Goethe und Tschechow – Kühler Kopf und warmes Herz

Book Cover: Goethe und Tschechow – Kühler Kopf und warmes Herz
Editionen:Hardcover: € 20,00 EUR
ISBN: 978-3947373796
Größe: 14,60 x 21,90 cm
Seiten: 172
Kindle: € 12,99 EUR

Goethe und Tschechow – als Schriftsteller sind sie uns wohlbekannt. Die beiden Nationaldichter, die zu Recht auch heute noch die Bühnen der literarischen Welt beherrschen. Aber was für Menschen waren sie? In zwei kompakten Erzählungen blicken wir hinter die Kulissen der Applaus gewohnten Dichter. Wir verfolgen Goethes innerfamiliären Kleinkrieg mit der Trivial-Literatur seiner Zeit und wundern uns über Tschechows pfadfinderhafte Anstrengungen für eine bessere Welt: seine Exkursion auf die Sträflingsinsel Sachalin. Mit viel Augenzwinkern zeigt Laufenberg die Dichterfürsten als Menschen mit ihren Stärken und Schwächen. Geschichten, die so nah an der Wahrheit bleiben, dass sie die beiden Berühmtheiten in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen.

Veröffentlicht:
Verlag: Dittrich-Verlag, Weilerswist und Berlin
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Auszug:

DER ANFANG ALS LESEPROBE

Goethe versus Vulpius, Vulpius,
Vulpius und Vulpius

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Bewunderer, kommst du nach Weimar, verkündige dorten – nein, du brauchst nichts zu verkünden, wenn du vor den beiden Heroen Goethe und Schiller stehst. Und vor denen stehst du, weil du sie auf hohem Sockel vor dem Staatstheater findest, ob du sie gesucht hast oder nicht. Dann brauchst du nur die Augen nach oben zu verdrehen, denn diese beiden Großen repräsentieren die Stadt, die du zu betreten gewagt hast.
Ja, die beiden Herren sind die Stadt. So glaubt man zumindest in Weimar. Und auch andernorts. Du wirst dich diesem Glauben anschließen müssen, ob du magst oder nicht. So viel sei aber schon vorweg verraten: Dem Geheimrat Goethe hätte diese bronzene Darstellung von »Dichter-Heroen im Doppelpack« ganz sicher nicht gefallen.
Denn Goethe und Schiller, dieses Paar von Superautoren auf Tuchfühlung und überlebensgroß, mit Goethes Hand auf der Schulter des Kollegen, ein Duo, so erhöht und einsam vor dem Weimarer Theater, beide nach dem kleinen Lorbeerkranz vor dem Bauch grabschend, dieses Bild, Ehrfurcht heischend – es täuscht.

Johann Wolfgang von Goethe war kein Typ für den Paarlauf. Er war ein echter Künstler, und geben wir es doch zu: Künstler sind Egomanen, also Einzelkämpfer. Jeder Künstler strebt für sich den größtmöglichen Erfolg an Renommee und Einnahmen an. Dabei erscheinen ihm die Erfolge der anderen als Kuchenstücke, die ihm entgangen sind. Und weil man zu Lebzeiten noch nicht weiß und wissen kann, dass man einmal als der größte Künstler verehrt wird, lässt einen jedes so entgangene Kuchenstück nach neuen Erfolgen hungern. Das gilt ganz sicher auch für Goethe. War der doch schon von Kindheit an wie auch in seinen produktivsten Zeiten und noch als Greis eindeutig ein Solist. Er musste immer im Mittelpunkt stehen, und er musste stets der Größte sein. Was damals nicht gerade als schicklich galt. Aber nur so wurde er der Solitär der deutschen Dichtung. Unter dieser narzisstischen Eigenart Goethes hatten die Menschen, die ihm nahestanden, zu leiden. Charlotte von Stein, Friedrich Schiller, Bettine von Arnim und Marianne Willemer werde ich für diese Behauptung in den Zeugenstand rufen, obwohl diese vier in dem hier vor allem zu betrachtenden Kleinkrieg »Goethe gegen die Vulpiusse« nur auf Nebenschauplätzen aktiv wurden.

Die Lebenssituation des Großpoeten Goethe sah ganz anders aus, als das Weimarer Doppeldenkmal uns weismachen will. Schon dieses Seit-an-Seit auf Augenhöhe übertreibt. Galt das doch höchstens für eine sehr kurze Zeitspanne in Goethes ungewöhnlich langem Leben. Zudem waren in ihrer Zeit die beiden Heroen umwimmelt von Hunderten supereifriger Schreiber, von denen viele dem großen Publikum mehr bedeuteten als die später als unsere beiden Dichterfürsten Gefeierten. Da hätten also andere Dichter Anspruch auf den Bronzeguss gehabt. Ende des 18. Jahrhunderts, in der großen Zeit Goethes und Schillers, sollen in deutschen Landen gut 10.000 Menschen schriftstellerisch tätig gewesen sein. Mehr als ein Viertel von ihnen arbeitete in der Romanproduktion, ein Großteil auch fürs Theater. Da kratzten die Federn, da spritzte die Tinte in großen und kleinen Ortschaften, dass es eine einzige Freude war für die Leseratten. Die bekanntesten Romanschreiber hießen damals Gottlob Cramer, Heinrich Spieß, August Heinrich Julius Lafontaine, Karl Friedrich August Grosse und Heinrich Zschokke. Nie von gehört? Das glaube ich Ihnen. Daneben standen als die erfolgreichsten Bühnenautoren Friedrich Ludwig Schröder, Friedrich Justin Bertuch, August Wilhelm Iffland und August Friedrich Ferdinand von Kotzebue. Allein Iffland hat mehr als 70 Dramen auf die diversen Bühnen in deutschen Landen gebracht. Nur übertroffen von Kotzebue, der rund 230 Stücke auf die Bretter, die damals die Welt bedeuteten, gehievt hat. Daneben stand die beliebte Sparte der Reisebeschreibungen, in der sich vor allem Sophie von La Roche hervortat. Nicht zuletzt sei auch der Autor von begeistert aufgenommenen Reisebüchern genannt, der Vorläufer des amerikanischen Herumtreibers Mark Twain, nämlich der Edel-Herumtreiber Fürst Hermann von Pückler-Muskau. Alle längst weg vom Fenster, fast alle vergessen. Nicht so der sie alle überragende Bestsellerautor mit dem Namen C. A. V., erster Anwärter auf eine Bronzestatue in Lebensgröße. – Aber von diesem Autor soll erst später die Rede sein.

