800. Ausgabe

Passiertes! – Passierte es?

Passiertes! – Passierte es?

Messerattacken nehmen dramatisch zu, so lese ich in der Zeitung, und die Polizei in NRW tut was dagegen: Seit Anfang des Jahres zählt sie landesweit alle Angriffe mit Messern. Schön, das ist ja was. Aber weil ich ein unbescheidener Mensch bin, frage ich, warum unser Staat nicht das übliche Dämpfungsmittel einsetzt, nämlich eine hohe Steuer auf Messer aller Art. Da käme doch richtig großes Geld rein.

Ostwind, Südwind und Aufwind. Der aus dem Osten vordringende und vor dreieinhalb Jahrhunderten erfolgreich gestoppte Islam hat mit der Flüchtlingsschwemme neuen Schwung bekommen. Und aus dem Süden wehen Afrikas Menschenmassen zu uns herüber, um zu überleben. Da wundert sich mancher noch, dass die Wähler überall in Europa den Parteien einen Aufwind spenden, die sich zu einem wehrhaften Konservatismus bekennen.    

Der neueste Korrektheitsgag ist, dass ein Land sich für den Raub von Kulturgütern aus den Kolonien schämt und beginnt, das Raubgut zurückzugeben. Natürlich muss Deutschland dabei der Vorreiter sein, obwohl wir im Vergleich zu den europäischen Großkolonisten England, Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Belgien und Niederlande nur wenige Kolonien hatten, und die auch nur für sehr kurze Zeit. Ausschlaggebend aber dürfte sein, welches Land die gewaltigen Geldbeträge bieten kann, die man nebenbei fordern wird, um in den ehemaligen Kolonien Museen zu bauen, in denen die zurückgegebenen Kulturgüter einen sicheren und klimatisierten Aufenthaltsort finden können. Da steht Deutschland mit seinem gewaltigen Überschuss an ausbeuterisch eingetriebenen Steuern natürlich an der Spitze.

Man kann es ja schon nicht mehr hören, das Gerede über die Darstellungsweise, die sich heute Framing nennt. Die ARD-Bosse haben auf einmal verstanden, dass auch alle journalistische Arbeit ein Manipulieren am Bewusstsein des Publikums ist. Deshalb haben sie sich ein Handbuch des richtigen, d. h. gezielten Manipulierens erarbeiten lassen. Das ist für das Publikum eine erschreckende „Fernbedienung“, aber noch bleibt die kleine Fernbedienung mit der Aus-Taste in unserer Hand.

Und ob sich die Geschichte wiederholt. Hitlers Eroberungszug gen Moskau missachtete die katastrophale Erfahrung, die Napoleon gemacht hatte. Und was jetzt in Venezuela geschieht, lässt einen zurückblicken auf das Ende von Allendes Chile. Die Interessenlagen und Ideologien sind dieselben geblieben, bloß das Personal ist ausgewechselt. Da kann man nur hoffen, dass wenigstens keine neue Pinochetsche Diktatur folgt.

Mir fiel auf: Wenn der römische Dichter Vergil (70-19 v.u.Z.) mit „sunt lacrimae rerum“ feststellt, dass die Dinge voller Tränen sind, so ist der moderne amerikanische Universalspruch „take it easy“ eine echte Weiterentwicklung. Nicht nur, weil er knapper daherkommt, sondern vor allem, weil er die Sehweise umkehrt.

Es gibt Leute, die fordern, die Amtssprache und die Gesetzestexte in eine verständliche Sprache zu übersetzen. Als Beispiele für Unverständliches werden die Begriffe „Spontanvegetation“ und „Personenvereinzelungsanlage“ genannt. Für mich sind das klare Bezeichnungen. Das eine meint „Unkraut“, das andere die „Toilettenschüssel“, in die man es nicht werfen sollte.

Immer dieses Umdenken-Müssen, wenn ich von meinem Arbeitsplatz am Fenster auf den Rhein schaue und feststelle: Der Fluss fließt wieder falschherum, nämlich dem landschaftlichen Gefälle gehorchend vom Süden zum Norden hinab, dabei ist der Norden auf meiner Landkarte oben und nicht unten. Dort ist ja der Süden. Die verdammte Willkür der Kartographen hat mich schon in Ägypten beim Hantieren mit den Begriffen Ober- und Unterägypten in die Irre geführt.

Ein deutscher Buchgroßhändler hat Pleite gemacht. Eine Nachricht, die eigentlich jeden Bücherfreund vom Stuhl hochreißen und zur nächsten Buchhandlung laufen lassen müsste. Tatsächlich werden zu wenige Bücher gekauft. Dabei ist das Geld da, aber es wird für Dinge und Erlebnisse ausgegeben, die weit weniger nachhaltig sind als ein gelesenes Buch. Daran tragen jedoch auch die Verleger Schuld, die selbst immer weniger lesen und sich kein eigenes Urteil mehr zutrauen. Sie produzieren, was ihnen Literatur-Agenten und -Kritiker empfehlen. Und das ist zu oft Mist, weil die Agenten das simpelste Zeug empfehlen, denn das verspricht den größten Umsatz, an dem sie prozentual beteiligt sind. Und weil den Literaturkritikern ihre eigene Wortartistik wichtiger ist als das besprochene Buch, das sie aus Zeitgründen ohnehin nur anlesen konnten.

Die NASA will ab 2033 Menschen zum Mars schicken. Um die besonderen Belastungen des mindestens drei Jahre langen Fluges in engstem Kontakt zu erkunden, sperrt sie Gruppen von Testpersonen für einige Wochen ein. Dabei hat sie nun herausgefunden, dass ein bestimmter Typ Mensch unverzichtbar ist, der Spaßmacher. Ohne einen Spaßmacher in der Gruppe halten die Testpersonen den engen Kontakt untereinander nicht lange aus. Eine Erfahrung, die ich schon vor Jahrzehnten als Reiseleiter gemacht und beschrieben habe. Den unschätzbaren Wert eines Spaßmachers kannte man auch schon viel früher. Hat es deswegen doch an allen Höfen, von den Pharaonen und den Königen der Israeliten bis in die Neuzeit, Hofnarren gegeben. Das Leben eines der letzten und bedeutendsten Hofnarren habe ich in der Romanbiografie „Perkeo, der Zwerg von Heidelberg“ beschrieben. Das gehört zu meinen erfolgreichsten Büchern, vermutlich weil ich mich als Autor selbst zum Narren gemacht habe. Selten so gelacht beim Schreiben.


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