Alles auf Zucker!

(Alles auf Zucker!, D 2004, 90 Minuten, Drehbuch: Dani Levy und Holger Franke, Regie: Dani Levy)

Wie in „Das Haus in Montevideo“ und so manchem anderen Film geht es um eine Erbschaft, die an lästige Bedingungen geknüpft ist. Also eine todsichere Ausgangslage für eine Kinoklamotte. Der Ostberliner Jaecki Zucker ist pleite, und seine Frau schmeißt ihn raus. Er weiß, daß er als herausragend guter Billardspieler den gerade anstehenden Großen Preis gewinnen und sich sanieren könnte. Doch dann kommt ihm die Nachricht dazwischen, daß seine Mutter gestorben ist und es was zu erben gibt. Bedingung ist, daß der Kommunist sich mit seinem jüdisch orthodoxen Bruder Samuel, der seit dem Mauerbau mit der Mutter in Frankfurt am Main lebte, versöhnt. Andernfalls fällt das Erbe an die jüdische Gemeinde. Schon kommt die streng jüdische Frankfurter Familie mitsamt Sarg angereist, und die areligiösen Berliner Zuckers müssen ihnen improvisiert jüdisches Leben vorspielen.

Dabei auch noch den Großen Preis beim Billardturnier gewinnen zu müssen, das ist zuviel für Jaecki Zucker. Allerlei Verwirrung. Es kommt zu einer Folge von Herzanfällen, und auch zwei weitere männliche Familienmitglieder brechen zusammen, während die Frauen – typisch jüdisch – die überlegenen sind und heil bleiben. Was nicht nur für die sämtlichen Zuckers zuviel ist, sondern auch für die Zuschauer. Doch Ende gut, alles gut.

Der Film hat auf Anhieb sechs Filmpreise gewonnen. Deutsche Filmpreise. Was sicher nicht daran lag, daß man der Story einen Hintergrund von deutsch-deutscher Zerrissenheit gegeben hat. Denn die deutsche Teilung spielte weiter keine Rolle. Der Erfolg des Streifens ist wohl nur damit zu erklären ist, daß es sich um einen jüdischen Film handelt. Denn genau genommen fehlten ihm alle Voraussetzungen zum Erfolg. Es handelt sich um eine Low-Budget-Produktion, die in bloß 24 Drehtagen und an nur etwa einem Dutzend Drehorten ohne größeren Aufwand und ohne internationale Starbesetzung durchgezogen wurde. Das Drehbuch bot keinen einzigen Satz von allgemeiner Aussage. Dafür hing der Spannungsbogen in der Luft, weil der dramatische Ausgangspunkt war, daß der hochverschuldete Ostberliner Zucker ins Schuldgefängnis gebracht werden sollte. Doch ein Schuldgefängnis gibt es nicht in deutschen Landen.

Erstaunlich an diesem Lustfilm ist eigentlich nur, daß er die Juden und das jüdische Leben so lächerlich darstellt. Der in voller Gebetsaufmachung und –motorik als besonders strenggläubig vorgeführte Sohn des Frankfurter Zucker wird als ein Missetäter entlarvt, der seine Cousine geschwängert hat. Und der so erhaben wirkende Rabbi der jüdischen Gemeinde tut alles, um die Erbschaft wenigstens zur Hälfte einzuheimsen. „Damit habe ich dann in der Gemeinde einige Feinde weniger und ein paar Freunde mehr“, erklärt er das. Nun ist ja bekannt, daß die härteste Kritik am Jüdischen stets von Juden kommt. Also könnte man sagen: Verstehe, Herr Levy. Und damit wäre die Sache erledigt. Schließlich geht es dabei doch nur um menschlich-allzumenschliche Verhaltensweisen.

Doch scheint hinter dieser Komödie mehr Spekulation als rücksichtslos höhnisches Insiderwissen zu stehen. Immerhin gab es Fördermittel der öffentlichen Hand. Deshalb mußte mehr ins Kalkül gezogen werden als nur Amüsement und Spannung. Man erinnere sich daran, wie Filmemacher sich in Diktaturen durchzusetzen pflegen. Sie schreiben das Positive, das die Bonzen gern hören, ins Drehbuch und in den Förderantrag. Doch in der Realisierung wird alles klammheimlich ein wenig ins Gegenteil verkehrt, weil man weiß, was das Volk hören und sehen will. Schließlich ist es ja das Volk, das an die Kinokassen strömen soll. Hat vielleicht auch Dani Levy nach diesem Rezept gearbeitet?

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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