Zunächst einmal zu der Frage, wie es dazu gekommen war, zu dieser Massenschreiberei für den Tag und für den erwünschten Nachruhm – und fürs Vergessenwerden. Was sollte das? Mir scheint, das war so etwas wie die deutsche Gegenaufklärung. Die Nüchternheit der Aufklärung, die im 18. Jahrhundert den Leuten was fürs Leben zu geben versuchte, indem sie das Volk mündig machte, sie hatte den gegenteiligen Effekt gehabt. Die klugen und engagierten Aufklärer hatten mit ihren alles hinterfragenden Schriften zwar recht gehabt, dabei aber dem Leben allen bunten Putz heruntergerissen. Was Denker wie Gotthold Ephraim Lessing, Moses Mendelssohn und Immanuel Kant, um nur drei von vielen zu nennen, den Leuten zugemutet hatten, nämlich selbstbewusst nachdenklich und immer nur rational zu sein, das war im Alltag kaum auszuhalten. Die Leute fühlten sich durch diese radikale Aufklärung nackt und ausgeraubt. Sie brauchten dringend neue Kleider und für die Tagesbewältigung eine neue Farbpalette. War der Arbeitsalltag doch schon hart und kahl und grau genug. Die Menschen, die die Aufklärung erlitten hatten, sie sehnten sich nach aufregenden Erlebnissen und nach Helden, mit denen sie mitzittern und mitjubeln konnten, heute würden wir sagen: mit denen sie sich identifizieren konnten. Und genau das servierten dem lesefreudigen Publikum die meisten der 10.000 Schreiber, die für den Geschichtenbedarf der Leute arbeiteten. Was sie alles an buntem Treiben geschehen ließen, nicht nur in Fortsetzungsromanen von Zeitungen, sondern auch in gebundenen Büchern, in Kalendarien und anderen Geschichtensammlungen, in den gängigen und kuriosesten Periodika sowie in Erbauungsschriften, Flugblättern und Liedern, das brachte wieder Leben in den tristen Alltag ihrer Mitmenschen. Und manche von den vielen Schreibern hatten damit mehr Erfolg als die beiden Denkmalgrößen Goethe und Schiller zusammen. Weil sie dem Geschmack der einfachen Leute mehr entgegenkamen als die beiden.

Dabei ließen sich die neuen Schilderer des bunten Lebens von den großen Vorbildern anregen und sogar zu neuen Themen verführen. Schillers erste Veröffentlichung »Die Räuber« und Goethes erste Veröffentlichung »Götz von Berlichingen« hatten gezeigt, dass man mit ungewöhnlichen Stoffen und Figuren auf ein breites Interesse stößt. Dabei hatten beide Autoren ihre Stücke auf eigene Kosten drucken lassen müssen, weil die Verleger das Neue daran nicht erkannt hatten. Sowohl die »Räuber« als auch der »Götz« waren für ihre Gebärer zunächst Sorgenkinder. Doch hatten etliche Schreiber für den Alltagsbedarf, anders als die Verleger, das Neue und Besondere an diesen beiden Dramen sofort erkannt und es phantasievoll auf die Spitze getrieben. Raub und Totschlag, so hieß für sie nach Schiller und Goethe die Zauberformelzum Erfolg. Damit erzielten einige dieser Schreiber für den Massengeschmack prompt höhere Auflagen als die beiden Großautoren, hatten mehr Aufführungen in den Theatern, wurden mehr übersetzt und erhielten mehr Literaturpreise sowie allerlei Gunsterweise von den zahlreichen Fürsten und Fürstchen, die in deutschen Landen regierten und für ihr Prestige gerne Künstler förderten. Plötzlich waren da Leute als die neuen Lieblingsautoren – ohne Goethe und Schiller danken zu müssen – landauf und landab im Gespräch. Schon kurios, dass ausgerechnet das den ernsthaften Dichtern Schiller und Goethe abgeguckte Räuber- und Rittermilieu zum Familiensilber der Unterhaltungsliteratur wurde. Aber trotz dieser edlen Herkunft ihrer Themen sind heute all diese Wimmelautoren rund um Goethe und Schiller total vergessen. Selbst für die Literaturwissenschaft spielen sie keine Rolle, sind einfach abgetan als Produzenten von Trivialliteratur.

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Rezensionen:DAS SAGT DER VERLAG schreibt:

Walter Laufenberg hat in diesem Buch zwei Großautoren zusammengeführt, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Entsprechend unterschiedlich hat er die beiden Erzählungen gestaltet.

In der Erzählung mit dem Titel “Goethe versus Vulpius, Vulpius, Vulpius und Vulpius” schildert er, wie schnell der gerade erst nach Weimar gekommene junge Goethe in der spontan entstandenen Freundschaft mit dem jungen Herzog Karl August sich zum allmächtigen Verwaltungschef entwickelt.

Wie aus der Theaterloge beobachtet Laufenberg die beinahe lebenslange Auseinandersetzung Goethes mit drei Generationen der Weimarer Familie Vulpius. Und er lässt weitere Zeitgenossen auftreten, die dem Dichter das Leben schwer machen. Wann hat man Goethe je so bedrängt gesehen? Faszinierend, wie der Dichter und Staatsminister sich in allen Schwierigkeiten durchsetzt, wie geschickt er die bienenfleißigen Konkurrenten Christian August Vulpius und Friedrich Schiller ausbremst. Und wie er die ihm zugetanen Frauen Charlotte von Stein, Christiane Vulpius, Bettine von Arnim und Marianne Willemer aushungert. Das zeichnet ein Goethe-Porträt der unbestreitbaren Überlegenheit – aber ohne Goldrand.

In der Erzählung mit dem Titel “Tschechow zu Gast beim Doppelmörder” stellt Laufenberg das Buch “Die Insel Sachalin” vor, das Tschechow selbst als den groben Häftlingskittel in seiner belletristischen Garderobe bezeichnet hat. Dieser Bericht von der Wahnsinnsreise des lungenkranken russischen Autors auf die Gefängnisinsel Sachalin im äußersten Nordosten Sibiriens, 10.000 km von Moskau entfernt, schildert die unsäglichen Strapazen des Häftlingsweges und die schreckliche Strafe Katorga. Dahinter stand der völlig unverständliche Wunsch des jungen Autors, mit seinem Bericht das russische Strafsystem etwas humaner werden zu lassen – was er auch schaffte.

Auf Sachalin trifft Tschechow zufällig den Doppelmörder und ehemaligen Gardeoffizier Landsberg. Laufenberg bringt in dem Gespräch mit Landsberg und seiner Gefährtin, einer Baroness, ebensoviel Nichtgesagtes wie Gesagtes und lässt damit eine ungewöhnliche Mixtur von Anstand und Abscheu aufscheinen. So komplettiert er das Porträt des amüsanten Plauderers und Dramenautors Tschechow: ein Gutmensch und Sinnsucher.

DAS SAGEN DIE REZENSENTEN schreibt:

Unter der Überschrift “Nationaldichter als Protagonisten” schreibt Dr. Miriam Seidler im Juli 2022 in literaturkritik.de:

Johann Wolfgang von Goethe und Anton Pawlowitsch Tschechow waren unbestritten hervorragende Autoren. So ist ihr Werk nicht nur Gegenstand für literaturwissenschaftliche Untersuchungen, sondern auch Autorinnen und Autoren setzen sich immer wieder mit ihren Schriften auseinander. Nicht zuletzt beruht ihre Popularität auch auf solchen literarischen Texten, hat doch Bettina von Arnims halbfiktionales Briefbuch Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (1835) bei den Zeitgenossen großes Interesse gefunden (…) Dichtung und Wahrheit liegen in solchen Werken genauso eng beieinander wie in Goethes eigener Autobiographie. Diesem Muster, historische Quellen mit fiktionalen Elementen zu verbinden, folgen auch die beiden Erzählungen in dem Band Goethe und Tschechow. Kühler Kopf und warmes Herz von Walter Laufenberg.

