Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull

(A/D 1982, 125 Min., Regie: Bernhard Sinkel, nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Mann)

Der aus einer rheinischen Familie von Schaumweinproduzenten stammende Felix Krull wird vorgeführt, wie er an seinem Kindermädchen reift und nach der Pleite und dem Selbstmord seines Vaters durch die Welt kommt, mit Hilfe seines Onkels und mit viel Raffinesse und Skrupellosigkeit. Umwerfend seine Musterungskomödie und sein Erlebnis mit der überkandidelten, aber reichen und attraktiven Schriftstellerin Madame Houpflé. Schließlich startet er ein ganz neues Leben, als er stellvertretend für den Marquis de Venosta mit dessen Visitenkarte auf Reisen geht. Damit beginnt das eigentliche Hochstaplerdasein. Doch leider endet der Roman schon in Lissabon bei Professor Kuckuck und seinen beiden attraktiven Frauen. Die Fortsetzung, vom Film mit der fluchtartigen Abreise des falschen Marquis von Lissabon mittels Ballon angedeutet, hat Thomas Mann nicht mehr schreiben können.

Die Etappen der Publizierung dieser angeblichen Memoiren eines Hochstaplers entlarven die Entwicklung des Autors, aber auch die des Publikums. Thomas Mann (1875-1955) schrieb schon im Jahre 1911 den ersten Teil, der im darauffolgenden Jahr als Bruchstück in einem literarischen Almanach erschien. 1922 kam dieses Bruchstück als Buch der Kindheit auf den Markt, 1937 erschien eine unvollständige Weiterführung. Aber erst ab 1951 stürzte der Autor sich erneut in die Arbeit an diesem Roman, der dann 1954 als der Memoiren erster Teil publiziert wurde. Thomas Manns Alterswerk also eine Farce, bei der er von Anfang bis Ende die blasierte Sprache eines Menschen durchhält, dessen Selbstüberschätzung ihn zu einer Witzfigur macht. Das ist die Parodie des deutschen Bildungsromans, auf den wir stets so stolz waren, und zugleich ein neuer Höhepunkt des Schelmenromans, der neben den berühmtesten Beispielen der französischen Literatur bestehen kann. An seinem Lebensabend war der stets so bildungsbeflissene Autor Thomas Mann endlich soweit, das Lachen höher zu werten als lexikalisches Wissen.

Bereits 1956 kam die erste Verfilmung unter der Regie von Rolf Thiele in die Kinos. Ein Film, der die köstlich überziehende Sprache des Hochstaplers zum Transportmittel machte. In der Ichform bringt der Hochstapler Felix Krull mit vielen wörtlichen Zitaten aus dem Buch seine Geständnisse zu Gehör. Es entstand etwas, was man als Film zum Hören bezeichnen könnte. Denn die Kamera beschränkte sich weitgehend aufs Illustrieren. Eine gelungene Hommage an den erst im Vorjahr verstorbenen Dichter Thomas Mann, ein Kinoerlebnis für Feinschmecker. Solche Menschen, die sich an den das gesamte Buch tragenden süffisanten Formulierungen Krulls wie „ich stamme aus feinbürgerlichem, wenn auch liederlichem Hause“ erfreuen konnten, gab es damals noch in genügend großer Zahl.

Die Filmversion von 1982, aus einer fünfteiligen Fernsehserie zusammengeschnitten, ist offensichtlich nicht mehr für Leute mit sprachlichem Feingefühl gemacht. Hier wird Futter für das Massenpublikum des Fernsehens geboten, und dieses Publikum ist aliterat. Deshalb werden die wörtlichen Zitate aus dem Buch weitgehend verdrängt von wunderschönen nackten Brüsten, meist weiblicher Provenienz, dann auch noch feminin-männlicher, als der Hauptdarsteller entblättert wird. Felix Krull ist nicht mehr der überlegen die Welt und das Leben kommentierende Schelm, er ist nur noch der hübsche Weichling, auf den die Frauen fliegen, und manche Männer ebenfalls.

Ein Film, über den man schulterzuckend feststellen muß: Na ja, wem das genügt. Denn da rettet auch das zweimalige unmotivierte Auftreten der perfekt nachgebildeten Figur Thomas Mann, diese überraschende Hitchcock-Anleihe, nichts
mehr.

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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