Narziss – und das Glück im Bild

Book Cover: Narziss – und das Glück im Bild
Editionen:Paperback: € 14,50 EUR
ISBN: 978-3-947404-37-7
Seiten: 352

Das sagt der Autor zu seinem Buch:

Mit diesem abenteuerlichen Künstler- und Liebesroman wird ein urmenschliches Phänomen in den Fokus genommen: unsere Selbstverliebtheit. Die tobt sich heute ja unübersehbar in der allgemeinen Selfie-Begeisterung aus.

Ich belasse es aber nicht einfach bei Spott über diese Marotte. Vielmehr lasse ich in diesem Rokoko-Roman einen der Urväter der Selfie-Mode wiederaufleben, nämlich den deutschen Miniaturporträtisten Freiherr Christoph Adam Carl von Imhoff. Der Mann, der mit Lupe und Einhaarpinsel Gesichter festgehalten hat, für Medaillons und Amulette, Ringe und Tabakdosen. Ein Künstlerleben, dargestellt anhand von dessen Tagebuchnotizen und Briefen. Also alles authentisch. Imhoff ist für uns bisher der große Unbekannte in Goethes Freundeskreis. Dabei war er ein bewundernswerter Selfmademan, in London sogar zum Maler der Königin aufgestiegen und dann in der britischen Kolonie Indien so geschickt, dass er in wenigen Jahren zum stinkreichen Krösus wurde. Wofür er allerdings seine schöne junge Frau eintauschen musste.

Heimgekehrt mit allen Taschen voller Geld, hat er sich dann in Mörlach nahe Nürnberg das Schloss seiner Wünsche gebaut, in dem er seine zweite Frau geheiratet hat   ̶  und unglücklich wurde. Das Schloss steht noch prächtig da, doch fehlte bisher der Schlossherr, der sich im Schlosspark als Statue hatte verewigen wollen. Diese Romanbiografie, die auch ein echtes Stück Kolonialgeschichte ist, ersetzt mit der spannenden Schilderung eines höchst abenteuerlichen Künstlerlebens bei hemmungsloser Verschwendungssucht jede in Stein gemeißelte Großartigkeit Imhoffs.

 

Leseprobe

 

1.

Wie er so alleingelassen und reglos dasaß in der beinahe kerkermäßig karg möblierten Gästekammer, sah er ihn wieder vor sich, den schrumpelkrummen Seemann mit dem dicken Goldring am Ohr.

Ha, wie verwundert der Mann war über meine Frage, wieso er so teuren Schmuck trägt, wenn er sich nicht einmal Schuhe leisten kann. Aber dann die freundliche Antwort, die mich vor Schreck stumm werden ließ.

Wie hätte ich das ahnen können. Dabei habe ich so viel erlebt, dass es für mehrere Leben gereicht hätte. Jetzt empfinde ich all das als Ballast. Einen Haufen lästiger Erfahrungen schleppe ich mit mir herum. Viel zu viel für einen einzelnen Menschen. Bin ich doch immer nur der eine Mann geblieben. Der angestaunte und beneidete. Für die einen ein Vorbild, für andere nur zum Kopfschütteln oder zum Verdammen. Ja, so oder so, dabei habe ich was geleistet. Und ob! Ich habe Großartiges geschaffen. Ich bin eine Berühmtheit, wenn die Welt das auch noch nicht weiß.

Er versuchte es mit Selbstlob, der Herr von Imhoff. Es blieb ihm ja nichts anderes übrig, weil die paar Menschen, mit denen er noch zu tun hatte, überhaupt nichts Lobenswertes mehr an ihm fanden. Für sie war er erledigt. Er lebte doch bereits wie scheintot.