Dreh- und Angelpunkt der Erzählung Goethe versus Vulpius, Vulpius, Vulpius und Vulpius ist (…) Goethes Verhältnis zur Familie Vulpius. Dieses wurde bereits von Sigrid Damm in ihrer Recherche Goethe und Christiane minutiös aufbereitet. Ist bei Sigrid Damm der wissenschaftliche Anspruch auch aufgrund der vielen historischen Quellen, die sie verwendet hat, unverkennbar, so wählt Walter Laufenberg für seinen Text die Gattungsbezeichnung Erzählung. Es besteht also kein Anspruch auf historische Korrektheit, stattdessen steht dichterische Freiheit im Vordergrund. Das Ergebnis kommt wie eine wissenschaftliche Untersuchung im narrativen Gewand einher, die versucht, die negativen Charaktereigenschaften Goethes unter anderem anhand seiner Beziehung zu seiner späteren Frau Christiane und deren mit seinen Unterhaltungsromanen sehr erfolgreichen Bruder Christian August Vulpius zu erzählen. Chronologisch wird Goethes rücksichtsloser Kampf für sein eigenes Werk und um die literarische Vorherrschaft in Weimar geschildert, der zugleich als Ringen um die Gunst der Leser zwischen Unterhaltungs- und Bildungsliteratur entworfen wird. Auch wenn dabei immer mal wieder ein verständnisvoller Blick auf die Arbeitsbelastung des Ministers geworfen wird, kommt Goethe als Mensch dabei nicht gut weg (…)

Die Geschichte Goethes mit der Familie Vulpius beginnt mit dem Registrator und Kopisten Johann Christian Vulpius. Goethe entdeckte kurz nach seiner Ankunft in Weimar in den Büchern der Bibliothek Unstimmigkeiten – entweder fehlten Bücher oder Gelder wurden unterschlagen. Verantwortlich gemacht wurde dafür der Registrator – auch wenn sich im Nachhinein herausstellte, dass diesen keine Schuld traf, war sein Ruf und der seiner Familie ruiniert. So gelang es auch seinem Sohn Christian August nur schwer, beruflich Fuß zu fassen. Erst durch das Bittgesuch seiner Schwester Christiane beim Minister Goethe wendete sich das Blatt. Christiane wurde zur Lebensgefährtin Goethes und dieser setzte sich für ihren Bruder Christian August ein. Ihm gelang der literarische Durchbruch Jahre später mit dem 1799 erschienenen Trivialroman Rinaldo Rinaldini, der Räuberhauptmann. Dieser Erfolg, so Laufenberg, schmerzte Goethe, weshalb er versuchte, Vulpius durch Beförderung vom weiteren Schreiben abzuhalten (… ) Die Geschichte lässt sich mit den Worten des Autors wie folgt zusammenfassen:
Den Namen Vulpius (…) hatte Goethe fast während seiner gesamten Weimarer Zeit im Kopf, also mehr als fünfzig Jahre lang, mal weiblich, mal männlich, mal alt, mal jung, mal liebevoll, aber meistens ärgerlich. Immer vulpiuste es um ihn herum. Der Name Vulpius war für ihn wie die Schattenseite des Mondes, fremd und düster (…)

Etwas anregender ist die zweite Erzählung Tschechow zu Gast beim Doppelmörder. Hier widmet sich Laufenberg der Reise des russischen Autors zur im Pazifik gelegenen Sträflingsinsel Sachalin im Jahr 1890. Dort will er die berüchtigte Strafe der Katorga untersuchen, eine nur in Russland bekannte Strafmaßnahme. Diese ist direkt nach der Todesstrafe angesiedelt und besteht aus Zwangsarbeit mit anschließender Ansiedlung für mehrere Jahre auf der Insel Sachalin bzw. in einem anderen Katorgagebiet. Die Schilderung der Reise sowie des Aufenthalts auf der sibirischen Pazifikinsel ist immer wieder durch Gespräche unterbrochen, die durch erzählende Passagen in erlebter Rede Einblick in Gefühle und Gedanken der Beteiligten geben. Damit erzählt Laufenberg die Leerstellen aus dem bewusst objektiv gehaltenen Bericht Tschechows aus, der auf Deutsch unter dem Titel Die Insel Sachalin im Diogenes Verlag erschienen ist. Ein besonderes Interesse liegt auf dem Besuch des Autors bei dem Doppelmörder Landsberg. Dieser hatte erhebliche Spielschulden und tötete den Geldverleiher Wasslow, als dieser ihn bei der Suche nach den Schuldscheinen überraschte. Die besondere Tragik der Geschichte bestand darin, dass Wasslow Landsberg die Schulden erlassen und ihn sogar als Erben einsetzen wollte. Das Aufeinandertreffen zwischen dem ehemaligen Offizier und Tschechow ist als Duell (…) gestaltet. Die Uneinsichtigkeit Landsberg in seiner Selbstdarstellung ist kaum zu überbieten:
Der Mann ist dreist, aber gar nicht so dumm. Dann muss er eigentlich auch den Begriff der Moira kennen, mit dem die Alten Griechen dieses vergebliche Ankämpfen gegen ein missgünstiges Geschick bezeichneten. Mal sehen, ob er da mithalten kann. „Ich bin Opfer des Schicksals“, stellte Landsberg mit einem gewissen Pathos fest, „ein Opfer wie Ödipus, der bekanntlich bei dem Bemühen, alles richtig zu machen, genau das Falsche tat. Sie wissen, er erschlug seinen Vater und schlief mit seiner Mutter, beides aus Unwissenheit. So machte ihn sein persönliches Schicksal zum Opfer. Die Alten Griechen wussten schon, was das Unvermeidbare, nämlich die Moira, ist.“

In der erlebten Rede wird das Duell ausgeführt, während in der direkten Rede die Höflichkeit gewahrt bleibt. Die sprachliche Gestaltung ist hier durchaus reizvoll. Die Umkehrung literarischer Motive und Themen ist allerdings so überspitzt, dass sie nicht entlarvend, sondern vielmehr komisch wirkt. Die Frage, warum der bereits an Tuberkulose erkrankte Tschechow diese beschwerliche Reise auf sich nimmt, ist immer wieder Gegenstand der Gespräche, wird aber am Ende nicht aufgelöst. Die erschreckenden Zustände auf der Sträflingsinsel sind auch heute noch schockierend. Der Versuch, einen entlegenen Landstrich zu besiedeln, ist zum Scheitern verurteilt. Die Schilderungen dieser Insel der Unmenschlichkeit sind beeindruckend, was allerdings weniger das Verdienst Laufenbergs als das Tschechows ist.

Der Untertitel des Bandes Kühler Kopf und warmes Herz beruht auf einer Bewertung des Sachaliner Inselkommandanten, der seinen Vorgesetzten in Moskau berichtet, dass von Tschechow keine Gefahr ausgehe: Er sei „nur ein Dichter, mehr warmes Herz als kühler Kopf.“ Der Gegensatz, den Walter Laufenberg aufmachen möchte, ist der zwischen dem eitlen Dichterfürsten Goethe und dem empfindsamen Kämpfer für eine bessere Welt Tschechow (…).

Elke Barker am 15. 7. 2022 im Mannheimer Morgen: schreibt:

Prof. Dr. Martin Laun, Ludwigsburg 26. November 2022 schreibt:

Das Buch “Goethe und Tschechow – Kühler Kopf und warmes Herz” habe ich gelesen, und es hat mich begeistert.

