Albert Schweitzer – Ein Leben für Afrika

(Albert Schweitzer – Ein Leben für Afrika, D/SA 2009, 114 Minuten, Drehbuch: James Brabazon, David Howard, Gavin Millar, Regie: Gavin Millar)

Ein Gutmenschenfilm. Der alte Albert Schweitzer, seine Frau Helene und schließlich auch noch seine Tochter Rhena in Lambarene im rastlosen Einsatz für kranke Afrikaner. Dass dabei auch weiße Krankenschwestern und Ärzte helfen, die nur Vornamen haben, fällt kaum auf. Dreht sich doch alles um den Grand Docteur Albert Schweitzer. Sein Name ist identisch mit dem Namen des von ihm 1913 gegründeten Urwaldhospitals Lambarene in Gabun.

Der Film konzentriert sich auf das Jahr 1949. Albert Schweitzer (1875-1965), der weltberühmte Menschenfreund aus dem Elsass, evangelischer Theologe, Musikwissenschaftler und Arzt, sammelt auf Vortragsreisen in den USA Spendengelder für sein Hospital in Afrika. Dabei kommt er der Politik in die Quere. Ist doch mit den Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki der Zweite Weltkrieg beendet worden, bald darauf aber der sogenannte Kalte Krieg zwischen Ost und West entbrannt. Und das heißt: Viele Atomtests, eifriges Wettrüsten. Schweitzers Freundschaft zu Albert Einstein, der sich vehement für ein weltweites Verbot von Kernwaffen einsetzt, bringt den Urwaldarzt ins Fadenkreuz des CIA und der McCarthy-Organisation, die überall Kommunisten vermuten und amerikafeindliche Umtriebe aufzudecken versuchen. Gleichzeitig gibt es politische Konkurrenzkämpfe im Staat Gabun. Und Frankreich, der ehemalige Kolonialherr, bemüht sich um verstärkten politischen Einfluss. Die Folge ist: Das Tropenhospital mit dem angeschlossenen Lepradorf ist von der Schließung bedroht.

Schweitzer eilt zurück in den Urwald, wo er einen verzweifelten Kampf führt gegen Politiker und Soldaten, gegen die Dummheit und den Aberglauben der Einheimischen, gegen ihren Medizinmann und gegen Kritik aus den Reihen seiner Mitarbeiter, gegen Regen und Rost und Schlamm und mutwillige Zerstörung, gegen Verunglimpfungen in der Presse und gegen das allmähliche Erlahmen seiner Kräfte. Der unbeugsame Kämpfer für die Ehrfurcht vor dem Leben ist inzwischen ein Mann von 74 Jahren. Wie er die Stellung hält, das ist imponierend. Dass ihm dabei das bisschen Musik hilft, das er seinem Klavier entlockt, ist glaubhaft.

Schweitzer schafft es im allerletzten Moment, die Schließung des Hospitals zu verhindern. Ein Happy End. Danach tut der Film den späteren Triumph seines Helden kurz ab, nämlich den Friedensnobelpreis, den er im Jahre 1952 erhält. Dass er sogar seinen 90. Geburtstag noch in seiner Urwaldstation erleben durfte, ist keiner Erwähnung wert.

Schweitzers persönliches Programm hieß: Ehrfurcht vor dem Leben. Es wird im Film nicht in Frage gestellt. So fragwürdig es ist, weil es in der Natur keine Ehrfurcht gibt, sondern nur die Furcht vor dem Fressfeind und Reviereroberer und Paarungskonkurrenten. Das natürliche Leben hat – nüchtern besehen – nichts Verehrungswürdiges. Aber so nüchtern ist man in der Grenzsituation Urwald nicht. Nur dezent angesprochen wird, dass Albert Schweitzer sich in Lambarene als der Göttervater Zeus auf seinem Olymp feiern läst. Das natürliche Ich-Bedürfnis, es hat mit dem Aufbau und der Führung des Urwaldhospitals das ideale Tätigkeitsfeld gefunden. Jede Anfeindung und Behinderung führt nur zu deutlicherer Identifikation von Lambarene und Schweitzer.

Ein Film mit erhobenem moralischen Zeigefinger: Tue Gutes und sprich darüber, dann wirst du berühmt! Das kleine Manko, dass dafür besondere Begabungen und ein Dreifachstudium sowie die finanziellen Mittel erforderlich sind, wird unterschlagen. So bleibt den Betrachtern des Films, wenn sie mit wachgerütteltem Ich-Interesse nachhause gehen, nur der trotzige Gedanke: Dafür habe ich mehr übrig für meine Ehe und meine Kinder und Enkel. Das ist sowieso sinnvoller als sich um alle Welt zu kümmern. Meine Aufgabe ist meine Familie, und in der bin ich der Größte. So hat der Film doch was gebracht.

Was der Film nicht bringt, das ist, dass Albert Schweitzer, als er mit 38 Jahren nach Lambarene aufbricht, um dort unter primitivsten Bedingungen als Missionsarzt Kranke zu heilen, bereits drei Doktortitel trägt und Professor der evangelischen Theologie ist. Was für ein Bruch in der Karriere. Ein früher Aussteiger aus der Zivilisation. Doch dazu kein Wort. Kein Kommentar zu der persönlichen Unbescheidenheit, die dazu gehört, in einem Leben gleich vier verschiedene Leben unterbringen zu wollen. Kein Wort zu diesem Super-Ich. Auch nichts über eigene Krankheiten, über die alltäglichen Gefahren des Urwalds durch andere Tiere als nur die erwähnten Würmer und Ratten. Die Hüttensiedlung am Flussufer gibt ein eher beschauliches Bild ab, in dem ein alter Mann seinem Hobby nachgeht. Und dass Missionierung eine Vergewaltigung und Beraubung der Einheimischen darstellt, ist ebenfalls kein Thema, wird nur einmal als kurzer Selbstzweifel angedeutet.

Anders als vom Titel verheißen versagt es sich der Film, ein Lebensbild Albert Schweitzers zu bieten, er begnügt sich mit einigen Episoden aus dem Arbeitsalltag eines ziemlich überforderten Vierundsiebzigjährigen. Eine Momentaufnahme ohne Vorher und Nachher, dafür mit einer mühsam eingebauten Liebesgeschichte von Randfiguren, die scheitert. Alles recht nett, aber zuwenig.

(Walter Laufenberg in: www.netzine.de)

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