824. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

Eine Binsenweisheit ist, dass alles, was wir tun, Vor- und Nachteile hat. Aber wenn einer so kühn wäre zu behaupten, das gelte auch für die Klimaveränderung, würde er wohl mehr Nachteile als Vorteile zu spüren bekommen. Dabei ist doch unübersehbar, dass es neben Tieren und Pflanzen, denen das Aussterben droht, auch Tiere und Pflanzen gibt, die Profiteure der Veränderungen sind, wie Moskitos und Algen. Sie gegen die schwindenden Eisbären und Fichten aufzurechnen, ist allerdings unattraktiv. Schon besser wirkt das Argument, dass die Grönländer durch das Abschmelzen des Eises immer mehr Nutzland gewinnen und die Leute auf Spitzbergen demnächst ihre Toten, statt sie nach Norwegen zu verschiffen, auf ihrer Insel beerdigen können, in heimischer Erde, weil die nicht mehr zu hart gefroren sein wird für die Schaufeln der Totengräber.

 

Dachentdecker. Die Hersteller elektrisch betriebener PKW kommen allmählich darauf, als erste Unterscheidung zu sehen: Garagenstehzeug oder Freilandstehzeug. Und weil das Freilandstehzeug, kurz FSZ, mit über 80 % die Mehrheit darstellt, verpasst man ihm demnächst ein Dach aus Sonnenkollektoren. Was die an unvermeidlichem Zusatzgewicht bringen, spart man an Akkulast ein, ganz abgesehen von der Platzersparnis.

 

Als Vorbereitung einer planvollen Änderung von Straßennamen hat die Stadt München im Jahr 2016 auf Anregung der SPD ihre rund 6000 Straßenbezeichnungen überprüft und als Ergebnis eine Liste von 360 Straßennamen erstellt, die sie für „problematisch“ oder sogar änderungsbedürftig hält. Einzelheiten von der als vertraulich bezeichneten Liste sind schon durchgesickert. Beispielsweise hält man Erich Kästner vor, in der Nazizeit nicht ins Exil gegangen zu sein oder sich zumindest das Leben genommen zu haben. Christoph Columbus wird vorgeworfen, Amerika entdeckt zu haben, was ja wirklich unverzeihlich ist. Heinrich von Kleist wird Rassismus vorgehalten. Arthur Schopenhauer steht wegen frauenfeindlicher Äußerungen in seiner Philosophie auf der Kippe. Der Schwedenkönig Gustav Adolf II. hat im 30-jährigen Krieg unverschämterweise die Protestanten unterstützt. Und sogar Franz Josef Strauß gehört zu den Problemfällen, allerdings nur wegen einer Antilopenjagd in Afrika. Also München im Aufbruch, nur schade, dass man nicht alle 360 Problemstraßen jetzt in Karl-Valentin-Straße umbenennen kann, damit München München bleibt.

 

Die Hingabe Leben rettender Organe von Hirntoten soll ein Akt der Nächstenliebe bleiben. So hat der Bundestag entschieden. Damit ist eine Zwangsspende abgelehnt. Gut so. Zwar weiß man, dass es einen verdeckten weltweiten Organhandel gibt, in dem stolze Gewinne gemacht werden. Doch die Organspende soll eine Spende bleiben, so der deutsche Standpunkt. Eine erstaunliche Blauäugigkeit in einem Land, das sogar das Heiraten und die Zeugung von Kindern mit allerlei Geldanreizen fördert. Aber Heiraten und Kindermachen sind ja keine Akte der Nächstenliebe. Was uns bei dem katastrophalen Bedarf an Ersatzorganen fehlt, das ist ein finanzieller Anreiz für gesunde Menschen, sich unwiderruflich zur Hingabe von Organen nach ihrem Tod zu verpflichten, weil sie für diese Willenserklärung schon jetzt eine Prämie bekommen. Die unleugbare Gefahr, dass in den meisten Fällen für Nichts gezahlt wird, gleicht dem Risiko bei Versicherungen und wäre selbstverständlich von Versicherungen abzudecken. Doch unsere ratlos dastehenden Politiker zeigen bei dem Problemfall eine erstaunliche Scheu vor dem Eingeständnis: Geld regiert die Welt. Nur ja keinen Menschenhandel en detail! Fast möchte ich ihnen mit Goethes Mephistopheles zurufen: Ihr seid doch sonst so ziemlich eingeteufelt. Nichts Abgeschmackters find’ ich auf der Welt als einen Teufel, der verzweifelt.

 

Ein Blick auf die Landkarte Australiens lehrt uns eine neue Logik: Im Osten, wo großflächig der lukrative Kohleabbau betrieben wird, gibt es keine Buschbrände, keine verbrannten Häuser oder von Superregen weggeschwemmten Autos, und es gibt dort auch keine großen Verluste im Tourismusgeschäft, wie im Südosten. Weil es dort fast nichts gibt außer kahler Abbaulandschaft. Fast möchte man sagen: Na also. 

 

Immer wieder hört man Klagen über das zu langsame Internet. Mir scheint, der Begriff Surfen verführt zu einer falschen Einschätzung des Internets. Geht es beim Surfen doch bloß um einen Sport, bei dem schneller, höher, weiter die Kategorien sind. Mehr ist dabei nicht. Doch das Internet ist nicht nur eine hohe Welle zum Vergnügen am Spiel und Wettbewerb, es liefert auch Inhalte. Und das viel schneller, als die früher übliche Sucherei in Bibliotheken, Archiven, in Amtsstuben und Nachschlagewerken aller Art. Nicht das Internet ist zu langsam, sondern die Internet-Nutzer sind zu langsam im Verstehen, dass es bei diesem neuen Medium um viel mehr geht als nur um Bildchengeflacker und Getöse.

 

Weil totalitär eingestellte Frauen sich nicht mit dem geschlechtsneutralen Begriff Bürger zufrieden geben und für sich die Bezeichnung BürgerInnen fordern, sollte man wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Gleichberechtigung, wenn es um männliche Bürger geht, auch den Begriff BürgerAußen benutzen. Und so bei all den neuerdings umstrittenen Wörtern. Also: Liebe LeserInnen und LeserAußen, finden Sie sich nicht einfach damit ab, dass wir immer blöder werden. Lachen Sie wenigstens über die Blöden!

 

Auch Frankreich hat seine Last mit dem Genderunfug. Danach soll beispielsweise die Anrede genderisch so geschrieben werden: „Cher.e.s.lecteur.rice.s“. Dagegen wendet sich energisch die Académie Française, die jetzt einen eindrucksvollen Sieg über den Unsinn errungen hat. Das französische Wikipedia hat sich der überlieferten Schreibung der Akademie angeschlossen. Blamabel, dass wir so eine Akademie in Deutschland nicht haben.

 

Wer meine leicht spöttischen Randbemerkungen zum Alltag bis hierher gelesen hat, der möchte vielleicht auch mal „was Richtiges“ von mir lesen. Ich empfehle meinen Kulturthriller „Hypogäum – Triumph der Venus von Malta“. Touristen im Streit mit der örtlichen Polizei, entlarvte Frömmigkeit, Drogengeschäfte, Sex, hoch informativ, aktuell und spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Näheres und Leseprobe hier im Netzine unter Bücher.

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