844. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Die Ernährung der weiter stark wachsenden Weltbevölkerung sei gesichert, so lese ich in der Zeitung, wenn man verstärkt auf Algen und Insekten als Grundnahrungsmittel setzt. Wirklich beruhigend. Allerdings vergiften wir die Meere und sehen kaum noch Insekten. Die Platzhalter-Spinne auf meinem Balkon, die immer größere Netze gebaut hat, in die sich kein Tierchen verirrte, ist leider verhungert. Ich kann nur hoffen, dass unseren Enkeln das Gefühl des Hungerns erspart bleibt – und das nicht nur, weil sie den Bauch voll Mikroplastik haben.

 

Ab Anfang des nächsten Jahres übernimmt der Bund selbst die Zuständigkeit für die Verwaltung der deutschen Autobahnen, die er bisher den Bundesländern in Auftrag gegeben hatte. Dazu wurde eine neue „Autobahn GmbH des Bundes“ gegründet. Weil konzentrierte Kompetenz wirtschaftlicher und effektiver ist als die zersplitterte Länder-Kompetenz. Noch merkt der Autofahrer nichts von einer Verbesserung der Verhältnisse. Doch ist immerhin eine Konzentration festzustellen, nämlich von 16 Bundesländern zu 11 privaten Consultingunternehmen, die für diese „Reform“ bereits in diesem Jahr vom Bund mehr als 87 Millionen Euro an Beraterhonoraren kassiert haben.

 

Weil sie mehrere Sprachen beherrscht, hat die deutsche EU-Kommissionspräsidentin, Frau von der Leyen, Schwierigkeiten mit der Auswahl der richtigen Sprache, wenn sie eine Rede halten muss. Bisher behilft sie sich gern mit Englisch, weil die Koofmich- und Kellnersprache fast überall verstanden wird. Doch ab dem 1. Januar kommenden Jahres gehört England definitiv nicht mehr zur EU. Dann kann die Präsidentin nicht mehr auf Englisch in die 27 EU-Staaten hineintönen, weil dann nur noch in den EU-Zwergstaaten Irland und Malta englisch gesprochen wird, und das auch bloß als Zweitsprache neben den Nationalsprachen Irisch (eine gälische Sprache) bzw. Maltesisch (eine semitische Sprache). Das Englische ist dann in Europa unübersehbar nur noch ein kleines Insel-Idiom. Deshalb darf man darauf gespannt sein, ob Frau von der Leyen demnächst, wenn sie sich mit einer Rede an die EU-Bürger wendet, sich so gescheit zeigt, die Sprache der größten Volksgruppe in der EU zu sprechen, nämlich deutsch. Dann würde sogar ich ihr zuhören.  

 

Im Großen Saal des Staatstheaters Darmstadt, der fast tausend Plätze hat, wurde jetzt der mit 50.000 Euro dotierte Georg-Büchner-Preis 2020 an die deutsche Dichterin Elke Erb verliehen. Der Büchnerpreis ist die bedeutendste Literatur-Auszeichnung, die in Deutschland vergeben wird, und zwar von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (die heißt wirklich so, die merkwürdige Aufzählung ist kein Tippfehler). Aus Corona-Gründen fand die Preisverleihung mit großen Reden von wichtigen Leuten und einer Büchner-Würdigung durch die Preisträgerin vor nur etwa 30 Besuchern statt. Zum Ausgleich konnte jedermann die Veranstaltung im Livestream miterleben, was allerdings nicht mehr als 79 Menschen wahrgenommen haben. Fazit: Das deutsche Volk schafft und schafft und schafft sich als das Volk der Dichter und Denker ab (Pardon, erneut die unmögliche Reihung!).