Dr. Götz Unger, Mannheim 30. 9. 2022 schreibt:

Das neue Buch habe ich regelrecht verschlungen und an einem Tag
gelesen. Es “menschelt” doch sehr in Walter Laufenbergs neuem Werk,
denn der Autor stellt uns zwei Titanen der Literatur von einer
äußerst menschlichen Seite vor. Abseits der literarischen Hauptsraße
gelingt es dem Verfasser, mit großem Sprachwitz die großen und
kleinen Bedürfnisse, Ängste, Ansprüche, Egozentrik, Stärken und
Schwächen beider Dichterfürsten darzustellen. Dabei begibt er sich
auf Seitenpfade, die man doch eher selten betritt. Geschickt versteht
es Walter Laufenberg, den Leser in das damalige Lebensgefühl zu
versetzen. Dies ist auch notwendig, denn nur so versteht der heutige
Betrachter das jeweilige Handeln von Goethe und Tschechow.
Literatur wird neu erschlossen, indem man dieDichter von ihrem hohen
Podest holt und sieht, dass auch sie nur Menschen sind, wenn auch
große, mit allen ihren Fehlern und guten Seiten zugleich.
Gerade die frische Sprache und die Beigabe von Anekdoten machen
das Buch zu einem reinen Lesevergnügen. Wer Goethe und Tschechow
von einer anderen Seite kennenlernen möchte, sollte dieses Buch
unbedingt lesen. Gerade jüngere Leser, denen das Verständnis für
ältere Sprache fehlt, werden so vielleicht neugierig auf “Faust” oder
“Ivanow”.
Dr. Götz Unger, Mannheim 30. 9. 2022

Dr. Dr. Tilo Johannes Barth, Mannheim 12. 9. 2022 schreibt:

Jetzt habe ich mir das 10-Minuten-Video (https://www.youtube.com/watch?v=rO1_IiqInX0) zu dem Goethe-Tschechow-Buch angesehen und muss sagen: Das ist eine kluge Vorstellung des Buches, sehr informativ und unbedingt überzeugend. Ein Genuss, dem Autor zuzuhören. Dieses Buch wird meine nächste Lektüre sein.

Guntram Erbe, Hilpoltstein 17. August 2022 schreibt:

So quicklebendig wie Goethe in Deinem neuen Buch daherkommt und dabei so hinterhältig und liebevoll von Dir durch sein Leben gewirbelt wird, habe ich mir in dieser Nacht mit Vergnügen zu Gemüte geführt. Hätte das Herr Goethe lesen können, hätte er sich aus lauter Notwehr ringsum geschmeichelt fühlen müssen.

Dr. T. Riester, Mannheim 7.8.22 schreibt:

Zuruf aus dem vorbeifahrenden Auto: Kompliment zu dem neuen Buch. Hat mich begeistert!

Doris Gsell-Urbanek, Triesen, Liechtenstein 26. Juli 2022 schreibt:

Die beiden Männer in einem Buch zu vereinen, die durch ihre Gegensätzlichkeit wohl nicht zu übertreffen sind, ist absolut faszinierend. Das Leben und Streben Goethes, in spannender Vielfalt und feinen Nebengeräuschen dargestellt, lässt den Leser nicht mehr los bis zur letzten Seite. Gegensätzlicher könnte die Tschechow-Geschichte nicht sein. Packend zu lesen und mitzuerleben, wie Tschechow in das Abenteuer eintaucht, in einer der unwirtlichsten Gegenden der Erde Menschen zu treffen, und wie er sich aufopfernd für sie einsetzt. – Dieses Buch ist in seiner Sprache und Erzählkunst eine wahre Schatztruhe. Ich bin sehr glücklich, es zu besitzen.

Ina und Armin Bassarak, 27. Juni 2022 bei amazon.de schreibt:

Ein Lesegenuss

Das Buch enthält zwei Erzählungen, eine über Goethe und eine über Tschechow, einen deutschen und einen russischen Nationaldichter. Der Titel der ersten Erzählung ist “Goethe versus Vulpius, Vulpius, Vulpius und Vulpius”. Dieser Titel ist sehr treffend, weist er doch darauf hin, dass Goethe im Laufe seines langen Lebens viel länger mit Mitgliedern der Familie Vulpius zu tun hatte als mit seinem Dichterkollegen Schiller, mit dem er gerade mal zehn Jahre verbunden war. Und darauf, dass seine Lebensgefährtin und spätere Ehefrau Christiane es eigentlich viel eher als sein Kollege Schiller verdient gehabt hätte, gemeinsam mit ihm auf dem Sockel des berühmten Doppeldenkmals in Weimar zu stehen. Die 91 Seiten dieser Erzählung sind eine höchst gelungene Beschreibung des gesamten Lebens des Dichters, die gegenüber “normalen” Goethe-Biografien zwei unbestreitbare Vorzüge aufweist: Erstens ist sie durch die vielen witzigen Anspielungen Laufenbergs auf Vorgänge der heutigen Zeit sehr vergnüglich zu lesen. Zweitens listet sie nicht einfach nur auf, in welchem Jahr Goethe was geschrieben hat, sondern sie stellt sein dichterisches Schaffen in den praktischen Kontext seiner jeweiligen Lebenssituation, so dass man nachvollziehen kann, warum Goethe in welchem Jahr was geschrieben hat. Laufenberg stellt auf überaus spannende Weise vielfache Zusammenhänge mit Goethes Freundschaft mit dem weimarischen Landesherrn Herzog Carl August, mit Goethes administrativer und forscherischer Tätigkeit, mit seinen vielfachen amourösen Eskapaden und mit seiner Konkurrenz zu dem Wirken von drei Generationen der Weimarer Familie Vulpius dar. Ganz besonders gewürdigt wird dabei seine Lebensgefährtin Christiane Vulpius, die Goethe achtzehn Jahre lang als bequeme Bettgefährtin, als Gebärerin seiner Kinder und zugleich als billige Haushälterin benutzte und sie erst heiratete und ihr dadurch endlich seinen Namen und seinen Adelstitel verlieh, nachdem sie ihn mutig vor der Bedrohung durch aufgeputschte französische Besatzungsoffiziere gerettet hatte.

Zu widersprechen ist allerdings Laufenbergs Darstellung aller Künstler als Einzelkämpfer und Egomanen (u.a. gleich auf der ersten Seite der Erzählung). Auf ihn selbst mag das ja vielleicht zutreffen. Aber man soll nicht immer von sich auf alle anderen schließen. Denken Sie dagegen an Künstler wie z.B. Orchestermusiker, die sich bei der Ausübung ihrer Kunst sehr diszipliniert um die Erzielung einer höchst präzisen Kollektivleistung bemühen. Dennoch ist die Lektüre dieser ersten Erzählung ein Genuss und kann den Leser auch dazu anregen, sich mal wieder mit einigen Werken aus Goethes Schaffen zu befassen.

