Der Postmann


(Il Postino, Italien 1994, 108 Min., Regie und Drehbuch: Michael Radford, nach dem Roman “Mit brennender Geduld” von Antonio Skármeta)

So schön kann Kino sein. Der berühmte chilenische Dichter Pablo Neruda flieht vor der ihm wegen seiner politischen Aktivität drohenden Verhaftung und kommt auf ein süditalienisches Eiland, wo er zusammen mit seiner attraktiven Ehefrau im allerabgeschiedensten Abseits lebt. Dass er täglich Post in Mengen erhält, vor allem von Verehrerinnen, ist kein Problem für ihn oder seine Frau, wohl aber für die örtliche Poststelle.

Eigens für den berühmten Gast Neruda wird ein Aushilfsbriefträger eingestellt. Das ist die Chance für den 17jährigen arbeitslosen Mario. Der neue Briefträger ist wie der  Adressat der Briefe ein Kommunist, und doch ist das nicht die Basis, auf der sie zusammenkommen. Das sind vielmehr Nerudas Liebesgedichte. Der schüchterne junge Briefträger lässt sich von Neruda in der Kunst des Dichtens unterweisen und missbraucht schließlich sogar ein Gedicht des verehrten Meisters dazu, das Mädchen Beatrice zu becircen. Und das mit Erfolg. Großzügig fungiert Neruda bei der Hochzeit der beiden als Trauzeuge.

Pablo Neruda darf in seine Heimat zurückkehren. Als er einige Jahre später noch einmal auf das italienische Eiland kommt, begegnet ihm der kleine Sohn der beiden, den sie ihm zu Ehren Pablito genannt haben. Doch endet damit auch schon der Zauber der Poesie, der über diesem Film liegt. Neruda ist schwerkrank, und der Briefträger darf als Kommunist den Kontakt mit ihm nicht wieder aufnehmen. Bei einer Demonstration kommt Mario ums Leben.

Eine Männerfreundschaft, die einem unvergesslich bleibt. Zwei Gesichter, Philippe Noiret als Pablo Neruda und Massimo Troisi als der Aushilfsbriefträger Mario, der einen Tag nach der Fertigstellung des Films an Herzversagen starb. Die beiden begegnen sich in diesem Film wie zwei Sterne im All, die so verschiedenartig sind, wie man nur sein kann, sich aber durch die Berührung immer ähnlicher werden. Doch geschieht diese Veränderung einseitig. Für den Hilfsbriefträger führt sie zum erstrebten Glück, für den Dichterfürsten bleibt sie eine winzige Episode in seinem erlebnisreichen Leben.

Diese gemütvolle Geschichte zeigt Dichtung mal als Mittel zum Zweck, Dichtung mal in der politischen Arena, Dichtung mal als Schicksal und Dichtung als Attitüde des Weltmannes. Ein poetisch gemachter Film lässt einige Facetten der Poesie aufscheinen und weist damit über sich hinaus.

Antonio Skármeta, der 1940 geborene chilenische Schriftsteller dalmatinischer Abstammung, ein begeisterter Anhänger Salvador Allendes, hatte seinen Roman „Ardiente Paciencia“, der 1984 in deutscher Übersetzung von Willi Zurbrüggen („Mit brennender Geduld“) in München erschien und viele Auflagen erlebte, bereits 1983 als Regisseur selbst verfilmt. Internationalen Erfolg erntete aber erst das Film-Remake von Michael Radford.

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