904. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Stalingrad, Leningrad, Petrograd – Russlands Herrscher haben ein Bedürfnis nach Selbstverewigung in Großstadtnamen. Das soll in Kiew, Tallin, Riga und Vilnius sowie Warschau und Budapest und einigen weiteren Metropolen schon für Unruhe sorgen. Weil man nicht weiß, welche Stadt Putingrad werden soll. Dabei sind all diese stolzen Benennungen doch offensichtlich nicht für ewig.

 

Zwar floriert das Buch-Gewerbe, dennoch geht es weiter abwärts mit der Buch-Kultur in Deutschland. Immer weniger Leute lesen ein literarisch anspruchsvolles Buch, das Scheckbuch gibt es schon nicht mehr, die Tapetenbücher werden immer eintöniger und langweiliger, und bei den Buchmachern erlebt man sein blaues Wunder.

 

Mitten im türkischen Erdbebenkatastrophen-Gebiet ist in dem Städtchen Erzin fast nichts passiert. Die Häuser stehen noch, weil der Bürgermeister Elmasoglu sich stets geweigert hat, bei illegalen Bauten ein Auge zuzudrücken, wie das rundum überall üblich war, natürlich gegen etwas mehr als ein Trinkgeld. Jetzt darf man gespannt sein, ob in der Türkei nicht nur Bauunternehmer ins Gefängnis verfrachtet werden, sondern auch Kommunalpolitiker. Bei Platzproblemen hinter Gitter könnte man ja die politischen Gefangenen amnestieren.

 

Das Stück Auwald am Rheinufer, das ich vor meinem Fenster sehe, wird von immer mehr Kolkraben belebt. Schon haben sie die Tauben bis auf wenige verdrängt, auch alle anderen Vögel und sogar die Eichhörnchen. Besonders erfolgreich seien die Kolkraben, weil sie besonders intelligent sind, höre ich als Erklärung. So gehe es nun mal zu in der Natur. Wenn ich dann wieder in die Zeitung schaue, kommt mir der Verdacht, dass wir Menschen entgegen der landläufigen Meinung doch nicht zur Natur gehören.

 

Wenn Vater und Mutter aus verschiedenen Sprachräumen stammen, bekommen die Kinder einen Sprachmischmasch vermittelt, der sie den in einer einzigen Sprache aufgewachsenen Spielgefährten überlegen macht. Oft auch verdächtig, zumindest unangenehm. Andererseits schaffen diese Mehrsprachler so gut wie nie die perfekte Beherrschung einer Sprache, was Sprachwissenschaftler neuerdings nicht mehr für einen Nachteil halten, weil die Gesellschaft darauf keinen großen Wert mehr lege. Als Beweis für diesen Verzicht dienen die Massen der fehlerhaften Texte in den sogenannten sozialen Medien.

 

Fasse dich kurz! Wenn ich mir die Liste der Personen anschaue, über die ich biografische Texte geschrieben habe, dann fällt mir auf, dass sie bis auf Goethe und mich alle nicht alt geworden sind. Perkeo wurde nur etwa 33 Jahre alt, Kotzebue 57 Jahre, Sand 24, Bruegel 40, Jesus 33, Gossen 47, der frühere Papst Johannes XXIII. 49, Hitler 56, Himmler und Tschechow 44. Als ob sie alle bemüht gewesen wären, mir die Arbeit an ihrem Lebensbaum etwas zu erleichtern. Und auch der höchst zweifelhafte Typ, mit dem ich im Moment beschäftigt bin, ist mir jetzt unter den Händen schon mit 53 Jahren verstorben. Pardon, aber seinen Namen darf ich noch nicht verraten.

 

Immer mehr Geschreibsel, das uns vorgesetzt wird, wurde von kopflosen Automaten fabriziert, ist KI. Umso wertvoller, was ein Augen- und Ohrenzeuge berichtet. So das Buch über die kurios komplizierten Anfänge des modernen Massentourismus vor 65 Jahren. Aus der Sicht des geliebten und geschundenen Reiseleiters geschrieben, von der ersten bis zur vorletzten Seite absolut wahr. Inzwischen eine Standardwerk der Tourismusforschung: Der Tatsachenroman „Hohe Zeit“. Siehe https://www.netzine.de/library/walter-laufenberg/hohe-zeit-der-roman-eines-reiseleiters/

 

 

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