Nach dieser spannenden Lektüre über Goethe erwartet der Leser/die Leserin nun wahrscheinlich einen gleichen Genuss von der etwas kürzeren Erzählung über Tschechow. Mit anderen Worten, man könnte vermuten, eine ähnlich vollständige Beschreibung von Tschechows Leben wie in der vorigen Erzählung über Goethe zu erhalten. Aber der Titel dieser Erzählung lautet “Tschechow zu Gast beim Doppelmörder”. Das lässt eher erwarten, eine Beschreibung der kritikwürdigen Zustände auf der russischen Gefängnisinsel Sachalin und von Tschechows diesbezüglichen Verbesserungsvorschlägen zu erhalten. Doch beide Erwartungen werden enttäuscht. Die Erzählung besteht fast nur aus der Beschreibung von Tschechows dreimonatiger Reise durch Sibirien, die durchaus interessant und angenehm zu lesen ist, sowie von seinen ersten beiden Tagen auf Sachalin. Seine dreimonatige Tätigkeit auf der Insel und seine Rückreise auf dem Seewege über Odessa nach Moskau werden jedoch nur ganz kurz auf zwei Seiten zusammengefasst. Und über die von Tschechow empfohlenen Verbesserungen des russischen Gefängniswesens erfährt der Leser nichts. So mag man sich am Ende des Buches fragen, welche Funktion diese zweite Erzählung nach der sehr gelungenen Lebensbeschreibung von Goethe in diesem Band überhaupt hat. Ging es etwa nur darum, Seiten zu schinden, da Goethes wunderbare Lebensbeschreibung für ein ernst zu nehmendes Buch sonst etwas dünn gewesen wäre? Oder besteht sie vielleicht darin, durch die Einbeziehung eines russischen Schriftstellers einen impliziten Bezug zum derzeitigen russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine herzustellen? Letzteres ist zumindest der Eindruck, den die Rezensenten gewonnen haben.

Libelle bei amazon.de 23. 5. 2022 schreibt:

Berechnung und Idealismus

Hier werden zwei mir – und bestimmt vielen anderen Lesern auch – unbekannte Aspekte aus dem Leben von Goethe bzw. Tschechow erzählt.

Goethe und seine Frau Christiane, bekanntlich eine geborene Vulpius, umgab ein ganzer Weimarer Vulpius-Clan, den Goethe durchaus als störend empfand. Vor allem die literarischen Erfolge von Christian August Vulpius, Autor eines Romans über den Räuberhauptmann Rinaldo Rinaldini (ein Bestseller mit höherer Auflage als Goethes Werke) wurmten Goethe nicht wenig. So verschaffte er dem Konkurrenten eine Stelle als Bibliothekar – und dieser hatte nicht mehr viel Zeit für seine schriftstellerische Arbeit. Sieh mal an: Der so hoch angesehene Dichter setzte kühle Überlegungen zu seinem Vorteil ein und war durchaus berechnend. Ganz ähnlich hat er übrigens auch Schiller kaltgestellt.

Tschechow hingegen war ein Menschenfreund. Wir erfahren, dass er mit 30 Jahren als Lungenkranker 1890 eine dreimonatige, strapaziöse Exkursion von Moskau quer durch Sibirien zur Sträflingsinsel Sachalin unternommen hat. Seine Absicht war es, die Katorga und die schlimmen Zustände auf Sachalin in Augenschein zu nehmen und bei den Verantwortlichen in Moskau für Besserung zu sorgen. Dabei machte er u.a. auch Bekanntschaft mit der „besseren“ Gesellschaft, die sich in durchaus nicht unbehaglicher Nachbarschaft zu den Sträflingen auf Sachalin etabliert hatte, wozu auch ein verurteilter Doppelmörder gehörte, der jetzt wieder als Kaufmann in einem schönen Haus seinen Geschäften nachgehen konnte.

Durch diese beiden Erzählungen bekommt man zwei klassische Autoren auf ganz besondere Weise nahegebracht.

Ursula Ott, Badenweiler 18. Mai 2022 schreibt:

Habe das neue Buch „Goethe und Tschechow – Kühler Kopf und warmes Herz“ schon gelesen und kann nur sagen: So was von informativ, spannend, unterhaltsam und bereichernd. Ich bin fasziniert und habe sofort zwei Exemplare zum Verschenken in der Buchhandlung bestellt.


ISBN 978-3947373796
Kategorie Zwei Erzählungen
Umfang 172 Seiten / Buch (Gebundene Ausgabe)
Verlag Dittrich-Verlag, Weilerswist und Berlin 2022
Preis 20,00 €
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Gesichter Australiens

Book Cover: Gesichter Australiens
Editionen:Paperback: € 16,00 EUR
ISBN: ‎ 978-3945961247
Größe: 12,00 x 20,00 cm
Seiten: 130

LESEPROBE

Es war 1988, als Australien das 200. Jahr der Besiedlung feierte. Das Jubiläumsjahr hatte mit dem Nationalfeiertag begonnen, dem 26. Januar, weil an diesem Tag im Jahre 1788 eine Flotte mit den ersten europäischen Siedlern da gelandet war, wo heute die Stadt Sydney ist.Die ersten Siedler, das hört sich an, als hätten sich Menschen entschlossen, einen unbewohnten Mond zu ihrer neuen Heimat zu machen. Dabei waren die sogenannten ersten Siedler bekanntlich vor allem britische Sträflinge, die möglichst weit abgeschoben werden sollten. Zu ihrer Bewachung abkommandiert kamen mit ihnen Briten, die sich nicht viel anders fühlten als die Verbannten. Weshalb sie sich damit hervortaten, die Ureinwohner, diese so ungewöhnlich anders aussehenden Aborigines, wie Freiwild zu behandeln. Denn Ureinwohner passten nicht in ihr Weltbild als Herrscher in einem neuen, rechtsfreien Raum. So die Überzeugung der weißen Eroberer von damals. Ein Weltbild, mit dem sich Australien bis heute abquält. Immerhin ist man um seine Überwindung bemüht.

Dieses zweifelhafte Großereignis, den Beginn der Eroberung eines neuen Kontinents vor zweihundert Jahren, galt es groß zu feiern. Wer ist man denn. Das Jubiläum wurde tatsächlich mit allem Pomp inszeniert. Und mit wohltönenden Reden, mit Musik und Feuerwerk und allerlei Ehrungen. Ich aber, ich habe das offizielle Feierprogramm des Jubiläumsjahres kühl beiseite gelegt und mich für keine einzige der vielen Veranstaltungen angemeldet. Ich wollte stattdessen die Menschen näher kennenlernen, die dieses problematische Jubiäum feiern konnten. Also die Menschen von gegenüber auf dem Globus oder von down under, wie sie selbst ihr Versteck auf der anderen Seite des Erdballs nennen. Also die Menschen unter uns, die – von uns aus gesehen – auf dem Kopf stehen. Dass ich bei meinem Besuch manches Mal den Eindruck haben würde, selbst auf dem Kopf zu stehen, das konnte ich ja nicht ahnen.

Veröffentlicht:
Verlag: edition karo
Genres:
Rezensionen:Lisa Meienhofer, Lausanne/Schweiz 20. 4. 2022 schreibt:

Das Buch von Walter Laufenberg gefällt mir. Er hat eine lässige und trotzdem sehr intelligente literarische Art, die Menschen, die Natur und Situationen zu beschreiben, manchmal Dinge, die man gar nicht beachten würde. Ausserdem ist er sehr sprachgewandt, clever, lustig, spritzig, poetisch und geht auf das Wesentliche zu in seinen Beobachtungen.

Doris Gsell-Urbanek, Triesen/Liechtenstein 9. April 2022 schreibt:

Die Idee, einen Kontinent zu erkunden, um die Vielfalt der Menschen, die ihn bewohnen, kennenzulernen und sie in den unterschiedlichsten Formen wahrzunehmen, ist in meisterhafter Sprache intoniert. Das ist ja nichts Neues bei Laufenbergs Büchern, und doch bin ich jedes Mal wieder fasziniert.


