Passiertes! – Passierte es?
Politische Demonstrationen von Sportlern bei Sportveranstaltungen gelten als untragbar, weil sie Ausdruck von Nationalismus sind. Recht so. Feiert der Sport doch den Nationalismus schon zur Genüge bei allen internationalen Wettbewerben, in denen die Sportler ihre Landesfarben tragen. Was damit gerechtfertigt wird, dass der nach festen Regeln ablaufende sportliche Wettkampf zwischen den Ländern das nationale Bedürfnis der Menschen befriedige und Kriege überflüssig mache. Klingt gut. Doch entstehen Kriege niemals aus Nationalismus, sondern aus konkreten Raum- und Wirtschaftsinteressen von Machthabern, die so geschickt sind, in ihren Völkern Nationalismus oder religiösen Wahn wachzukitzeln und für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
Anscheinend darf ich den Sport nicht so wichtig nehmen. Die Medien sind viel wichtiger. Lese ich doch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in einem Artikel über die Marathon-Verlegung von Tokio ins kühlere Sapporo: „1964, als Tokio erstmals Olympische Spiele ausrichtete, war die Hitze kein Problem. Das Sportereignis fand im Oktober statt. Die Sendepläne der großen Fernsehanstalten verlangen mittlerweile aber olympische Termine im Sommer.“
Was in meinem neuesten Buch „Die Triangel“ Erschütterndes erwähnt ist über die Irrfahrten des deutschen Luxusdampfers „St. Louis“, der im Jahre 1939 wochenlang erfolglos bemüht war, 937 geflüchtete Juden im freien Westen an Land zu bringen (s. S. 162), das servierte die ARD jetzt im Film unter dem Titel „Die Ungewollten – Die Irrfahrt der St. Louis“ als Abendunterhaltung. Im Übrigen steht die Verfilmung meines Buches aber noch aus.
Bei uns versuchen Geschäfte immer noch krampfhaft, mit einem englischen Firmennamen groß zu tun, obwohl schon so viele Unternehmungen damit kaputt gegangen sind – und auch daran. Dagegen wird im Ausland die deutsche Sprache hoch geschätzt. Jetzt gibt es schon 157 Goethe-Institute in 98 Ländern, die sich für die Verbreitung deutscher Kultur einsetzen und deren Deutschkurse für Ausländer immer gut besucht sind. Der französische Erziehungsminister Blanquer äußerte sich stolz darüber, dass seit 2017 „mehr als eine halbe Million Schüler wieder Deutsch lernen.“ Der diesjährige Literaturnobelpreis für Peter Handke zeigt ebenfalls, welch bedeutende Stellung Deutsch in der Welt hat. Das ist immerhin schon das 14. Mal, dass dieser Preis an Schreiber deutscher Sprache verliehen wurde. Und mein deutschsprachiger Blog „NETZINE“ wird in weit über hundert Ländern regelmäßig gelesen, neuerdings direkt epidemiemäßig in China.
Mut ist gefordert, wenn man sich heute ins Verkehrsgewühl stürzt. Der Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zeigt viel Mut, und das nicht nur mit der Maut. So vermeidet er den albernen Anglizismus Newsroom für den heute vielfach in Behörden und Firmen eingerichteten Raum der innerbetrieblichen Kommunikation. In seinem Ministerium ist das schlicht und richtig das Neuigkeiten-Zimmer.
Leute, lest Leserbriefe! Die werden immer wichtiger, wenn man die verkehrte Welt verstehen will. Jetzt habe ich in der Zeitung einen köstlichen Kommentar gefunden zu dem neuesten Modegag deutscher Unis, mehr rein englischsprachige Studiengänge anzubieten. Der Leser hatte nach einem Postgraduate-Studium in England seine Dissertation in Englisch bei der Uni München eingereicht, wo sie zurückgewiesen wurde. Er musste sie ins Deutsche übersetzen und neu einreichen. Und das 1953, als in Deutschland noch Besatzungsrecht galt. Dagegen sind wir heute offenbar die zwei Jahre später wiedererlangte Souveränität schon leid und geilen uns lieber am Englischen auf.
Das Sprachmagazin „Deutsch perfekt“ hat in einer Umfrage unter Deutschlernenden aus 46 Ländern erforscht, welcher Begriff als das schönste deutsche Wort empfunden wird. Heraus kam „Gemütlichkeit“. Na, das passt doch exakt zu meinem Eindruck, dass wir schon wieder auf dem Weg in ein neues Biedermeier sind.
So vehement, wie derzeit das Problem Klimawandel diskutiert wird, erscheint mir das schon als eine Entlastungshandlung. Wäre doch die Verzweiflung noch viel größer, wenn wir mit Sicherheit wüssten, dass der Klimawandel überhaupt nichts mit unserem Verhalten zu tun hat und unvermeidlich als eine Katastrophe über uns kommt, die wir nicht im Geringsten abmildern können.
Im Irak, wo die USA mit einer militärischen Invasion die Demokratie eingeführt haben, protestieren jetzt die Menschen gegen die schlechte Versorgung und die korrupte Regierung. Die Demonstranten werden im Regierungsauftrag mit gezielten Kopfschüssen ruhig gestellt. Die Zahl der vom Staat getöteten Bürger ist schon dreistellig, aber der weltweite Aufschrei bleibt aus. Den Hintergrund des irakischen Großdesasters habe ich in dem mit Fotos ausgestatteten Buch, einer Reportage, ausgeleuchtet: „Denk ich an Bagdad in der Nacht“.