff, den Greene dazu angewendet hat, weist der Titel hin. Greene hat nicht die Übeltäter in den Mittelpunkt gestellt und nicht das Übel, das sie anrichten, er hat sich auf einen Nebeneffekt konzentriert: Auf das Komödie-Spielen als Überlebenstechnik. Damit hatte er ein zeitlos gültiges Thema. Daß das Spielen-Müssen im Film unnötigerweise direkt ausgesprochen und sogar noch diskutiert wird, ist zwar schade, aber der Film kann sich als ein Medium für die Massen nicht mit Andeutungen bescheiden: Steingut für den Alltagsgebrauch statt Meissener Porzellan.

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