Verlag Edition Karo, Berlin, 2022
ISBN 978-3-945961-24-7
Umfang 132 Seiten, Klappenbroschur
Preis 16,00 €
Kategorie Reiseerzählung
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Der Dritte – Seine pränatale Biografie et cetera pp

Book Cover: Der Dritte - Seine pränatale Biografie et cetera pp
Editionen:Hardcover: € 18,90 EUR
ISBN: 978-3-947-404-29-2
Größe: 15,60 x 21,50 cm
Seiten: 320

So überraschend, wie die Chuzpe seines Vaters als Soldat und bei der Manipulation des von den Nazis geforderten Ahnenpasses, sind die intimen Gespräche des Autors mit seiner Mutter, die sich um seine Zeugung und Geburt drehen sowie um ihre Ehe und ihre Sexualität. Geständnisse in einer für die Mitte des verklemmten 20. Jahrhunderts ungewöhnlich offenen Art. Ein Familienroman, der statt der traditionellen chronologischen Erzählweise ein augenzwinkerndes Spiel mit den Perspektiven treibt. Scheinen dem Autor, jüngster Sohn in der Familie eines Eisenbahners und einer Schneiderin in dem rheinischen Provinzstädtchen Opladen, in den Fehltritten seiner Vorfahren doch Erklärungen zu stecken für seinen eigenen unordentlichen Lebenslauf.

Veröffentlicht:
Verlag: Salon Literatur Verlag
Genres:
Rezensionen:Literaturkritik.de zu diesem Buch am 1. Juli 2021 schreibt:

Der Janus der Familie
In der romanhaften Chronik „Der Dritte“ folgt Walter Laufenberg den Spuren seiner Vorfahren

Von Andreas Urban

Es gibt Dinge, die entscheiden sich mit einem simplen Münzwurf. In anderen Fällen ist das nicht ganz so einfach. Das gilt in mehrfacher Hinsicht für Der Dritte, die Familienchronik und Autobiografie von Walter Laufenberg.
Laufenberg kam in den 1930er Jahren als drittes Kind einer rheinländischen Familie auf die Welt. Und schon seine Zeugung war – so schildert er es am Anfang seines Buches – nichts für schwache Nerven. Besser gesagt: nichts für ordnungsliebende Gemüter. Denn der Vollzug der ehelichen Pflicht hatte in den Augen der Beteiligten bitte ordentlich über die Bühne zu gehen. Also mit Verhütung und ohne erneute Schwangerschaft. Doch das ging gründlich daneben und Walter Laufenberg erblickte das Licht der Welt. Als Dilemma seiner Familie macht Laufenberg in Der Dritte den kleinbürgerlichen Sinn für Ordnung aus, der zum Leitmotiv des Buches wird. Eine Ordnung, die sich in der Familie allzu häufig aufgrund von äußeren Nöten ins Gegenteil verkehrte. Mit dem Leitspruch dieses Buches, dass „nur die Unordnung […] genuin menschlich“ sei, gibt sich Laufenberg als deutlich entspannterer Zeitgenosse zu erkennen.
Bereits im Falle seines Vaters Jakob Laufenberg erwies sich ein Verstoß gegen die herrschende Ordnung als lebenserhaltende Maßnahme. Als dieser in den 1930er Jahren auf der Karriereleiter nach oben klettern wollte, verlangten die Nationalsozialisten einen Ahnenpass, der das Fehlen jüdischer Wurzeln nachwies. Nun ging dessen Mutter Maria jedoch aus einer außerehelichen Affäre mit einem jüdischen Mann hervor (ein ganz eigener Verstoß gegen die kleinbürgerliche Ordnungsliebe). Erst durch die Manipulation des Passes, die den Fehltritt seiner Großmutter unter den Tisch fallen lässt, ist die Familienexistenz gesichert (…).
Die Familienchronik von Laufenberg ist numerisch nicht strukturiert, lässt sich aber in drei große Erzählpartien plus Finale gliedern. Im ersten Abschnitt geht der Schriftsteller rund 100 Jahre in der Geschichte zurück und beginnt bei seinen Ururgroßeltern Johann Wagner und Anna, geb. Ditlinger. Dabei zeigt sich der Autor als souveräner Erzähler historischer Begebenheiten: Die kurzen Szenen folgen rasch aufeinander. Er taucht in die Arbeiterwelt im ärmlichen Saarland ein und wandert schließlich mit seiner Urgroßmutter Elisabeth auf deren Suche nach Arbeit weiter nach Paris. Hier heiratet sie zu Zeiten der Haussmannisierung den deutschstämmigen Nikolaus Eker und leistet sich die besagte Affäre, aus der Laufenbergs Großmutter Maria hervorgeht (…).
Die erste Erzählpartie dient vor allem der Schilderung des Arbeitermilieus, den sozialrealistischen Beschreibungen der „kleinen Leute mit ihren großen Problemen“. Da bleibt kein Blick für historische Momente oder ästhetischen Feinsinn. Als die Urgroßeltern weiterziehen, diesmal ins rheinische Köln, heuert Nikolaus bei der Dombauhütte an. Der entsprechende Kommentar ‚von unten‘ für den langen Dornröschenschlaf der gotischen Kathedrale – im Mittelalter begonnen, dann zunächst nicht weitergebaut – kommt von Elisabeth: „Schon immer hatten die Leute alle Hände voll zu tun mit ihrem alltäglichen Kram. Deshalb blieb der Cölner Dom dreihundert Jahre lang so halbfertig stehen.“
Den mittleren Block von Der Dritte bildet die Geschichte der Eltern Jakob Laufenberg und Agnes, geb. Neef. Hierfür variiert Laufenberg seinen Erzählstil. Die Erzählerstimme Laufenbergs tritt in den Hintergrund, das Buch gewährt Einblicke in die Briefe des Vaters, geheime Zeugnisse aus der Zeit des 1. Weltkrieges. Diese einzubauen ist clever. Durch den zeitlichen Rückgriff zeigt sich der Vater von einer ganz anderen Seite als bei seiner Einführung.
Anschließend kommt die Mutter zu Wort, und zwar in Dialogen mit dem Sohn Walter. Deren Form, einem Theatertext ähnlich den Namen vor die direkte Rede setzend, wendet Laufenberg im gesamten Buch an – mit hohem Reiz (…).
Der dritte Abschnitt erzählt von der Zeit nach der Geburt des Autors. Hier tritt Laufenberg selbst auf – doch nicht als reiner Berichterstatter, als der er sich selbst ankündigt. Denn auch Laufenberg erzählt von Episoden, die er nicht selbst erlebt hat (…).
Nach den drei Teilen folgt der – erzählerisch recht überraschende – Schlussakkord. Anlässlich der Goldenen Hochzeit von Laufenbergs Eltern in den 1980er Jahren kommt es zu einem Familientreffen und der Autor streut etwas Pathos als Pulsbeschleuniger in den Text. Tempo und Intensität werden nicht zuletzt durch die neu eingeführte Du-Perspektive erhöht. Das wirkt so, wie es klingt, nämlich etwas gekünstelt. Besser liest sich die Sammlung von inneren Monologen der anwesenden Familienmitglieder. Ein ganzes Konzert von Stimmen, das erzähltechnisch und formal vielleicht sogar die spannendste Partie des gesamten Buches ist (…).
In Der Dritte wird Laufenberg zum zweigesichtigen Erzähler, der – vom Punkt seiner Geburt an gerechnet – wie der römische Gott Janus in die Vergangenheit und in die Zukunft schaut. Damit wäre auch eine Erklärung für den Titel gefunden, der sich in zwei Hälften spaltet: In die „pränatale Biografie“ einerseits, die Geschichte der Vorfahren ab 1840, und in „et cetera pp“ andererseits, die Zeit ab Laufenbergs Geburt bis in die 1980er Jahre (…).
Der Dritte ist in vielen Teilen ein gut komponiertes und unterhaltsam geschriebenes Buch. Laufenberg beherrscht sein Handwerk. Dass jedoch lückenlos ein Rad ins andere griffe, lässt sich nicht behaupten. So hat das Janusköpfige der Erzählanlage leider auf das Buch abgefärbt. Kein eindeutiger Münzwurf. Eher zwei Seiten einer Medaille.

