814. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

 

 

Urlaubsplanung? Mit einem Kreuzfahrtschiff? Oh Gott, nein, diese Umweltverschmutzer. Mit dem Wagen aber auch nicht, weil noch kein Stromer. Mit dem E-Bike immer im Kampf mit den lahmen Radlern und Spaziergängern, viel zu gefährlich. Und mit dem gemieteten Elektroroller kommt man nicht weit. Doch der Flieger geht nicht, so ein Umweltschwein bin ich nicht. Ach, eine Bahnreise? Nur was für Romantiker. Und ich hab’ doch die ganze Welt auf dem Bildschirm. So wurde mein Nachbar zum überzeugten Stubenhocker.

 

Nicht nur die Sportheroen kommen und gehen, auch die Stätten ihrer Triumphe unterliegen diesem Wandel. In Deutschland wurde jetzt zum dritten Mal über den Abschied einer Rennstrecke vom Formel-1-Rennsport gejammert. Zuerst weinten die Fans um die dafür nur 1959 genutzte AVUS, dann um den von 1951-2013 genutzten Nürburgring und jetzt um den von 1970-2018 genutzten Hockenheimring. Das ist natürlich nichts anderes als die Chance von Cleverles für eine neue, auf deutschem Boden zu etablierende Großinvestition in Schall und Rauch.

 

Die aus fremden Kulturen stammenden Fußballspieler bei Schalke 04 sollen Deutsch lernen, so die Forderung des Vereinsvorstands. In der Kabine soll Deutsch-Pflicht herrschen, und Interviews sollen die Spieler nur noch auf Deutsch geben. Das hat natürlich nichts mit Rassismus zu tun, ist vielmehr betriebswirtschaftliches Kalkül. Es zeigt: Im Sportbetrieb weiß man die Überlegenheit zu schätzen, die aus der gemeinsamen Sprache erwächst, in andern Betrieben glaubt man dagegen immer noch, mit dem vorgeschriebenen Radebrechen in der Fremdsprache Englisch besser abzuschneiden. 

 

Ein Ehepaar aus Ottawa hat Air Canada verklagt, weil die Hinweise im Flugzeug nicht in den beiden Amtssprachen Französisch und Englisch angegeben waren, sondern bloß auf Englisch. Dafür wurde die Fluggesellschaft zur Zahlung von 21.000 kanadischen Dollar verurteilt. Dass alle Hinweise in der Amtssprache gebracht werden, könnten bei uns viele Kläger fordern. Von vielen Unternehmen, angefangen bei der Bahn. Weil in Deutschland die deutsche Sprache Amtssprache ist und nicht das Englische, wie die albernen Bahnoberen meinen.

 

Die Zahlen, die der Verein Deutsche Sprache mir liefert, sind zwar alt, die Verhältnisse aber sind nicht besser geworden: Im Jahr 2002 haben deutsche Verlage 3.782 amerikanische Bücher in Übersetzung herausgebracht, gleichzeitig wurden 150 deutsche Bücher von amerikanischen Verlagen angekauft und übersetzt herausgebracht, vor allem Klassiker und Werke deutscher Philosophie. Da kann man als deutscher Schriftsteller nur noch zum Philosophen mutieren.

 

Verwüstung bedroht uns immer stärker, und das gleich zweifach. Einerseits bezeichnen wir damit die erschreckenden Zerstörungen durch Tornados, Erdbeben, Brände, Überschwemmungen oder Kämpfe, andererseits ist der ebenso erschreckende Verlust von bewohnbarem und nutzbarem Land an die sich unaufhaltsam ausbreitenden Wüsten gemeint. Bei der ersten Art von Verwüstung begnügen wir uns meistens mit Aufräumen und Wiederaufbau, unterstützt von Staatshilfen und Versicherungen. Bei der zweiten Art, die uns schon mehr als ein Viertel der Erde geraubt hat, können wir es uns angesichts der wachsenden Erdbevölkerung und des steigenden Meeresspiegels nicht so leicht machen, wie jetzt Vertreter von 197 Staaten bei einem Treffen in dem besonders betroffenen Indien festgestellt haben. Wir müssen gegen die Verwüstung angehen! Man darf gespannt sein, was daraus folgt. 

 

Der Presse entnehme ich, dass es Bestrebungen gibt, für unverheiratete Frauen die Bezeichnung Fräulein wiedereinzuführen. Bin ich froh, dass ich verheiratet bin und nicht Gefahr laufe, demnächst wegen der Gendergerechtigkeit mit Männlein angesprochen zu werden. 

 

Beim nächtlich versonnenen Blick durch die Bäume über den Rhein sehe ich drüben gleich hinter dem Damm ein paar Lichter, die mich fröhlich anzwinkern. Und muss mir mühsam klarmachen: Es ist mal wieder nicht so, wie es aussieht. Bloß Straßenlaternen und beleuchtete Fenster und der Wind in den Bäumen, der die Blätter bewegt.

 

Jetzt reißen wir Augen, Mund und Nase auf vor Empörung über die Gefährlichkeit der Rollerchen mit Elektroantrieb. Das Erschrecken habe ich bereits vor zwei Jahren im Hau-Rein-Verkehr von Tel Aviv erlebt und – so nebenbei – in meinem neuen, in diesem Frühjahr erschienenen Buch „Die Triangel“ geschildert. Als Warnung. Natürlich vergebens. Aber für alle, die das Buch noch nicht haben: Es zeigt, und das ist sehr viel wichtiger, die entlarvenden Beziehungen von drei Menschen von Format zueinander, die gemeinsam nur Eines haben, nämlich dass sie nicht mehr zur Jugend gehören, zu der gehätschelten Zielgruppe von Wirtschaft und Politik.

 

Dieser Beitrag wurde unter Aktuell veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.