Der geteilte Himmel

(Der geteilte Himmel, DDR 1964, 110 Minuten, Regie: Konrad Wolf, Drehbuch: Christa Wolf, Gerhard Wolf, Konrad Wolf  u. a. nach dem gleichnamigen, 1963 erschienenen Roman von Christa Wolf).

Der Film beginnt mit einer doppelten Brechung des Erzählvorgangs. Erst heißt es: Das ist wie im Roman, dann heißt es: Es war ein Traum. Einstimmung auf eine filmische Gestaltung, die als künstlerische Umsetzung von Literatur gedacht ist. Entsprechend irritiert tastet der Zuschauer zunächst einmal die Bilder ab. Und diese Irritation wird, ob absichtlich oder nicht, ist die Frage, aufrechterhalten durch die nur schwer zu unterscheidenden Typen, die neben den Hauptfiguren die Handlung bestimmen, d.h. neben der Studentin Rita, die in ihren Ferien  im VEB Waggonbau Ammendorf arbeitet, dem frisch promovierten Chemiker Manfred, ihrem Freund, und dem relegierten ehemaligen Meister in der Waggonfabrik, dem alten Meternagel. Alle anderen sind graues Einheitsmaß, und daß sie sich in ihren Sprechblaseninhalten unterscheiden, ist unerheblich. Die Hohlform der Sprechblase bleibt sich immer gleich. Das Personal des realen Sozialismus ist von einer geradezu aufregend uniformen Belanglosigkeit. Wohl doch eher versehentlich so dargestellt statt absichtlich.

Der Plot ist schnell erzählt: Die stille, süße Rita liebt den jungen Doktor der Chemie, Manfred. Der liebt sie ebenfalls, lebt aber für seine Entdeckung eines neuartigen Produktionsprozesses, von dem die Oberen nichts wissen wollen. Der ungerecht behandelte ehemalige Meister Meternagel genießt die Sympathie der Studentin Rita und versucht, durch eine freiwillige Erhöhung der Arbeitsnorm seine Rehabilitierung zu erzwingen.

Ergebnis: Manfred „macht rieber“ nach West-Berlin, um weiterzukommen, Meternagel wird wieder Meister, Rita besucht ihren Freund in West-Berlin, entscheidet sich aber dafür, nicht mit ihm im Westen zu bleiben, und bricht in der Waggonfabrik zusammen. Der Himmel der Liebe ist geteilt, nicht durch die bereits 1961 von Ulbricht erbaute Berliner Mauer, die der Film weder zeigt noch erwähnt, sondern durch die entschiedenere Ernsthaftigkeit der Studentin und Werktätigen Rita.

Also ein banaler DDR-Propagandafilm. Und nicht einmal wie die Nazi-Propagandafilme mit Perfektion glänzend, so daß man über die Tendenz hinwegsehen könnte. Da hilft auch nicht, daß mit einigen schön dichterischen Zitaten aus dem Buch auf Veredelung gemacht wird. Selbstverständlich mußte dem DDR-Publikum vorgelogen werden, man könne so einfach zwischen Ost und West hin und her fahren und sich dann für den Osten entscheiden. Wer’s glaubte, wurde selig. Wer unter einer Diktatur lebt, muß seinen Weg zum Überleben finden. Da muß man für manches Verständnis haben. Viel mehr stören die handwerklichen Fehler des Films, von der verkorksten Besetzung mit kaum unterscheidbaren Typen bis zu dem schlechten Ton. Und wenn der Zuschauer beim Ende eines gutgemachten Films sagt: Schade, daß es nicht weitergeht, hat er hier schon zweimal gesagt: Ach, ich dachte, der Film wäre zuende. Das zweimalige Nachhaken macht die Sache nicht besser, – nur länger.

Dabei bringt auch der Film genau wie das Buch ein paar kritische Hinweise auf DDR-Verhältnisse. So zeigt er den Tag, an dem die Waggonbauer untätig herumsitzen müssen, weil kein Material geliefert wurde. Und er präsentiert den führenden Parteifunktionär, den ignoranten Vater des jungen Chemikers, der in großbürgerlichem Wohlstand lebt und keinen Blick hat für die Lebensmittel, die seiner Frau von ihrer Schwester im Westen als „Päckchen nach drüben“ geschickt worden sind.

Das heißt, die Autorin hat dafür gesorgt, daß ihr Film genau wie ihr Buch für zwei deutsche Märkte geeignet ist. Ein Erfolgsrezept, das jahrzehntelang wichtig war, weil es im innerdeutschen kulturellen Wettbewerb Überlegenheit gab, und das mit Nachhaltigkeit. War doch der ostdeutsche Markt für die westdeutschen Buchautoren und für die westdeutschen Filmemacher gesperrt. Nur die Autoren und Filmemacher der DDR konnten in beiden deutschen Teilstaaten ankommen. Und das Rezept war ja so simpel: Die DDR-Führer müssen sich über Propaganda für ihr Land freuen dürfen, – daß noch nicht alles perfekt ist, sagen sie selbst -, die westdeutschen Medien müssen sich an den paar kritischen Hinweisen auf Fehler im sozialistischen Alltag delektieren dürfen. Diese Methode, durch ein wenig Marginalkritik am grundsätzlich bejahten Sozialismus hüben wie drüben akzeptabel zu erscheinen, war erfolgreich. Wie Christa Wolf, so haben Dutzende im Westen hochgerühmten DDR-Künstler dieser doppelzüngigen Sprechweise ihre Erfolge zu verdanken. Erfolge, die in Einladungen, Lesungen, Diskussionsrunden, Besprechungen, hohen Auflagen und Literaturpreisen bestanden und in einem Übergewicht, gegen das kaum ein westdeutscher Autor ankam.

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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