Der ganz große Traum

(Der ganz große Traum, D 2011, 109 Minuten, Regie: Sebastian Grobler, Drehbuch: Philipp Roth und Johanna Stuttmann)

Ein Film, zwar etwas länger als ein Fußballspiel, aber auch nicht mehr. Er schildert die Startschwierigkeiten des jungen Englischlehrers Konrad Koch an einem Gymnasium in Braunschweig in der Zeit des Deutschen Kaiserreichs. Der Lehrer war drei Jahre in England und bringt von dort einen Fußball mit. Um die Untertertia, die er unterrichten muss, für Englisch zu motivieren, greift er zu dem Mittel Fußballspiel. Er macht die Jungen mit den englischen Begriffen des Spiels vertraut und lässt sie das neue Spiel zunächst in der Turnhalle, dann auf einer abgelegenen Wiese üben, auf der sie provisorische Tore aufbauen. Dabei nutzt er den Vorteil des Mannschaftsspiels, um den Jungen ein Zusammengehörigkeitsgefühl sowie den Begriff Fairplay beizubringen.

Damit gelingt es ihm, den dicken und entsprechend unbeweglichen Sohn eines Fabrikanten von Medizinbällen zu ungeahnter Beweglichkeit und daraus resultierender Anerkennung sowie neuem Selbstbewusstsein zu bringen. Den Kleinsten der Klasse, Sohn einer alleinstehenden Fabrikarbeiterin, der nur immer der Proletarius genannt wird, lässt seine Geschicklichkeit im Fußballspielen über seine Rolle als Hackhuhn hinauswachsen. Und der Klassensprecher, Sohn eines reichen und einflussreichen Geschäftsmannes, wird mit seiner Ablehnung des neuen, unkonventionell arbeitenden Lehrers zum Außenseiter, der erst spät sein Paulus-Erlebnis hat. Zunächst wird der Proletarius der Schule verwiesen, dann muss der neue Lehrer um seine Entlassung bitten. Doch als aus Berlin eine Regierungsdelegation kommt und das erste Fußballspiel vor Publikum miterlebt, die Untertertia gegen eine britische Besuchergruppe, das ist im Jahre 1874, ist der Widerstand der Konservativen gebrochen.

Der Filmtitel „Der ganz große Traum“ wird im Film nicht umgesetzt. Der unkonventionell arbeitende Lehrer hat keinen Traum, er hat nur Probleme mit den Kollegen, dem Pfarrer und mit städtischen Größen, die keine Neuerungen zulassen wollen. Den Lehrer Konrad Koch hat es tatsächlich gegeben, allerdings ist er nie in England gewesen. Doch das erste Fußballspiel auf deutschem Boden soll wirklich 1874 in Braunschweig stattgefunden haben. Was für eine wichtige Information! Quizfreunde aller Länder aufgepasst! Trotzdem blieb Fußball in vielen Teilen Deutschlands noch lange verboten, in Bayern sogar bis 1927, wie der Film im Nachspann mitteilt. Das Urteil der Deutschen Film- und Medienbewertung ist eindeutig: Prädikat besonders wertvoll.

Dabei ist der Film mehr als nur simpel gemacht: Der Hausmeister der Schule heißt zufällig Kaiser, das Bild von Kaiser Wilhelm I. fällt in der Wohnung des Lehrers mehrmals von der Wand. Der Lehrer wird von der Mutter des Proletarius als Nackedei überrascht, der mit dem Kaiserbild seine Blöße bedecken muss. Das soll junger deutscher Film sein? Das ist Bauerntheater, aber keine moderne Filmkunst. Immerhin unterhaltsam.

So weit, so gut. Wäre da nicht die durchgehend plumpe Verhöhnung Deutschlands als menschenverachtender Obrigkeitsstaat und die ebenso durchgehende Verherrlichung der britischen Fairplay-Wesensart. Dies ohne eine einzige Bemerkung zu den in England noch viel schlimmeren Zuständen in den Fabriken wie in den Schulen, von dem Militarismus der Kolonialmacht und Beherrscherin der Weltmeere ganz zu schweigen.

Nun ist abwertende Kritik eine Haltung, die ein Filmemacher einnehmen kann. Das Recht muss man ihm lassen. Denn das ist seine Privatsache. Dass diese Haltung aber mittels Steuergeldern an die Öffentlichkeit gebracht wird, macht nachdenklich. Der Film wurde finanziert, wie der Nachspann sehr kurzatmig verrät, mit Unterstützung durch den Medienboard Berlin-Brandenburg in Potsdam, die Filmförderungsanstalt Berlin, den Deutschen Filmförderfonds in Berlin, die Filmförderung Hamburg-Schleswig-Holstein in Hamburg, die Stiftung Kuratorium Junger Deutscher Film in Nordrhein-Westfalen, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien-Förderung in Berlin und den Nordmedia Fonds in Hannover und Bremen. Da ist die Frage unvermeidlich: Was für Blindgänger sitzen in diesen Institutionen, die unser Geld in derart drastische Rufschädigung investieren?
(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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