877. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Wir haben eine Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die sich jetzt als Sprachverbesserin betätigt, beispielsweise den Begriff Stiefvater durch Bonusvater ersetzen will. Da kann man hoffen, dass sie sich auch einmal den Namen ihres Ministeriums ansieht, den Fachleute aus Wolkenkuckucksheim gebastelt haben müssen. Denn in der deutschen Sprache ist ein solches Nebeneinander von Begriffen unterschiedlicher Ebene nicht möglich, weil es wie Ministerium für Obst, Restfrüchte, Birnen und Halbgereiftes klingt.

 

Bisher war mir das Eigenschaftswort nachhaltig bloß unangenehm, weil es so unpräzise ist. Nachdem nun aber die EU sogar Atomkraft und Erdgas als nachhaltige Energieformen geadelt hat, muss ich wohl ganz auf das blödsinnige Wort nachhaltig verzichten. Ich hoffe, dass Ihr mir das nicht vorhaltet.

 

Wenn ich den Begriff Dialektik erklären soll, aber nicht im Sumpf der Politik versinken will, greife ich zum Medikament. Vollbringt die Pharmaindustrie doch immer wieder das Wunder, ein neues Heilmittel gegen eine bestimmte Krankheit zu entwickeln, das die von den Patienten gewünschte Wirkung hat und gleichzeitig vermeidet, die Krankheit zu bekämpfen. Will doch kein Pharmaproduzent sich den Ast absägen, auf den er unter großem finanziellem Aufwand geklettert ist. Da wird er lieber zum praktischen Dialektiker.

 

Früher hieß es – unverdient – spöttisch: Wer nichts wird, wird Wirt. Ist auch dieses ihm misslungen, macht er in Versicherungen. Heute könnte man ergänzen: Je weniger brauchbar für jeden Beruf, als Politiker hören sie gern Volkes Ruf. 

 

Tja, schon immer war die Reimerei zwielichtig. Jung reimte man früher gern auf dumm, obwohl das ein unreiner Reim war. Da zeigte man sich großzügig. Heute reimt man alt auf dumm, obwohl das noch viel unreiner klingt.

 

Der Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder ist Aufsichtsratsvorsitzender von zwei  staatlich kontrollierten russischen Unternehmen, nämlich des Ölkonzerns Rosneft und der Gazprom-Tochter NEGPC, daneben ist er Vorsitzender des Aktionärsausschusses der Nord Stream 2 AG. Jetzt lässt er sich auch noch in den Aufsichtsrat des Konzerns Gazprom wählen, von dessen Gaslieferungen wir total abhängig sind. Das wird heftig kritisiert. Dabei ist das mehr als bloß die ungewöhnliche Karriere eines cleveren Mister Money Maker und Edel-Playboys. Es ist das die kluge Konsequenz aus der Entdeckung einer globalen Machtverschiebung: Nicht mehr die Leiter von Staaten sind die wichtigsten Entscheider in der Welt von morgen, sondern die Leiter von global agierenden Größtunternehmen. Wie früher Kaiser, Könige und Päpste über das Leben der Völker bestimmten, aber dann abgelöst wurden von Spitzenpolitikern, so werden jetzt die Spitzenpolitiker abgelöst von Konzern-Managern. Vielleicht werden wir eines Tages froh sein, dass darunter einer ist, der deutsch versteht, wenn wir uns über die neue Herrschaft beklagen.

 

Ebenfalls immer mit Geld zu tun, allerdings mit viel, viel kleineren Beträgen, hat der Karrierist, den ich in meinem neuesten Buch beschrieben habe: „Der Dritte – Seine pränatale Biografie et cetera pp“. Da ist zu erfahren, was im Alltag jenseits von Geld und Macht gilt – und was nicht.

 

 

 

 

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