944. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Wenn ich die Fotos oder Videoschnipsel von den Kämpfern in der Ukraine oder in Nahost sehe, wird mir klar, welche Anziehungskraft das Hantieren in Wildwestvermummung an modernem Kriegsgerät auch für viele junge Europäer hat, die dort als Freiwillige in Internationalen Legionen mitmachen. Werden ihnen damit doch Heldenrollen geboten. Schon schleicht sich eine Portion Verständnis bei mir ein. Dabei weiß ich: Sie werden von den Kriegsinteressenten bloß als nützlich in die Kalkulation aufgenommen. Vor allem  von den Ölbonzen und Religionsführern sowie den Waffenherstellern, die auf der einen wie auf der anderen Seite diese Kleinkriege für Praxistests ihrer ständig weiterentwickelten Produkte brauchen.

Zahlen hinterlassen wir wie Kaninchen Küttel. Unsere Zustimmung wird gezählt mit Likes oder Followers, unsere Zugriffe und Besuche addieren sich als Hits und Visits. Wenn wir fernsehen, machen wir Quote, mit jedem Einkauf verändern wir den Zufriedenheitsquotienten. Und immer noch treiben wir mit der Liebe den Vermehrungsindex hoch. Was wir auch tun oder lassen, wir sind der Prozentsatz von etwas, an das wir dabei überhaupt nicht gedacht haben. Und dass wir dabei sind, mit der totalen Digitalisierung das letzte Quäntchen Freiheit zu verlieren, daran zu denken haben wir überm permanenten Zahlen-Kütteln keine Zeit.

In Norditalien ist man bei Bodenuntersuchungen auf Reste einer bronzezeitlichen Pfahlbausiedlung aus dem 14. Jahrhundert v. u. Z. gestoßen. Besonders Aufsehen erregend soll ein hölzernes Joch sein, das jetzt der Öffentlichkeit gezeigt wird. Denn es verrät uns, dass die Ochsen damals erheblich kleiner waren als heute. Das soll übrigens, obwohl nicht nur Rindviecher seit jeher ihr Joch zu tragen haben, keine politische Aussage sein. Doch weiß man in Italien, dass das zwischen den Zeilen Gesagte meist wichtiger ist als das darüber und darunter Geschriebene.

In Deutschland ist der Boden knapp geworden. Wir haben nicht mehr genug Äcker für all die Jauche, die wir mit der Massentierhaltung produzieren. Es soll schon besorgte Bürger geben, die sich nur noch auf eine chemische Toilette setzen, um mit diesem kleinen Ausgleich den Bauern in ihrer Not zu helfen. Diese Hilfsbereiten setzen die Menschen mit Schweinen gleich. Ist ja was dran.

In der Buchhandlung stört mich, dass die Romane in ihrem Einband eingesperrt halten, was sie zu bieten haben. Weil es neben den Regalen für die Kategorien Bestseller, Krimi, Frauen, Fantasy, Manga, Biografien, Humor, Geschichte und Politik immer noch nicht die Regale gibt, die sagen, welchen Inhalt ihre Bücher bieten. Erstes Regal: Tiefe Gefühle; zweites Regal: Ablenkung vom Alltag; drittes Regal: Fernweh; viertes Regal: Trost; schmales fünftes Regal: Sprachkunst.

Jetzt fiel sie mir wieder in die Finger, die vor vielen Jahren in den USA gekaufte Karte mit den Zeilen: „Don’t take life so seriously. You’ll never get out of it alive.“ Der Spruch hat mir damals gefallen, aber jetzt falle ich über den Stolperstein, den er enthält. You’ll als Abkürzung von you will verstanden, weil you shall veraltet und außer Gebrauch ist, behauptet, man wolle nicht überleben. Dabei ist uns das Weiterleben in den eigenen Werken und Kindeskindern ein Grundbedürfnis. Der Widerspruch kommt auf, weil im abgeschliffenen Englisch das Wort will genauso für zukünftiges Sein wie für einen Wunsch verwendet werden kann. Das zeigt: Zu weit getriebenes Vereinfachen einer Sprache macht die Verständigung nicht einfacher, manchmal sogar unmöglich.

Flandern zum Kunst-Erwandern. Der Maler, dessen Bilder jedem schon begegnet sind, von dem man aber kaum was weiß, Pieter Bruegel der Ältere, wurde anlässlich seines 450. Todestages in seiner Landschaft Flandern mit vielen Veranstaltungen gefeiert. Danach ruhte er wieder in Frieden. Das konnte ich nicht dulden. Nach zwanzigjähriger Recherche habe ich im Jahre 2007 die Romanbiografie dieses Großmeisters der Malerei unter dem Titel „Die Frauen des Malers“ veröffentlicht. Das turbulente Leben eines Künstlers, wie es sich in seinen Bildern verrät und mit viel Geschick sogar noch unter dem Terror des von Spanien besetzten Landes möglich war. 352 Seiten, 15.50 Euro, ein Erfolgsbuch mit Alleinstellungsvorteil, überall im Buchhandel. Und die Bilder, deren besondere, oft noch unentdeckte Hinweise ich darin anspreche, sind alle im Internet zu sehen.

https://www.netzine.de/book/die-frauen-des-malers/?grid_referrer=4078

 

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