Die ganze Literaturkritik-Rezension von Andreas Urban vom 1. 7. 2021
(https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=28034)

Die Presse schreibt:

In Mannheim lebender Walter Laufenberg schreibt Roman über eigene Familiengeschichte

Mannheimer Morgen 14.6.2021
Von
Elke Barker

Walter Laufenberg kennt man, hat der in Mannheim lebende Autor doch bereits eine Vielzahl an Büchern, in erster Linie historische Romane, veröffentlicht. Mit „Der Dritte – seine pränatale Biografie et cetera pp“ wagt er sich an etwas Neues: einen „Familienroman, der statt der traditionellen chronologischen Erzählweise ein augenzwinkerndes Spiel mit den Perspektiven treibt“.

Vaters Kriegstagebuch, vor allem aber die Plauderstunden zwischen Mutter und Sohn bei Tee und Gebäck, gepaart mit der eigenen Erinnerung, waren dabei hilfreiche Quellen. Aus ihnen hat Laufenberg einen anekdotenhaften, jedoch nie oberflächlichen Roman komponiert, der eine stattliche Ahnengalerie und zuletzt sich selbst in den Blick nimmt.

Gleich der Beginn zeigt, in welcher Direktheit hier erzählt wird. So heißt es, als es um Laufenbergs Zeugungsakt geht: „Seine Mutter läuft über den kalten Flur zum Klosett. Ein Rennen gegen die Zeit. Das weiß sie. Ein Wettlauf mit diesen kleinen geschwänzten Wesen, von denen sie gehört hat.“ Und er selbst? „Ich war doch als Samen dabei. Ich war zwar noch kein Ich und doch schon damals der Schnellste, der Eroberer, der Sieger.“ An Selbstbewusstsein mangelt es nicht, das ließe sich auch an anderen Stellen belegen.

Laufenberg lässt seine Ahnen aufleben, macht sie anhand prägnanter Beschreibungen zu eigenständigen Charakteren. So führt die väterliche Linie von der Saar nach Paris zu Großmutter Maria Eker, bei der eine uneheliche jüdische Herkunft zu vermuten ist. Infolge des deutsch-französischen Kriegs muss sie 1870 mit ihren Eltern das Land verlassen und geht nach Köln, wo sie Jakob Laufenberg heiratet. Der gemeinsame Sohn wiederum, gleichfalls Jakob, ehelicht Agnes Neef, „dat Neefs Angnes“, womit wir bei Laufenbergs Eltern angelangt wären.
Mit rheinländischem Charme

Immer wieder treffen wir auf Kölner Binsenweisheiten: „Et bliev im Leven nix wie et wor“ oder „Et es wie et es“ beispielsweise, was ihm Lokalkolorit und Leichtigkeit verleiht, auch wenn die Thematik durchaus ernst sein kann. Man denke nur an den Einfluss der Weltkriege auf das Familiengeschehen. So kämpft der Vater im Ersten Weltkrieg und tritt in der Nazizeit aufgrund seines zweifelhaften Stammbaums sicherheitshalber der SA bei. Opa Laufenberg wird in einer Nervenheilanstalt umgebracht und Walter und seine Brüder kommen im Rahmen der Kinderlandverschickung nach Bayern, was ihnen zeitlebens in guter Erinnerung bleiben wird.

Der gebürtige Rheinländer plaudert sich mit dem Charme des „Kölschen Jung“ durch sein Werk – ob es sich dabei um die Liebesgeschichte seiner Eltern handelt, wie Agnes mit dem „Rama-Mädchen-Gesicht“ sich in Jakob verliebt, der ihr mit der Zither Liebeslieder spielt, oder seinen eigenen Lebenslauf: den des Nesthäkchens Walter, der Jura studiert, heiratet, sich löst von Frau und Kind und nach Berlin geht, um als Autor wirklich frei arbeiten zu können.

„Der Dritte“ ist ein ungewöhnlicher Familienroman, augenzwinkernd, ironisch und heiter, dennoch anspruchsvoll, weit mehr als pure Vergangenheitsbewältigung.

Roland Rauh, Wörth 29. 6. 2023 schreibt:

“Der Dritte”:
Einmal angefangen, legt man das Buch “Der Dritte” nicht mehr aus der Hand. Aus dem Leben, für das Leben – ein Buch voller Leben.

Thomas Kobert, Konstanz 11. Juni 2023 schreibt:

Betrifft: Buch “Der Dritte”:

Da ich auf der Leipziger Buchmesse auf Ihren Roman “Der Dritte” gestoßen bin und mir Herr Westner ein Rezi-Exemplar mitgab, möchte ich auch Ihnen den Link zu der Buchbesprechung geben. Ich hoffe, dass Sie der Inhalt erfreut, Ihr Buch hat mir viel Freude bereitet!

Ich habe meine Leseeindrücke nun auf meinem Blog veröffentlicht:

https://buchblogger24.de/franzosenleser/der-dritte-walter-laufenberg/

Darüberhinaus auf Instagram (@franzosenleser):

https://www.instagram.com/p/CtIFdy2Ik-Y/?utm_source=ig_web_copy_link&igshid=MzRlODBiNWFlZA==

Walter Zürrer, La Tour-de-Peilz, Schweiz 9. Dezember 2022 schreibt:

Übrigens habe ich Ihr Buch « Der Dritte » genossen und dabei natürlich geschmunzelt. Gewagtes und schwieriges Thema, aber gut gelöst – Bravo!

Dr. Armin Bassarak, Schildow 28. 6. 2022 schreibt:

Ihr Buch “Der Dritte” hat mir sehr gut gefallen. Bei der Pflanze mit den
heilsamen Blättern, von der Ihnen Ihre Mutter erzählte, ohne zu wissen, wie sie hieß, handelte es sich um eine Aloe Vera.

