895. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

 

Die Erde ist wirklich überbevölkert. Dabei sind wir Menschen, die wir diesen Planeten Erde bewohnen, nur eine verschwindend kleine Gesellschaft im Vergleich mit den Ameisen. Deren Anzahl ist jetzt erstmals aufgrund von vielen regionalen Erhebungen halbwegs sicher geschätzt worden. Danach kommen auf jeden Menschen mindestens zweieinhalb Millionen Ameisen, wenn nicht noch viel mehr, weil man die Zahl der unterirdisch lebenden Ameisenarten überhaupt nicht schätzen kann. Ein Glück, dass die Ameisen wenigsten sehr klein sind. Die geschätzte Ameisen-Biomasse soll nur rund 20 Prozent der Biomasse aller Menschen entsprechen. Es bleibt uns also noch genügend Bewegungsraum, wobei wir allerdings nicht vermeiden können, dass immer mehr Ameisen unter die Füße geraten. Soll man, weil die Ameisen doch geradezu Muster an Fleiß, Selbstverleugnung und Disziplin sind, sagen: Schade drum? Manche Politiker sehen sie ja als unsere großen Vorbilder.

 

Wenn ich dazu gedrängt werde, auch einmal was zu der völlig unnötigen Diskussion um das Gendern zu sagen, kann ich es kurz machen: Ich halte das Gendern für eine schwere Fehlerin.

 

Das grammatische Geschlecht wurde in der deutschen Sprache bisher als bedeutungslos, weil zufällig (der Schuh, die Waffe, das Mädchen), hingenommen und störte niemanden. Doch seit eine Gruppe von links-orientierten Möchtegern-Besserwissern es als ein Feld entdeckt hat, auf dem man Bedeutung und gut dotierte Posten erobern kann, wird unsere Sprache durch Gendersternchen und anderen Schnickschnack verunziert und umständlicher gemacht. Und das alles mit dem scheinheiligen Anspruch, damit etwas für die Geschlechtergerechtigkeit zu tun. Zu diesem Scheinargument hat die Zeitung taz einmal den Hinweis geliefert, dass es in der türkischen Sprache kein grammatisches Geschlecht gibt, und daran die Frage geknüpft: Sind also Frauen in der Türkei besser gestellt?

 

Jetzt sind mir doch tatsächlich drei Tandems hintereinander begegnet. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Faszinierend und Fragen aufwerfend. Weil ich noch in Erinnerung hatte, was ich in der Schule gelernt habe: Das lateinische Wort tandem heißt soviel wie endlich. Ja, sind dann drei Tandems hintereinander schon so was wie das definitive Ende? Oder vielleicht eher der Anfang der Unendlichkeit?

 

Wenn ich von dem erfolgreichen Stadttaubenmanagement höre, das zum Saubererhalt der Stadt betreute Taubenschläge aufgestellt hat, in denen Ernährungsprogramme durchgeführt und Taubeneier heimlich gegen Gipseier ausgetauscht werden, wehrt sich alles in mir gegen die fiese Frage: Steht dahinter nicht derselbe besserwisserische Herrengeist, der andernorts sich herausnimmt, bestimmte Volksgruppen besonderen Erfassungs- und Erziehungsmaßnahmen zu unterziehen? 

 

Immer das, was wir gerade verloren haben, schätzen wir am höchsten ein. Jetzt, da in deutschen Landen überall die Dialekte im Schwinden sind, heißt es beispielsweise beim Bayerischen Rundfunk, es sei ausdrücklich erwünscht, dass Mitarbeiter Dialekt sprechen. Das habe ich ganz anders erlebt. Als ich vor Jahrzehnten beim aktuellen Fernsehen des Westdeutschen Rundfunks war, störte meine Chefs an meinen Fernsehauftritten die rheinische Klangfärbung meiner hochdeutschen Ausdrucksweise. Ich musste zur Neutralisierung meiner Sprache Extra-Sprachkurse nehmen, auf eigene Kosten. Die von meinen aus Köln stammenden Eltern übernommene Klangfärbung ist jedoch geblieben – und darauf bin ich stolz. Der Sprachlehrer stellte nach einigen Übungsstunden fest: „Das Kölsche kriegen Sie nie ganz weg.“ Darauf ich: „Das hätten Sie mir auch früher sagen können; damit hätte ich viel Geld gespart.“ Er darauf: „Von irjendwat muss ich doch och leben.“  

 

Habe schon selbst in einer mitgemacht, und es ging in anderen Gruppen auch schon um Bücher von mir. Ich spreche von Literaturkreisen und Lesezirkeln. Die Frage, wie viele derartige Initiativen im deutschsprachigen Raum aktiv sind, kann kein Mensch beantworten. Es könnten Tausende sein, und es entstehen immer wieder neue. Gibt es doch überall, auf dem Land wie in der Großstadt, ernsthaft interessierte Menschen, denen Zeitungen, Zeitschriften, Funk, Fernsehen und Internet nicht genügen, weshalb sie sich in kleinen privaten Gruppen dazu verabreden, ein bestimmtes Buch zu lesen, jeder für sich, um es dann gemeinsam zu besprechen. Eine bewährte Methode, den Mehrwert eines Buches aufzuspüren, der weit über Nervenkitzel oder Empathie oder Information hinausgeht. Diese Lesezirkel sind immer auf der Suche nach dem nächsten Buch, das für sie gerade richtig wäre – und fallen leicht dem Werbespruch von Amazon.de zum Opfer, wer das Buch X gelesen habe, dem würden auch die Bücher Y bis Z gefallen“. Unsinn, denn sich immer das Gleiche zuzumuten, bringt bloß Stillstand. Einmal nach etwas ganz Anderem zu greifen, nur das erweitert den Horizont, beispielsweise nach meinem Lebensbericht, der so außergewöhnlich ist wie mein Leben: https://www.netzine.de/library/walter-laufenberg/der-dritte-seine-praenatale-biografie-et-cetera-pp/ 

 

 

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