831. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

 

240.000 deutsche Urlauber, die wegen der Einstellung des regulären Flugbetriebs im Ausland hängengeblieben waren, hat das Auswärtige Amt mit Sonderflügen in die Heimat zurückgeholt. Dafür haben sich 2.000 Mitarbeiter des Ministeriums fünf Wochen lang die Arme und Beine ausgerissen, wie man so sagt. Eine gewaltige Leistung. Umso bedauerlicher, dass diese 2.000 Mitarbeiter jetzt wohl die Kündigung bekommen werden, weil sich ja gezeigt hat, dass die normale Arbeit in dem Ministerium auch ohne sie zu schaffen ist.

 

Aller Marktmacht der allgewaltigen Pressezaren vom Format Rupert Murdoch zum Trotz wird generell gelehrt, Demokratie sei die ideale Herrschaftsform, weil sie jedem erwachsenen Bürger die gleiche Chance bei der Mitgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse seines Landes gibt, nämlich eine Stimme. Für diesen Witz hätte Herr Murdoch natürlich nur ein stimmloses Lachen übrig.

 

Vor einigen Tagen las ich in der FAZ die Überschrift: „EU will Corona-Impfstoff für die ganze Welt fördern.“ Ein guter Vorsatz. Erinnern wir uns: Europa, das war Mitte des vorigen Jahrhunderts eine große Idee, die zu einer freundschaftlichen Umarmung von Nachbarn führte. Und wir haben immer mehr Nachbarn umarmt. Doch müssen wir allmählich einsehen, dass jeder derartige Zusammenschluss von Nachbarstaaten, egal ob in Europa oder in Afrika, in Amerika, in Asien oder in Ozeanien, gleichzeitig eine Zurückweisung aller anderen ist, die außen vor gehalten werden. Da hilft wohl nur eines: Die Begeisterung für den kleinräumigen Verein der Nachbarn muss von globalem Denken und Miteinander abgelöst werden. Fast müsste man dem Coronavirus für die Förderung dieser Erkenntnis dankbar sein. 

 

Wir saßen im Freundeskreis gemütlich beisammen, nur noch eine wehmütige Erinnerung, als wir uns plötzlich über den Unterschied der Begriffe bösartig und boshaft stritten. Da ging es hoch her. Doch als wir uns schließlich darauf geeinigt hatten, dass als bösartig nur ein Mensch oder Tier bezeichnet wird, während man als boshaft eine menschliche Äußerung bezeichnet, kam einer auf die Idee, diese spitzfindige Unterscheidung eine Geisteskrankheit zu nennen, die nicht einmal heilbar ist, weil bösartig. Das fanden wir alle übertrieben boshaft, womit wir endlich wieder einig waren.

 

Neurologen, Psychologen und Allerleilogen können hieb- und stichfest belegen, dass es nicht nur angenehm ist, wenn man liebevoll berührt wird, sondern auch noch gesund. Denn mit so einer Berührung wird in unserem Organismus diese oder jene kleine Explosion ausgelöst, die prompt ans Gehirn weitergegeben wird und dort irgendwas Gesundes bewirkt. Habe ich alles verstanden, mit meinem Glas Rotwein in der Hand, als die im Fernsehen mir das ausführlich und mit vielen Fachbegriffen erklärt haben. Fernsehen bildet ja. Hinterher kam dann wieder die Aufforderung, wegen Corona auf Körperkontakte zu verzichten, damit wir gesund bleiben.

 

Die Forschung überrascht uns mit der Feststellung, dass es dem gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Menschenaffe nicht erst seit 5 Millionen Jahren, sondern schon vor 20 Millionen Jahren möglich gewesen sein muss, Sprache zu entwickeln. Gleichzeitig erleben wir heute den dramatischen Verfall aller Muttersprachen durch die weltweit zunehmende Verwendung einer Primitivsprache, für die es jetzt schon einen Namen gibt: Globalesisch. Eine nur noch wenig von Land zu Land variierende Rudimentärform des Englischen, das zur Verwandlung in ein primitives Verständigungsmittel besonders geeignet erschien, weil Englisch vorher schon stark abgeschliffen und vereinfacht war.

 

Ich lese in der Anglerzeitschrift „Blinker“, dass der Begriff Anglistik eine völlig neue Bedeutung bekommt. Jetzt steht Anglistik schon für das gesamte Zubehör des Angelns, weil inzwischen alle Begriffe, die mit dem Angeln zusammenhängen, also ganze Kataloge voll, nur noch in Englisch gebracht werden. Der Köder heißt Bait, ein Haken ist ein Jig, und das Absenkblei nennt man Backlead, um nur drei von weit über hundert dieser verrückten Begriffe zu nennen. Die Angelei wird immer anspruchsvoller, und die Fische können sich nicht dagegen wehren.

 

Vor 160 Jahren wurde der russische Dichter Anton Tschechow geboren. Dass seine großen Dramen mit den so wenig sensationell klingenden Titeln „Die drei Schwestern“ und „Der Kirschgarten“ oder „Onkel Wanja“ heute noch an den Theatern der Welt aufgeführt werden, macht den Mann zu einem von uns. Dabei ist er schon mit 44 Jahren gestorben. Aber vorher hat er, schon an Tuberkulose erkrankt, neben dem Schreiben noch viel Kopfschütteln ausgelöst. Weil er unter großen Strapazen zu den auf die Sträflingsinsel Sachalin am äußersten östlichen Ende von Sibirien Verbannten gereist ist und drei Monate lang mit ihnen gelebt und gesprochen hat. – Warum ich das hier erwähne? Weil ich immer wieder gefragt werde, woran ich gerade schreibe. Antwort: Daran.

 

Am 8. Mai ist es 75 Jahre her, dass der Zweite Weltkrieg endete. Wie und mit welchem Ergebnis, dazu gibt es, wie bei allen Großereignissen, eine offizielle Version, aber auch konträre Vorstellungen. In meiner neuesten Buchveröffentlichung „Zwei vor Zwölf“, die auf umfangreichen Recherchen fußt, schildere ich die verrückt aussehenden Versuche der beiden mächtigsten Männer des Dritten Reichs, ihre Haut zu retten. Der fanatische Judenhasser Himmler sieht sein Heil in einer großen Judenbefreiungsaktion, der Alleskönner Hitler versteckt sich hinter einem Double. Die eine Story ist belegt, die andere sehr wahrscheinlich, aber auf ewig unbelegbar – allerdings auch nicht widerlegbar. Das Buch gibt es in jeder Buchhandlung oder direkt beim Verlag (salonline@salonline.de).  

 

 

 

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