Aber er konnte noch hochschnellen wie ein Fisch auf dem Trockenen: Mir vorzuwerfen, ich hätte meine erste Frau für einen Haufen Geld an einen hochrangigen englischen Politiker verkauft, und meine zweite Frau hätte ich nur geheiratet, um an ihre Mitgift zu kommen. Diese Gemeinheit. Üble Verleumdungen, die ich nicht auf mir sitzen lassen werde. Nicht meine Frauen sind Opfer, ich bin das Opfer. Dabei habe ich so vielen Menschen dazu geholfen, stolz auf sich selbst zu sein, dass ich mich mit Fug und Recht als Wohltäter der Menschheit bezeichnen dürfte. Habe ich doch mit meinen Miniaturporträts allen Narzissten den Spiegel geboten, auf dem sie sich selbst bewundern konnten. Und das tausendfach. Wunderschöne Abbildungen haben sie mir zu verdanken. Bilder, mit denen sie Bewunderung einheimsen konnten. Und sich bei ihren Mitmenschen im Herzen und in der Erinnerung festkrallen. Mensch sein heißt ja, ein Bild von sich selbst zu haben. Nur das unterscheidet uns von den Tieren. Immer sind wir auf der Suche nach dem eigenen Bild. Und wollen das dann auch in andere Köpfe bringen. In möglichst viele Köpfe. Dabei konnte er nur noch kraftlos hecheln: „Das allein ist jedoch nicht genug. Ist ja bloß das äußere Erscheinungsbild.“

Aber auch das, so drehte sich das müde Rädchen in seinem Kopf weiter, auch das reicht nicht. Zum Menschsein gehört wohl mehr. Ganz sicher auch das Daran-Denken, dass man jederzeit am Ende seines Lebens angekommen sein kann. Der Tod, ja, der Tod läuft lebenslang als unser Schatten neben uns her. Und je länger unser Leben, umso länger unser Schatten, wie von der Abendsonne uns rücksichtslos angeleimt.

Er schloss die Augen: Ich sollte mich nicht mehr mit so was abplagen. Ich habe die Welt verbessert, indem ich sie mit meiner Kunst beschenkt habe. Meistens gegen viel zu geringes Honorar. Damit habe ich beinahe selbstlos gehandelt. Dabei bedeutete mir Geld alles. Doch manchmal habe ich nicht für Geld gemalt, viel lieber für die Küsse und Umarmungen, die schöne Frauen mir als Belohnung geboten haben. Zarte Lippen, weiche Arme und warme Busen, das war die Zauberkraft, die mir die Hand geführt hat. Leider viel zu selten.

Ja, all die Schönen. Zweimal war ich ein verheirateter Mann. Ich galt zumindest als ein solcher. Bei der ersten Frau, meiner Marian, weil ich Seit an Seit mit ihr lebte, obwohl wir nie geheiratet hatten. Trotzdem wurde ich von ihr in aller Form geschieden. Meine zweite Frau, die Louise, habe ich feierlich geheiratet, obwohl wir dann doch nur selten Seit an Seit, weil sie andere Männer - ach, was beschäftigt mich das jetzt noch? Ich habe die Scheidungsklage eingereicht, werde also bald nichts mehr mit ihr zu tun haben. Louise ist schon fast so ferne Vergangenheit wie Marian. Und wie all die anderen Schönen.

Und was ist mit der Kunst, die man immer von mir erwartet hat? Mit dieser Artistik auf hohem Seil? Malen mit Storchschnabel, Lupe und Einhaarpinsel? Ach ja, die hohe Kunst. Ich habe für sie gelebt und war doch nicht der ihre. Immer wieder habe ich sie gespürt, diese unerträglich gewordene Diskrepanz: Das Kunstwerk, das ist zwecklos, aber die Kunst, die Malkunst, sie diente bei mir doch nur meinem Lebensunterhalt – und auch meinem Ich. Aber jetzt ist Schluss damit.

