823. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

US-Präsident Trump hat einen iranischen Kriegsherrn ermorden lassen, was nichts bessert, wie man weiß, weil ein wegfallender Anführer selbstverständlich sofort durch einen anderen Anführer ersetzt wird. Nicht ersetzt werden jedoch die mehr als 40 bei einer deswegen veranstalteten Trauerdemonstration zu Tode getrampelten iranischen Bürger. Ebenfalls nicht ersetzt werden die 176 getöteten Insassen des ukrainischen Passagierflugzeugs, das vom iranischen Militär abgeschossen wurde, als man eine Revanche der Amerikaner für den Racheangriff auf amerikanische Stützpunkte befürchtete. Also mehr als 200 Bauernopfer für einen aus dem Spiel genommenen Offizier, das würde jeden Schachspieler disqualifizieren.

 

Wir Deutschen sind gelernte Untertanen. Das Kaiserreich und die beiden Diktaturen haben uns geprägt und wirken nach. Deshalb fiel es überhaupt nicht schwer, uns den Sicherheitsgurt und den Motorradhelm aufzuzwingen. Man hat uns ohne große Mühe die Mülltrennung beigebracht und das Rauchen ausgetrieben, so nebenbei auch die Rechtschreibung, und hat uns zur Kontrolle an Handy und Plastikgeld gekettet. Wäre doch gelacht, wenn wir nicht für die CO2-Vermeidung auch noch vom Silvesterböllern, Fleischessen, Autofahren, Fliegen, Rülpsen und Furzen abgebracht werden könnten.

 

Was für eine Meldung: Deutschland hat nach China das zweitgrößte Parlament der Welt. Also die Silbermedaille in Sachen Volksherrschaft. Aber stolz macht mich das nicht. Zeigt es doch nur, wie beliebt der hoch dotierte Versorgungsposten Bundestagsmandat ist. Da aber bei uns die Politik kaum noch vom Bundestag gemacht wird, sondern fast nur von den Parteien und der Regierung, sollten wir unseren übergroßen Bundestag umbenennen in Bundesfeigenblatt XXL.

 

Abenteuer und Heldentum, das sind immer noch männliche Bedürfnisse. Gern ausgenutzt von Machtmenschen, die für ihr Selbstbewusstsein Kriege inszenieren und den massenweisen Heldentod offerieren. Für Nicht-Krieger wird die Befriedigung dieser Bedürfnisse beim Konsum von Zigaretten und Energiedrinks suggeriert. Oder man empfiehlt sinnlose Extremsportarten als zivile Surrogate. Immerhin werden aber auch Gelegenheiten für heldischen Einsatz im Weltrettermodus geboten, für Greenpeacer.  

 

Unübersehbar ist, dass bei uns die Erwachsenen fast nur noch Videos und Spielfilme anschauen und die Kinder fast nur noch die Stummeltexte in Comics lesen können. Bildchen, Bildchen über alles, über alles in der Welt. Mit der deutlichen Abkehr von der Schriftkultur erleben wir jetzt den Höhepunkt der uns seit 75 Jahren verordneten amerikanischen Leitkultur.

 

Der bisherige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main, der Italiener Mario Draghi, hat sich während seiner immerhin 8 Jahre langen Amtszeit vehement geweigert, die Sprache des Landes zu lernen, in der sein Amtssitz war. Dass seine Nachfolgerin im Amt, die Französin Christine Lagarde, jetzt Privatunterricht in Deutsch nimmt, wird als etwas Besonderes gemeldet, statt es als eine Selbstverständlichkeit zu sehen. Aber wir haben uns ja auch schon mit amerikanischen Botschaftern abfinden müssen, die kein Deutsch konnten. Demonstrative Sprachmissachtung als neue Form des Kolonialismus.

 

Ausgerechnet die Goethe-Institute, die auf unsere Kosten in aller Welt die deutsche Sprache und Kultur vermitteln, benutzen das alberne Gendersternchen, obwohl der Rat für deutsche Rechtschreibung diesen Pickel nicht empfiehlt. Nach heutigem Stand der Rechtschreibung sind die Gendersternchen genau wie alle anderen Gender-Übertreibungen, also auch Doppelpunkt oder Großbuchstabe im Wort, nichts anderes als eindeutige Schreibfehler. Wer diese Fehler vermeidet und dafür schlechter benotet oder sonstwie gemaßregelt wird, kann dagegen klagen und sich an den Verein Deutsche Sprache wenden, der ihm Prozesshilfe bietet.

 

Und wieder geistert ein Unwort des Jahres durch die Presselandschaft. Aber kein Mensch ist so ehrlich zuzugeben, dass der Begriff Unwort selbst das eigentliche Unwort ist, das heißt das Wort, das kein Wort sein dürfte. Weil es eine Knebelung des Volkes ist, wenn man ihm ein Wort als Unwort schlechtmacht oder gar verbietet.

 

Wenn wir jetzt, wie ich in der Zeitung lese, den neuen „Trend Urlaub zu Hause“ erleben,  dann habe ich dafür als Ausgleich die exakt passende Lektüre, nämlich den Reiseleiterroman „Hohe Zeit“ mit rücksichtslos ehrlichen Schilderungen aus der Aufbruchzeit des modernen Massentourismus. Das habe ich intensivst erlebt. Von 1958 bis 1974 war ich immer wieder als Reiseleiter unterwegs, in ganz Europa. Und dafür gab es nicht nur Geld. 

 

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