Comedian Harmonists

(BRD 1997, 124 Min., Regisseur Joseph Vilsmaier)

Man nehme eine Schar guter Schauspieler, ein paar frivole Schlager, die längst Ohrwürmer sind, einen Sound, der Musikgeschichte gemacht hat, ein bißchen Liebe und menschliches Zerwürfnis, dazu Geld und Glamour sowie einen weltbekannten Markennamen und passiere das Ganze, gut verrührt, durch das politisch-zeitgeschichtliche Sieb, fertig ist der grandiose Erfolgsfilm.

Er versetzt seine Zuschauer und Zuhörer in wohlige Schauer, wenn sie an die Not der 30er Jahr erinnert werden. Weltwirtschaftskrise und hohe Arbeitslosigkeit. Wer kann da nicht nachfühlen, wie man nach ein bißchen Glück und Erfolg giert. Da gilt alle Sympathie dem jungen Musiker, der in Berlin per Zeitungsannonce Sänger für eine Musikgruppe sucht, die nach Art der amerikanischen Barber-Shop-Sänger auftreten soll, die also perfekte Solisten sein müssen, die a cappella singen können. Die üblichen Schwierigkeiten des Anfangs: Hunger, Kälte und endlose Monate des Probens ohne Gage. Endlich der erste Auftritt und ein voller Erfolg. Und bald schon ein berauschtes Schweben von Konzert zu Konzert im In- und Ausland. Die erste Boygroup ist mit ihrem besonderen Sound nahe am Diskant und dem Komikerauftreten eine Weltsensation.  Dann aber kommen die Nazis mit ihren Judengesetzen, verbieten weitere Auftritte und zerstören damit die Gruppe, die zur Hälfte aus Juden besteht.

Keine Frage, der Film Comedian Harmonists bietet perfekte Unterhaltung. Einer von den großartigen Filmen auf der Folie der Nazi-Diktatur. Er steht gleichwertig neben den Büchern über diese Zeit, die bis heute immer noch neue Aspekte und neue Konstellationen präsentieren. Ein Zyniker könnte fragen: Wieviel würde der Literatur, wieviel würde dem Spielfilm fehlen, wenn es das Dritte Reich nicht gegeben hätte?

Oder ist das vielleicht ganz falsch gesehen? Um bei diesem Film zu bleiben: Wäre die Gruppe nicht auch auseinandergebrochen, wenn die Nazis nicht ihren Judenwahn entwickelt hätten? In Kenntnis so vieler Zerwürfnisse in Musikgruppen, so vieler heftig bedauerter Trennungen der letzten Jahrzehnte keine ganz abseitige Überlegung. Zumal in diesem Film selbst, die bekanntgewordenen tatsächlichen Verhältnisse eher untertreibend, einiges an Schwierigkeiten innerhalb der Gruppe aufgezeigt wird, das im persönlichen Bereich lag. Das Schlingern entlang der Sollbruchstelle Frau, die wechselseitigen Egozentrik-Vorwürfe und Ohrfeigen legen die Vermutung nahe, daß die vom plötzlichen Wohlleben und Ruhm überforderten ehemaligen Habenichtse auch ohne Druck von außen bald auseinandergedriftet wären. Vielleicht ohne diesen Druck sogar noch eher?

Die Hinweise in dieser Richtung sind der eigentliche Wert dieses Films, weil sie das Geschehen auf die höhere, die menschliche Ebene hieven, über das Zufällige der politischen Konstellation hinaus. Daß auch dem Regisseur die menschliche Ebene die wichtigere war, verrät er in einer Einstellung aus dem Amerika-Auftritt der Gruppe. Beim Konzert auf einem amerikanischen Kriegsschiff sieht ein US-Offizier einen schwarzen Matrosen tadelnd an, als der sich von den Melodien der Comedian Harmonists zu einer gelockerten Haltung hinreißen läßt. Damit erklärt der Film den Rassismus zu einem überregionalen Problem. Womit der Kinogänger aufgefordert ist, hinter die Kulissen zu schauen und die menschlich-allzumenschliche Seite der im Film geschilderten Katastrophe zu durchdenken.

Dieser Beitrag wurde unter Filmbesprechungen veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.