Inzwischen sind die Doktores meine häufigsten Gesprächspartner geworden. Das liegt an dem Geld, das sie bei mir zu riechen glauben. Mein gutes Geld, das sich längst verflüchtigt hat. Die Ärzte meinen, jetzt hätte ich eine Million von Warren Hastings bekommen. Die Narren. Ist der reiche Herrscher von Bengalen, mein einflussreicher Freund und Förderer Warren, dem ich dafür meine Frau überlassen musste, doch selbst in größter Not, kaum dass er aus Ostindien zurück ist. Dabei war er viel klüger als ich, auch nicht so geldgierig wie ich.

Aber die Ärzte riechen an mir wohl auch schon den Modergeruch, den mein hinfällig gewordener Körper ihnen in die großen Nasen schickt. Ihr Gerede von angewachsenen Lungenflügeln sagt mir nichts. Ohnehin haben sie kein Mittel dagegen. Zwar tun mir die kalten Bäder in der Isar gut, die sie mir als tägliche Übung verordnet haben. Doch ist bei mir nichts mehr mit täglich. Ich will mich auch nicht auf ihre Kunstfertigkeit verlassen und lieber selbst für mein Weiterleben sorgen. Ja, das ist jetzt das einzig Wichtige.

Mein Entschluss steht fest: Ich werde gegen die falschen Beschimpfungen angehen, werde der Wahrheit zu ihrem Recht verhelfen und mir damit ein Weiterleben im Gedächtnis der Nachgeborenen schaffen. Von heute an nicht mehr diese Quälerei mit Wasserfarben, die sich nicht im Zaum halten lassen. Genug fremde Gesichter angestarrt und gemalt, jetzt geht es nur noch um mein Leben. In wie vielen hundert Bildern habe ich Leben festgehalten, immer wieder anderes fremdes Leben. Jetzt ist die Zeit gekommen, mein eigenes Leben in die Ewigkeit zu transportieren. Aber nicht im Bild, sondern Schritt für Schritt beschrieben. In wohlgesetzten Worten wiederbelebt und für immer festgehalten. Ja, damit treibe ich mein Leben auf die Spitze.

Endlich geht es nicht mehr um Geld. Nein, es geht um viel mehr. Ich mache mich unsterblich. Bin ich doch dahinter gekommen, dass ich selbst der einzige Zweck meines Leben bin. Der Nachwelt sei hiermit gewidmet, was ich im Folgenden als meinen Lebensbericht zu Papier bringe.

Und schon schrieb der Herr von Imhoff los, mit energisch geschwungener Gänsefeder und etwas zu viel Tinte:

Vorbemerkung vom 8. August 1788. Ich wohne seit drei Monaten hier in München bei meinem Freund, dem Kaffeesieder Giovanni Pietro Sarti im Hofgarten. Ich sitze in meiner Kammer an einem kleinen Tisch und schreibe. Vor mir an der Wand sehe ich das goldglänzende Kruzifix, das ich vor Tagen dort angebracht habe, nachdem ich vom protestantischen zum katholischen Glauben übergetreten bin. Eine Zäsur, die sein musste, weil ich jetzt Ernst machen will mit meinem Leben. Das schöne Kreuz ist ein Geschenk des hiesigen Gemeindepfarrers zu meiner Aufnahme in den Schoß der allein selig machenden römisch-katholischen Kirche. Vielleicht wirklich Gold? Vermutlich nicht. Sieht wohl nur so aus, wie das meiste goldglänzend Schöne.

Dabei rückte Imhoff schon seinen Stuhl zurecht. Als wollte er noch einmal ein Selbstporträt machen. An dem kleinen Tisch sitzend, auf dem das Papier lag. Auf einmal wieder den Zeichenstift in der Hand. „Hinter mir die kahle Wand mit dem goldenen Kruzifix, das dann neben meinem Kopf leuchtet, so hell, so lebhaft“, gab er sich selbst die Arbeitsanweisung.“  ̶  Und ließ den Stift auf das Papier fallen.

