856. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Als der für das Image Berlins zuständige Werbe- und PR-Direktor der Landesregierung war ich dabei, als Anfang der 80er Jahre in West-Berlin die Idee diskutiert wurde, diese Insel im kommunistischen Roten Meer zu einem Spielerparadies zu machen. Doch der Regierende Bürgermeister Richard von Weizsäcker wollte das den Berlinern nicht antun und verhinderte es. Aktuell wird in dem Kleinstaat Liechtenstein diskutiert, ob man neben den dort schon vorhandenen sieben Spielcasinos noch ein achtes installieren sollte. Die Vorstellung von einem Las Vegas in Europa bleibt offenbar attraktiv.

 

Je älter ich werde, umso mehr fühle ich mich in Museen zuhause. Nun ja. Doch jetzt las ich: Von den 95.000 Museen, die es weltweit gibt, sind momentan 85.000 wegen der Corona-Pandemie geschlossen, und 12.350 geschlossene Museen werden voraussichtlich nie mehr geöffnet. Da frage ich mich: Wozu überhaupt noch älter werden?

 

Die Corona-Pandemie hat viele Länder in ihrer Entwicklung um Jahre zurückgeworfen. Das hat mindestens 130 Millionen Menschen in den Rang von Armen und Hungernden zurückfallen lassen. Da ist es eine gute Nachricht, dass Deutschland im letzten Jahr die Entwicklungshilfe-Ausgaben kräftig gesteigert hat. Gemessen an der eigenen Wirtschaftskraft sind nur Norwegen, Schweden und Luxemburg noch großzügiger. In absoluten Zahlen sind wir mit 35,5 Milliarden Dollar der zweitgrößte Geber nach den USA. Wir sind also nicht nur im Waffenhandel groß.

 

Die alte Streitfrage, wie sich Sein und Bewusstsein gegenseitig beeinflussen, hat durch die Hirnforschung eine neue Dimension angenommen: Jetzt führen die Forscher neue Gehirnwindungen im vorderen Kopf als die Voraussetzungen für das neue Bewusstsein an, das vor etwa 300.000 Jahren den Homo Sapiens entstehen ließ. Diese neuen Windungen sollen aber erst möglich geworden sein durch eine Verlängerung der Kopfform, die Teile des Gehirns nach hinten wandern ließ und damit vorne mehr Platz für Gehirnmasse bot.

 

Weil bei der Presse einer des anderen Stichwortgeber ist, werden Fehler schnell zu Regelmäßigkeiten. Dadurch kann man heute schon eine Handtasche oder auch einen Menschen spannend nennen, ohne ausgelacht zu werden, obwohl eigentlich nur ein Geschehen spannend sein kann. Und das Wort klug wird überall verdrängt von dem Wort schlau, das bisher nur eine negative Klugheit im Sinne von Bauernschläue meinte. Wirkliche Klugheit ist out. Auch das Wort Bildung wagt niemand mehr in den Mund zu nehmen, es gehört nur noch in den Verkehrsfunk: Staubildung überall.

 

Neuerdings muss man bei Fernsehfilmen immer wieder das Geträller und den Titel eines modernen Schlagers ertragen, weil einem damit quasi im Nachhilfeunterricht erklärt wird: Jetzt geht es gerade um Heimweh oder um Einsamkeit, um Glück oder Geborgenheit oder einen der tausend sonstigen Klischeebegriffe. Immer wieder ein Liedchen, dessen ganzen Inhalt ja stets schon die erste Textzeile bringt, geistiger Stehimbiss für Doofe.

 

Die Bundesverteidigungsministerin hat der staunenden Öffentlichkeit ihr neues Spielzeug vorgestellt, den Heimatschutz. Die ersten 325 Bewerber sind als Heimatschützer eingekleidet. Sie sollen eine Grundausbildung erhalten wie die Rekruten der Bundeswehr, mit einem Tupfer Heimat obendrauf. Bei dem Hinweis fällt einem ein, dass eigentlich die Bundeswehr für den Schutz der Heimat zuständig ist, soll sie doch alle Gefahren von der Bundesrepublik Deutschland abwehren. Aber weil sie das inzwischen nicht nur am Hindukusch tut, sondern fast überall auf der Welt, musste man sich was Zusätzliches einfallen lassen. Nun schützen die einen unsere Heimat draußen, die anderen drinnen. Doppelt gemoppelt hält besser.

 

Jetzt klagen Studenten darüber, dass sie seit drei Semestern nicht mehr in der Universität lernen können, sondern nur noch zuhause. Das wundert einen, der in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts studiert hat und zumindest im Jura-Studium von der Universität kaum was gehabt hat. Was an Vorlesungen geboten wurde, baute nicht aufeinander auf und fiel auch noch alle Augenblicke wegen dringender Abwesenheit des Professors aus. So hat man fast nur zuhause und beim Repetitor gelernt. Das war so selbstverständlich, dass es dazu überhaupt kein Gejaule in der Presse gab.

 

Jeden Tag kommen an die zweitausend Besucher, die was von mir sehen und lesen wollen. Das freut mich natürlich, aber dafür ist meine Wohnung viel zu klein. Deshalb halte ich die Tür geschlossen und verweise auf den elektronischen Eingang www.netzine.de.

 

 

 

 

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