Asta Scheib: Frau Prinz pfeift nicht mehr

Bitte weiterpfeifen, Frau Scheib!

(Asta Scheib: Frau Prinz pfeift nicht mehr, Roman, dtv München, Großdruck März 2007, 206 Seiten, € 9,-)

Zwei Menschen werden getötet, zwei Kriminalbeamte ermitteln, drei Täter kennt der Leser am Ende. Dennoch nennt der Verlag das Buch einfach nur Roman und nicht Kriminalroman. Vielleicht, weil die Großdruckausgabe sich an ältere Menschen richtet, die man nicht zu sehr nervlich strapazieren will? Nein, die Kaschierung des Krimicharakters hat auch ihre inhaltliche Berechtigung.

Zunächst ist festzustellen: Da fällt eine sehr unangenehme Nachbarin in ihrem Gärtchen tot um, von einem Dachziegel erschlagen. Das könnte ein Mord sein. Also wäre das ein Krimi. Doch ist ein Mord kein notwendiger Bestandteil eines Krimis. Schließlich geht die Fähigkeit des Menschen, ein Verbrechen zu begehen, weit über die Körperdelikte hinaus. Und viele Krimiautoren schaffen es sogar, auf völlig unblutige Weise Dramatik aufzubauen. Das kann viel interessanter sein als die Aufklärung eines Mordes. Im vorliegenden Beispiel geht es darum, dass versehentlich der Falsche umgebracht wird, und um lebensgefährliche Kindereien. Also um unterschiedliche Tötungsdelikte. Dabei fehlt die strafrechtliche Würdigung dessen, was geschehen ist. Kein Wort über den Unterschied von Mord und Totschlag. Kein Wort über den mißglückten Versuch und den Verstoß gegen die Aufsichtspflicht und deshalb auch nicht über das Vorliegen oder Nicht-Vorliegen von Schuld bei den Tätern und über die daraus folgende Strafbarkeit oder Nicht-Strafbarkeit dieser Taten.

Bei einem historischen Roman ist der Leser gewohnt, die geschichtliche Einordnung in einer Vor- oder Nachbemerkung zu finden. Das gibt ihm das befriedigende Gefühl, etwas gelernt zu haben. So war die Lektüre kein bloßer Zeitvertreib.

Beim Liebesroman bzw. Liebesfilm gilt Kurt Tucholskys Spruch: Es wird nach einem Happy-End im Film jewöhnlich abjeblendt. So bleibt dem Leser oder Betrachter wenigstens das Hochgefühl der Hochzeit. Auch das ist mehr als nur Zeitvertreib.

Der Krimi dagegen beschränkt sich stets darauf, bloß die Straftat selbst aufzuklären. Was aus der Tat folgt, fehlt regelmäßig. Weil das für den Autor zu schwierig in der juristischen Subsumtion wäre und zu schwer verständlich für den Leser. Da werden sich ja nicht einmal die mehreren Instanzen der Gerichte einig. Dabei gibt es Bücher, in denen die strafrechtlichen Folgerungen aus dem Fehlverhalten der Akteure das eigentlich Interessante wären, so dass es bedauerlich, ja frustrierend ist, wenn dazu kein Wort gesagt wird. Nicht Ende offen, sondern: Ende fehlt.

So ein halbes Buch hat die Autorin geschrieben. Sie beläßt es dabei zu sagen: Dies und das ist geschehen. Schluß, ab, aus. Nach dem Prinzip: Dumm sterben lassen! Das trifft leider nicht nur die Figuren ihres Romans, sondern auch ihre Leser.

Immerhin ist das, was die Autorin bietet, ein Zeitroman. Weil er nicht nur aus Spannung besteht. Da kommt eine Menge Ambiente über. Was allerdings auch jeder geschickte Krimiautor als Garnierung der spannenden Handlung einsetzt. In diesem Fall aber hat der Rezensent den Eindruck, dass die Garnierung im Vordergrund steht. Denn Asta Scheib serviert mit beharrlichem Kratzen an unserer Gutbürgerlichkeit sozialkritische Einblicke ins heutige Großstadtleben, die über die bekannten Animositäten der Bayern gegenüber den Preußen hinausgehen, und sie erfreut – vor allem am Anfang des Buches – mit wunderschön ironischen Formulierungen.

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

Dieser Beitrag wurde unter Buchbesprechung veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.