Mit dem Seufzer: „Ach, ich habe ja nicht einmal mehr einen Spiegel“, rückte er seinen Stuhl energisch wieder herum, griff nach der Gänsefeder, die er in das Tintenfässchen tauchte, und schrieb:  

Wie glücklich der weise alte Priester war, dass ich, der Freund des berühmten Dichters Johann Wolfgang von Goethe, ja, so titulierte er mich, den Weg zurück zum rechten Glauben gefunden habe. Einer der hell glänzenden Planeten, die sich in Weimar um die Sonne Goethe geschart haben, wie er das ausgedrückt hat. Als ob der Pfarrer in dem gotterbärmlich kleinen Residenzstädtchen Weimar gute Zukunftsaussichten erkennen könnte für seine Kirche. In der Hoffnung auf –

Oh, verdammt, jetzt macht mir beim Schreiben wieder die rechte Hand Schwierigkeiten, die ein wenig angeschwollen ist. Das passt mir nun gar nicht. Aber das Gerede der Ärzte, dieses Symptom zeige ihnen, dass ich an Brustwassersucht leide, und deswegen müssten sie mich einer Operation unterziehen, das kann ich nicht dulden. Ich weiß, woran ich leide, nämlich am Altern. Bin ich doch schon über die Fünfzig hinaus. Immer nur alt und älter zu werden, das ist der Fluch der uns von der Geburt an begleitet. Und so was nennt man Leben. Das Altern lässt mich spüren, wie ich in zwei Personen zerfalle: Mein Denken, Träumen, Wünschen, alles so lebhaft wie immer, aber eingesperrt in einen Körper, der nicht mehr mitmachen will. Ein gleichzeitiges Hü und Hott, das mich zerreißt. Und dem die Ärzte nicht beizukommen vermögen. Aber jetzt geht es um Wichtigeres. Deshalb habe ich schon vor Mittag die studierten Herren mit den bombastischen Begriffen energisch rausgejagt. Zum Schreiben braucht man Ruhe. Also:

Erstes Kapitel. Wie jeder Große, der auf sein Leben zurückschaut, komme auch ich nicht darum herum, zuerst einmal den Kleinen, den Neuankömmling, darzustellen. Beginne ich also mit dem unvermeidlichen Vorgeplänkel meines eigentlichen Lebens: Geboren auf Gut Mörlach bei Hilpoltstein am  ̶   

„Wie? Was? Muss das sein?“  ̶ 

Verflucht, jetzt hat Sarti mich mit einer üblen Überraschung unterbrochen. Heute Abend kommt ein Dutzend seiner Verwandten aus Italien zu ihm, die mit ihm seinen Geburtstag feiern wollen. Das sei nicht geplant gewesen, sagt er. Und das glaube ich ihm auch. Er will das überhaupt nicht, doch muss er jetzt mitmachen, weil er der Geehrte ist. Eine ganze Woche lang soll sacra famiglia gefeiert werden. Deshalb muss ich, obwohl krank und ziemlich hilflos, mein Zimmer freimachen und mich in die geräumige Abstellkammer zurückziehen. Der letzte freie Platz für mich.

Nur vorübergehend, wie der Cafetier mir versicherte. Immer wieder: „Nur vorübergehend, amigo mio! Aber nicht wegen nicht bezahlt.“ Und hat mir zum Ausgleich eine Bouteille Rotwein und ein schönes, hochstieliges Glas gebracht. „Aus Murano“, wie er litaneimäßig wiederholte.  

Damit war Imhoffs gerade erst begonnene Lebensbeschreibung abrupt beendet. Nur die zu Papier gebrachte Vorbemerkung und der eine, unvollendet gebliebene Satz wurden zu seiner Autobiografie. Als die kürzest mögliche Form. Noch kürzer geht’s doch nur, wenn die Niederschrift des Lebensresultats schon im Stadium der Absicht stecken bleibt, was wohl bei den meisten Rückblicken auf das eigene Leben der Fall ist. Lauter Windeier.

