Das Frühstück im Grünen

(Le Déjeuner sur l’herbe, F 1959, 90 Min., Drehbuch: Jean Renoir u.a., Regie: Jean Renoir)

Ein Alterswerk des großen Filmemachers und Autors. Was schon ein wichtiges Kriterium ist. Denn ähnlich wie der „Felix Krull“, das Alterswerk des großen Schriftstellers Thomas Mann, ist es eine als leichter Spaß daherkommende Satire auf seine Zeit. Es scheint, als ob erst ein von Altersweisheit und Abschiedsbereitschaft verklärter Blick der wahre Blick auf unser Leben sein könnte. Um so mehr ist es berechtigt, sich ernsthaft auf den scheinbaren Spaß einzulassen.

Da wird die erste aller Geschichten, die von Adam und Eva im Paradies, neu geschrieben. In ihrem Garten Eden, hier ein Picknick im Grünen, tritt Adam als ein steif-ernsthafter Wissenschaftler auf, der nur ein Thema kennt: Die künstliche Befruchtung, die beim Menschen genauso praktisch und segensreich sein könnte, wie schon lange beim Vieh. Doch dann erkennt er in einem unbeschwert fröhlichen und süß-natürlichen Landmädchen seine Eva. Die verehrt ihn wegen seiner großartigen Diktion, von der sie kein Wort versteht, und überzeugt ihn – ohne alle Worte – von der Überlegenheit der traditionellen Befruchtungsmethode.

Wie das in Szene gesetzt wird, das kann und muß man mit dem Wort malerisch umschreiben. Denn Renoir läßt die Zuschauer ein Ambiente erleben, das an die naturverliebten Bilder seines Vaters Auguste Renoir wie auch an das berühmte Gemälde „Frühstück im Freien“ des Malerkollegen Edouard Manet erinnert. Die Kamera malt so farbenfroh und sinnlich, daß man den Duft des Paradieses einsaugen zu können glaubt. Was es einem leicht macht, über „Störendes“ hinwegzusehen oder es einfach zu überhören: Daß da Autos und Motorroller durch den Wald schnüren statt wilder Tiere, daß von der Atombombe die Rede ist, daß Frauen und Mädchen in Uniformen strammstehen und daß mit Gewalt und Entführung gegen den Wissenschaftler vorgegangen wird, als es mit Bestechung allein nicht klappt.

Das sind die Probleme, die großen Themen vom Ende der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Das, was die Menschen von damals umtrieb. Hier alles von gnädigem Grün überdeckt. Und von der allerersten aller schönen Verführungen. Und die Natur, sie hat sich ja auch durchgesetzt: Eva ist von Adam geschwängert worden. Ein glücklich erwartungsvolles Paar. Was dabei herauskommt, was schon mit Kain und Abel anfängt und schiefgeht, nun, das kennt man ja. Da bietet nicht einmal der Pan mit seiner Flöte einen Trost. Der eine Mythos wie der andere, er bleibt nur schöne Vorstellung.

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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