Dr. Horst Landau, Düsseldorf 12. 7. 2021 schreibt:

Wenn der Autor Walter Laufenberg ein Buch vorstellt, in dem er selbst vorkommt, darf man sich darauf verlassen, dass die geschilderten Sachverhalte weitestgehend authentisch sind. In dem neuen Roman „Der Dritte – Seine pränatale Biographie et cetera pp“ ist freilich bei aller sehr konkreten Wirklichkeitsnähe der Schilderung einer Familiengeschichte doch mancherlei Spekulation im Spiel – wie dies nicht anders möglich ist, wenn ein volles Jahrhundert überblickt werden soll. – „Dichtung und Wahrheit“ im goetheschen Sinne also und sehr vergnüglich zu lesen, obwohl brutale Einschläge des Schicksals keineswegs ausgespart bleiben.
Da ist also ein eigentlich nicht mehr geplanter dritter Sohn, zunächst verkörpert in einem Spermium, das unbedingt in die ihm bestimmte Eizelle will und durch eine ungeschickte Spülung der späteren Mutter noch einen „Schub“ erhält, der es antreibt und letztlich die potentielle geschwisterliche Konkurrenz besiegen lässt. Da der zeitweilige Priesteraspirant bald den Glauben an einen persönlichen Gott verlieren wird, sieht er sich gewissermaßen rückblickend gezwungen, die eigene Existenz bereits als Embryo in die eigenen noch unentwickelten Hände zu nehmen und sich zu fragen, was alles in einer exakten zeitlichen Abfolge geschehen musste, damit dieser dritte Sohn des Eisenbahners und der Schneiderin das Licht der Welt erblicken konnte. Da kommen ihm nun all die Ahnen in den Sinn, die – freilich unbewusst – zeugend zu den Voraussetzungen seiner Entstehung beigetragen haben. Er beginnt mit den Urureltern, 16 an der Zahl, und referiert das wenige, das seine Mutter ihm über diese und die folgende Generation zu berichten weiß. Bei den Großeltern und besonders bei den Eltern wird es dann konkreter und detaillierter; und bald ergänzen schon eigene kindliche Kriegserfahrungen von Bombennächten und Evakuierung die mütterlichen Erinnerungen sowie die sparsamen Ergänzungen des häufig abwesenden Vaters, die ja auch den ersten Weltkrieg umfassen,
Das Buch endet mit der Goldenen Hochzeit der Eltern samt gemeinsamem Chorgesang der Großfamilie („Großer Gott, wir loben Dich…“) und anschließend den – größten Teils gemutmaßten – inneren Monologen der einzelnen Familienmitglieder, angefangen mit dem 13-jährigen Enkel, der hofft, dass seine spätere Frau mal besser aussieht als die Großmutter. Aber eben diese erlebt sich ja als Hauptperson, die in dieser Feier nun endlich mal die ihr gebührende Ehrung für ihre Lebensleistung erhält. Die wichtigste davon: drei Söhne groß gezogen zu haben, die alle „etwas geworden“ sind. – Das allerletzte Wort erteilt der Autor der „eisernen Lebensgefährtin“ der Mutter – ihrer alten Nähmaschine, die der fleißigen Schneiderin besonders in den schwierigen Zeiten half, zum Lebensunterhalt der Familie maßgeblich beizutragen.

Doris Gsell-Urbanek, Triesen/Liechtenstein 24. Mai 2021 schreibt:

Ich freue mich, dass „Der Dritte“ die lange Seefahrt geschafft hat und nun in den Buchhandlungen angekommen ist. Hoffentlich wird dieses wunderbare Buch viele Menschen beglücken, denn es bietet ein aussergewöhnliches Lesevergnügen von selten empfindsamer, eindrücklicher Erzählweise, die das Leben schrieb.

Das neueste Laufenberg-Buch mit dem geheimnisvollen Titel „Der Dritte“ macht durch den Zusatz „pränatale Biografie“ besonders neugierig. Was hat das zu bedeuten? Die Ereignisse vor der Menschwerdung liegen normalerweise im Dunkeln. Diese Biografie aber lässt andere Schlüsse zu. Sie gewährt Einblicke in eine weit gefächerte Familiengeschichte mit unterschiedlichsten Lebensformen während mehr als einem Jahrhundert. Da bekommen zwei Weltkriege ein Gesicht durch die Menschen, die den Wirren der kriegerischen Ereignisse und unvorstellbaren Zwängen ausgesetzt waren und ums Überleben kämpfen mussten.

Geradezu spüren kann man die Kleinbürgerlichkeit der kleinen Stadt Opladen, die einem entgegen schlägt und überall präsent ist. Freude und Leid und das Ringen um Anerkennung, Liebe und Wohlstand liegen nah beieinander. Grossartig herausgearbeitet, eingebettet in die situativen Lebensbeschreibungen. Durch die phänomenale Sprachkunst des Autors ist ein Wunderwerk entstanden, dem man verfällt, sobald man sich dem Genuss des Lesens hingegeben hat.

Rezension auf amazon.de von Libelle aus Deutschland vom 14. Mai 2021 schreibt:

Eine feine Gesellschaft?
Der Untertitel des neuen Romans von Walter Laufenberg “seine pränatale Biografie et cetera pp” zeigt schon, dass es um seine Vorfahren geht. Zumindest zum überwiegenden Teil. Das Buch beginnt mit der Schilderung seiner (ungewollten) Zeugung, von der ihm seine Mutter ausführlich erzählt hat, und bei der sich schon seine besondere Durchsetzungskraft (gegen ein Kondom) zeigt. Dann wird von einigen seiner Vorfahren erzählt (er geht zurück bis zu seinen Ururgroßeltern und endet bei seinen Eltern). Da werden nicht nur die Umstände des Kennenlernens der jeweiligen Paare geschildert (besonders berührend in Bezug auf seine Eltern), sondern auch deren Eskapaden und dreiste Mogeleien aufgedeckt. Dabei findet er immer wieder Bestätigungen seines eigenen Lebensrezepts.

Und damit ist er in seiner Lebenszeit angekommen: Seinem Aufwachsen mit zwei älteren Brüdern (siehe Titel!) in einer Kleinstadt in der Nähe von Köln und in einem Beamtenhaushalt, in dem der Tagesablauf durch die unterschiedlichen Arbeitszeiten des bei der Eisenbahn beschäftigten Vaters geprägt wird und in dem trotzdem immer das Geld knapp ist. Noch vor dem Krieg tritt der Vater – aus taktischen Gründen (Näheres lese man selbst!) – in die SA ein, ist damit aber keineswegs glücklich. Oft hat die Familie nur durch die Tüchtigkeit der schneidernden Mutter und deren Hamstertouren in der Nachkriegszeit genug zu essen. Seine Kindheit in diesen Zeiten wird vor allem geprägt durch wiederholte Ferien in Bayern. Den weiteren Verlauf seines Lebens streift der Autor nur kursorisch. Das Buch endet mit der Goldenen Hochzeit seiner Eltern, wo die Teilnehmer in einem inneren Monolog ihren Gedanken freien Lauf lassen über das Leben, über die Verwandtschaft oder über die Kosten der Autofahrt zu diesem Ereignis und so weiter. Wenn die Festgesellschaft auch feingemacht auftritt, so ist das Ganze doch ein kritisches Gesellschaftsbild.

Der Autor nimmt den Leser mit auf eine Reise durch das 19. und 20. Jahrhundert, ohne dass dies ein Familienroman im herkömmlichen Sinne wäre. Es werden vielmehr punktuell Ereignisse aus verschiedenen Leben erzählt wie z.B. das Leben der Anna in Paris im ersten Drittel, von Elisabeth und Nikolas in Köln im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und vom Vater des Autors im 1. Weltkrieg, dessen Chuzpe beeindruckend ist. Das Ganze ist weitgehend in einem ironischen Ton erzählt, der mir gut gefallen hat, und den ich schon aus anderen Büchern des Autors kenne. Ich gebe aber nur 4 von 5 Sternen, weil ich am Anfang etwas Schwierigkeiten mit den Namen der Vorfahren hatte und nicht immer wußte, wer wer ist. Aber dann wurde es doch ein Genuss.


Verlag Salon Literatur Verlag, München 2021
ISBN 978-3-947-404-29-2
Umfang 320 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Preis 18,90 €
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