2.

Christoph von Imhoffs Lebensbericht endete so peinlich unspektakulär wie das, was im Jahre 1734, also nicht einmal ganze 54 Jahre zuvor, mit drei Freudenschüssen in die Herbstluft genauso peinlich spektakulär gefeiert worden war, nämlich die Geburt des dritten Sohnes des Freiherrn Christoph Albrecht Carl von Imhoff. War das doch eine total übertriebene Begeisterung für den kleinen nackten Balg, der eben erst angekommen war. Weil dieses gerade begonnene Leben fast immer ein Problem sein würde. Aber auch großartig. Nur, wer hätte bei dem kleinen Schreier und Scheißer schon was von kommender Großartigkeit ahnen können?

Veröffentlicht:
Verlag: Salon Literatur Verlag
Genres:
Rezensionen:Elke Barker bei Mannheimer Morgen am 26.01.2024 schreibt:

Ruprecht Frieling aka Prinz Rupi, Berlin 16. Dezember 2023 in www.literaturzeitschrift.de schreibt:

Ein Porträt verewige, und der Porträtist sei der geborene Verteidiger des Lebens gegen den Tod, schreibt von Imhoffs Biograf Walter Laufenberg. Zumal sei der in einem Bild Festgehaltene weniger gestorben als in jedem weiteren Augenblick seines Lebens, das doch nur ein allmähliches Absterben sei. (...)

Der auch durch die Online-Zeitschrift NETzine bekannte Autor Walter Laufenberg modelliert in seinem 345 Seiten starken Werk das Portrait einer Persönlichkeit, die in der Kindheit und Jugend den Ansprüchen des Vaters keineswegs genügte, und lebenslang versucht, der Familie zu beweisen, was er für ein toller und erfolgreicher Künstler sei. Dabei spielt Geld die Hauptrolle. Diese nahezu krankhafte Konzentration auf die Erfüllung des angeblichen Vermächtnisses seines Herrn Papa beflügelt seinen Narzissmus. Hier liegt Laufenbergs Ansatz für den Buchtitel: Die romanhafte Interpretation einer Künstlerpersönlichkeit, die ihr höchstes Glück darin findet, andere in ihrem eigenen Narzissmus zu bestärken, indem er sie porträtiert. In seinem Tagebuch notiert Carl von Imhoff, er wolle probieren, rechtschaffen reich zu werden, »damit ich nach meinem Tod nicht bald vergessen werde«. (...)

»Narziss und das Glück im Bild« von Walter Laufenberg ist eine packende Romanbiografie, wie man sie leider selten findet. Der Autor brilliert durch feinsinne Einsicht in die agierenden Charaktere, durch ausführliche Recherche, sprachlichen Reichtum sowie eine philosophische Tiefe, die nur ein langes und erfülltes Leben mit sich bringen kann. (...)

Doris Gsell-Urbanek, Triesen/Liechtenstein, 21. 12. 2023 schreibt:

Die grosse Geschichte besticht durch unendlich viele kleine. Vom väterlichen Gut Mörlach über ferne Länder bis letztlich im Umfeld des Wolfgang von Goethe gestrandet, nimmt der Roman "Narziss und das Glück im Bild" den Leser mit auf eine abenteuerliche Lebensreise, die ihres- gleichen sucht.

Der Porträtmaler ist ein Narziss in so ausgeprägtem Stil, dass seine Lebensgefährtin Mühe bekundet, seinen abstrusen Ideen zu folgen. Aber auch als Leser muss man manchmal leer schlucken, wenn bei seinem widersprüchlichen Handeln ein grosses Mass an Verständnis nötig ist.

