857. Ausgabe

 

Passiertes! – Passierte es?

Die tägliche Zahlenflut zur Corona-Pandemie ist so widersprüchlich, dass sich jeder die Zahlen rauspicken kann, die zu seiner persönlichen Einstellung, zu seiner Ideologie oder seinen wirtschaftlichen Interessen passen. Das gilt letztlich auch für die alles entscheidende Übersterblichkeit. Wenn man den Wegfall der Grippewelle und den Rückgang der Verkehrstoten, der Totgeburten und der missglückten Operationen auf anderen Krankheitsfeldern sowie die demographischen Faktoren nicht mitberücksichtigt, auch nicht, dass das Schaltjahr 2020 an dem einen zusätzlichen Tag etwa 3000 Sterbefälle hatte, dann kommt man, wie das Statistische Bundesamt, zu einem beruhigenden Ergebnis: Die Sterblichkeit war bisher unterdurchschnittlich. Ist man aber so pingelig, all diese Faktoren mit in die Berechnung aufzunehmen, hat man eine deutliche Übersterblichkeit. – Also alles nur Geschmackssache?  

 

Der 23. April, der zum Welttag des Buches geadelt worden war, musste es hinnehmen, dass er auch noch zum Tag des Bieres befördert wurde. Nun kann ich mir zwar gut vorstellen, beim Buchlesen ein Bier zu genießen, aber die Lobbyisten, die hinter den beiden Kampagnen stehen, scheinen mir doch aus zwei Welten zu kommen, die viele Lichtjahre voneinander trennt. 

 

Was war denn da passiert? Da waren bekannte Schauspieler aus der Rolle gefallen, das heißt, sie hatten nicht mehr nur die so gut sitzenden Bemerkungen gemacht, die von einem Drehbuchautor stammten und die sie auswendig gelernt hatten. Nein, sie wollten einmal mit eigenen Worten ihren Zeitgenossen sagen, wo es langgehen muss. Genauso wie mein heißgeliebter Montblanc-Füller, als er sich einmal selbständig gemacht hatte, mit allerlei nichtssagendem Tintengeschlängel auf dem Papier. Schade ums Papier, schade um die Tinte. Was die Frage aufwarf: War das nun ein Fall von K.I. oder einfach nur ein Materialschaden?

 

Der deutsche Rundfunksender, den man als geistiger Mensch noch anschalten  kann, der Deutschlandfunk, wird immer mehr eine Zumutung. Wenn ich mir anhören muss, wie die Sprache vermasselt wird durch unnötige Doppelungen und durch das Gehoppel über unaussprechliche Sternchen, kann ich nur noch abschalten. Doch ist das im Zweifel kein Verlust. Ist doch bei Journalisten, die sich in hündischem Gehorsam eine falsche Sprache aufschwätzen lassen, zu befürchten, dass sie sich genauso gehorsam auch falsche Inhalte aufschwätzen lassen. 

 

Der von den Regierungen der deutschsprachigen Staaten als zwischenstaatliches Gremium geschaffene Rat für deutsche Rechtschreibung hat in seiner Sitzung am 26. März 2021 den Beschluss gefasst, die Aufnahme von Gender-Stern, Unterstrich, Doppelpunkt oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinneren in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung nicht zu empfehlen. Der Rat erinnerte daran, dass dieses Amtliche Regelwerk für Schulen, Verwaltung und Rechtspflege gilt, in diesen Bereichen deshalb die genannten neuartigen Schreibungen nach wie vor nicht zulässig sind. – Das ist also nicht nur Geschmackssache.

 

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat entschieden, bei allen künftigen Äußerungen den Genderstern zu verwenden, weil man auf Modernität setzt und die Vielfalt der Geschlechter in der geschriebenen Sprache abbilden will. Das ist eine typische Reaktion: Wegen der massenweise erfolgenden Austritte aus der durch Sexmissbrauch in Verruf gekommenen Kirche tritt man umso breiter auf. Man darf gespannt sein, wie lange das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Katholikinnen und Diverskatholischen (ZdKKD), wie der Club ja nun heißen muss, diesen zweifelhaften Gerechtigkeitskurs durchhält. 

 

Während neue Fabrikanlagen im Riesenformat für die Produktion von Elektrofahrzeugen und Batterien entstehen, die den Bedarf von morgen decken – oder richtiger: wecken – sollen, arbeiten Entwickler bereits an der Antriebsart, die den Elektroantrieb zum bloßen Übergangsphänomen macht, nämlich die Brennstoffzelle mit Wasserstoff. Das heißt, wir sind eifrig dabei, immer mehr großartige Industriedenkmäler zu errichten.

 

Erstaunlich, was in so eine kleine Zeitungsnotiz passt: Für den Zugriff auf sauberes Wasser ist etwa die Hälfte der Weltbevölkerung auf das Grundwasser angewiesen. Das aber sinkt durch den wachsenden Bedarf der Landwirtschaft und Industrie immer schneller. Und schon droht ein Fünftel der Grundwasser-Reserven der Erde völlig zu versiegen. Das war die Nachricht. Nun ja, die kriegerischen Auseinandersetzungen um das Wasser, da und dort schon voll im Gange, werden in Zukunft sehr viel Blut fließen lassen. Das gibt dann buntere und attraktivere Zeitungsberichte.

 

Weil die Corona-Situation in Indien inzwischen katastrophal ist, forderte die Londoner Zeitung The Independent die westlichen Regierungen zu entschiedenerer Hilfeleistung auf, und das mit der Bemerkung: „Das würde einem aufgeklärten Eigeninteresse entsprechen.“ Und die belgische Zeitung De Tijd tönte in gleicher Weise: „Hilfe ist Solidarität, die auf wohlverstandenem Eigeninteresse basiert.“ Man könnte glatt annehmen, dass die verantwortlichen Presseleute aus meinem Buch „Ich ist top“ zitiert haben (www.netzine.de/library).

 

 

 

 

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