 

Personenkennzeichen, das ist im Deutschen ein neues Wort; denn so was gibt es in Deutschland zum Glück nicht. Anders in Finnland, wo man die Einwohner so deklariert wie Autos, nur dass das Nummernschild an Stirn und Hintern noch fehlt. Jetzt hat ein Hacker die Personenkennzeichen und weitere Daten von rund 40 000 Finnen erobert, die in psychotherapeutischer Behandlung waren, und erpresst mit ihrer sukzessiven Veröffentlichung die Leute, die plötzlich mit allen intimen Einzelheiten, ihren Affären und ihrer ganzen Krankengeschichte nackt in der Öffentlichkeit stehen. Das Personenkennzeichen ist nach dem Wirecard-Desaster ein weiteres Beispiel für den Wahnsinn, dass wir die Installation von privaten Riesen-Daten-Sammlern erlauben, die weder ordentlich staatlich kontrolliert sind noch eine verlässliche Selbstkontrolle kennen.

 

Bloggen ist ein Hecheln des Bewusstseins, das vielen Millionen Zeitgenossen inzwischen zur Gewohnheit geworden und als Blog weltweit vernehmbar ist. Wikipedia nennt unter dem Stichwort Blog mich als Beginner dieser neuen Ausdrucksform im deutschen Sprachraum. Gemeint ist mein nichtkommerzielles, literarisch-satirisches Internet-Magazin netzine.de, das am 3. Januar 1996 gestartet ist und jetzt mit der 844. Ausgabe im Netz steht. Aber das wisst Ihr ja.   

 

Google soll 40 Millionen Bücher archiviert haben. Jetzt hat man untersucht, welche deutschen Städte darin am häufigsten erwähnt werden. Platz 1: Berlin. (Glaube ich gern. Habe ich selbst doch schon acht Bücher veröffentlicht, die weitgehend in Berlin spielen), Platz 2: München, Platz 3: Hamburg, Platz 4: Stuttgart, Platz 5: Köln (Da bin ich dran beteiligt), Platz 6: Leipzig, Platz 7: Frankfurt a. M. (Wo ich ebenfalls dabei bin), Platz 8: Münster, Platz 9: Bonn, Platz 10: Düsseldorf. Aber spätestens ab Platz 8 erscheint mir das unglaubhaft. Wo bleibt eine Literaturstadt wie Heidelberg, die allein bei mir in sieben Büchern eine Hauptrolle spielt? Gar nicht zu sprechen von Mannheim, das ich in drei Büchern besungen habe.  

 

In Köln, der Wiege des rheinischen Karnevals, sind nun die traditionellen, alkoholintensiven Straßenbelustigungen zum Sessionsauftakt am 11. 11. wegen Corona verboten. 1 : 0 für die Vernunft. Dabei hat das Karnevalstreiben nicht nur eine lange Tradition, sondern auch Einiges für sich. Durch Jahrhunderte fand im Mittelalter einmal im Jahr eine Woche lang ein hemmungslos ausuferndes Narrenfest statt, in dem alle Ordnung aufgehoben war, auch aller Anstand, alle Rücksicht und Frömmigkeit. Das war in der wüsten Rabiatheit nicht zu vergleichen mit dem heutigen organisierten und weitgehend kommerzialisierten  Karnevalstreiben. War das früher doch ein Ausbruch von totaler Tollheit, der zwar von den staatlichen und kirchlichen Obrigkeiten verboten war, sogar mit Strafandrohung, jedoch geduldet wurde, weil er eine wohltuende Ventilfunktion hatte und das Volk anschließend umso geduldiger weiter arbeiten, beten und unter Armut und behördlicher Willkür leiden ließ. 

 

Weil die Medien uns seit Monaten zuschütten mit Berichten über den Präsidenten-Wahlkampf in den USA, fällt es schwer, sich immer wieder klarzumachen, dass es Wichtigeres gibt als diesen amerikanischen Flohzirkus. Nämlich etwas, das uns betrifft: Die Konfrontation Abendland gegen Morgenland. Die ist seit rund tausend Jahren im Gange, und das in einer Brutalität, die nicht einmal die Tatort-Filme toppen können. Diesen Kampf habe ich aufgrund intensiver Vor-Ort-Recherchen in einem ganz außergewöhnlichen historischen Roman darstellen können, der fast wie ein Geschichtsbuch wirkt und dabei so spannend und unterhaltsam ist, wie der freundliche Titel andeutet: „Favoritin zweier Herren“.

 

 

 

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