Wunderbar beschrieben sind die Erlebnisse und Erfahrungen in der Fremde. Der monatelange Seeweg, auf dem die junge Familie zu einem Neuanfang des gemeinsamen Lebens nach Indien gelangt, gibt meisterhaft die Umstände einer Schiffsreise Ende des achtzehnten Jahrunderts wieder. Man spürt den Seegang, das Wetter, den Tagesablauf auf dem Segelschiff, die Menschen, die alle dieselbe Hoffnung haben, gesund ans Ziel zu gelangen. Und für die Imhoffs in ein neues Leben zu starten. Was dann auch zustandekommt, zwar lange nicht so wie erwartet.

Reich an Spannung, mit einer Fülle von menschlichen Ereignissen und zwischenmenschlichen Beziehungen, in herausragender Sprache, ist dieses Buch ein Stern im Laufenbergschen Oevre.

Libelle, am 23. Dezember 2023 bei amazon.de, schreibt:

Das Buch versetzt uns in die Zeit vor der Fotografie. Auch da wollten die (besser gestellten) Menschen kleine Porträts von sich haben, um sie an Freunde/Liebhaber zu geben, teilweise auch für ein Medaillon oder eine Schnupftabakdose, einen Ring oder ein Amulett. Im 18. Jahrhundert war das eine ausgesprochene Mode. Diese Mini-Bildchen wurden mit einem Einhaarpinsel gemalt. Einer dieser Porträtisten war Freiherr von Imhoff, dessen Lebensgeschichte dieses Buch erzählt.

Imhoff war aber nicht nur ein Künstler, der vor sich hinmalte, sondern vor allem ein geschickter Mister Moneymaker, der sich ohne jede Vorbereitung zum Dienst in der britischen Kolonie Ostindien verpflichtete und dort in wenigen Jahren ein reicher Mann wurde. Zwar wird immer noch behauptet, er habe dafür seine Frau an den britischen Gouverneur Indiens verkauft (was ihm heftige Vorwürfe seiner Zeitgenossen und der Historiker einbrachte). Aber in Wirklichkeit fand seine Frau den Briten interessanter und trennte sich nur zu gern von Imhoff, den der Autor recht kritisch betrachtet. Als Imhoff mit Taschen voller Geld heimkehrte, baute er sich in Mörlach bei Nürnberg ein Schloss und ging eine zweite (unglückliche) Ehe ein. Stolz war er darauf, zum Freundeskreis um Goethe zu gehören. Sein Vermögen aber hat er schließlich verloren.

Ein Abenteuer- und Liebesroman, gleichzeitig ein Stück Kolonialgeschichte, spannend von einem Kapitel zum anderen. Und mit viel Lebenserfahrung zwischen den Zeilen. Als Leser sieht man schließlich einen Menschen vor sich, der sich den Zwängen des Lebens fügt, seine Arbeit ernst nimmt, Chancen erkennt und nutzt, sich gern Vergnügungen hingibt, sich aber gegen Verleumdungen so wenig zu wehren weiß wie gegen seine Verschwendungssucht. Und letztlich scheitert.

Dr. Petr Simak, Ludwigshafen, 25. 1. 2024 schreibt:

Der Miniaturmaler Christoph Adam Carl von Imhoff, verliebt in sich selbst, egoistisch gegenüber seiner Frau, bemüht sich sein Leben lang, der beste Miniaturmaler seiner Zeit zu werden. Sein Beruf ist in der damaliger Zeit sehr gefragt (schlecht bezahlt), die "vornehme" Gesellschaft ist gierig nach dem eigenen Portrait, mit dem sie prahlen kann. Dank seinem Titel als Baron gelingt es ihm, in sog. höhere Kreise zu gelangen. Das Bürgertum hat sich schon immer vor dem Adel verneigt (auch heute). Die Anfänge seiner Laufbahn werden mit leichter Ironie beschrieben, aber die Kunst der Miniaturmalerei recht ausführlich. (...) Ein interessantes Buch, das durch die Beschreibung der Lebensverhältnisse von Imhoff auch das Leben im 18. Jahrhundert wiedergibt.


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