(O Melissokomos, Griechenland/Frankreich/Italien 1986, 140 Min., Regie: Theo Angelopoulos, Buch: Tonino Guerra, Dimitris Nollas, Theo Angelopoulos)
Der als Schilderer seiner griechischen Heimat und als politisch engagierter Interpret ihrer Geschichte bekannte Filmemacher Angelopoulos auf Abwegen? Nichts mehr mit Historie, nichts mehr mit herrlich südlichen Landschaften. Dieser Streifen, das Mittelstück seiner Trilogie des Schweigens (1984-1988), ist eine Orgie in Tristesse.
Das fängt schon an mit der Hochzeitsfeier, bei der weder die gerade Vermählten noch deren Eltern noch die ganze popelige Verwandtschaft sich zu einem Lächeln aufraffen können. Der Brautvater, aus seinem Beruf als Dorfschulmeister ausgestiegen, steigt in seinen Kleinlaster, der mit Bienenkästen beladen ist, und fährt los, um wieder zum Beruf seiner Vorfahren zurückzukehren. Damit beginnt ein Road Movie der ungewöhnlicheren Art. Nichts von der Freiheit des in die Weite Ausgreifenden, nichts von atemberaubender Bindungslosigkeit, von dem Allzeit-Bereit fürs Abenteuer, vom Rausch der Geschwindigkeit. Ist für den Bienenzüchter auf dem Weg zu südlicheren, hoffentlich schon in Blüte prangenden Landschaften, doch nur eine Frage von Bedeutung: Wo kann ich meine Bienenvölker ausschwärmen lassen? Der Imker als der Herr über viele Millionen und als ihr Knecht. Der erste Diener seiner Völker. Alle Sorgfalt kann nur ihnen gelten.
Nur konsequent, daß der Mann auf dieser Fahrt nach Süden, dem Frühling entgegen, nichts Schönes sieht, daß er in schäbigen, billigen Absteigen übernachtet, daß er die junge Streunerin, die sich einfach in seinen Wagen gesetzt hat, beinahe wortlos und blicklos duldet. Er sorgt für Kühlung der Trachten und notiert Tag für Tag den Zustand der Kästen sowie die Transportverluste. Er trifft bei seiner tagelangen Fahrt auf alte Bekannte, auch auf eine seiner Töchter, dann auf seine Frau, die sich nach Athen abgesetzt hat. Begegnungen, die ihn kaum berühren, als hätte ihn der Imkeranzug perfekt von der Außenwelt abgeschirmt. Die Welt läßt sich das gefallen. Nicht so die junge Streunerin. Sie ist zwar mehr an jungen Burschen interessiert, doch die Gleichgültigkeit des Bienenzüchters läßt sie nicht ruhen. Und sie schafft es schließlich, in ihm eine gewisse Anhänglichkeit zu wecken. Und auch mehr. Der unbeholfene Kopulationsversuch auf der Bühne eines aufgegebenen Kinos, das Gezappel vor der leeren Leinwand, ist offensichtlich für Cineasten als der Höhepunkt des Films gedacht. Ist jedenfalls filmreife Tiefensymbolik: Die Bilder verblassen hinter der Wirklichkeit. Der alte Imker zelebriert jedoch für sich selbst einen anderen Höhepunkt, als er schließlich am Ziel ist, die Kästen in blühender Landschaft verteilt aufgestellt, wie Grabsteine auf einem aufgelassenen Friedhof. Da zeigt der Bienenknecht sich als der Herr der Bienen. Er wirft die Kästen um und läßt die Immen erregt ausschwärmen, wild über ihn herfallen und ihn mit ihrem zigmillionenfachen Gesumm in den Tod begleiten.
Man muß unterstellen, daß ein politisch engagierter Filmemacher wie Theo Angelopoulos sich wohl überlegt hat, warum er diese Parabel vom Volk und seinem Herrscher erzählt? Also darf man das Fazit ziehen: Der ursprüngliche Marxist hat sich mit diesem Film von der Wahnidee der Revolution als der Mutter allen Fortschritts losgesagt.